Kein Licht, keine Heizung und möglicherweise bald auch kein Wasser mehr. Das sind die unvorstellbaren Szenarien, mit denen sich die 990.000 Bewohner der ukrainischen Hafenstadt Odessa momentan auseinandersetzen müssen. Nach den jüngsten Angriffen Russlands ist die Stromversorgung in der ukrainischen Hafenstadt am Wochenende zusammengebrochen – und somit auch die Fernwärme. Hauptleidtragende sind die soziale schwächeren Ukrainer, die in den Plattenbauten leben.

In den Plattenbauten könnten sich bald Dramen abspielen

Präsident Selenskyj sprach in seiner nächtlichen Videobotschaft davon, dass die Situation in der Region Odessa anhaltend “sehr schwierig” sei, der Stadtrat empfahl den Bürgern sogar, die Region vorübergehend zu verlassen. Für viele der Bewohner – besonders Alte und einkommensschwache Familien – stellt dies momentan aber keine Option dar. Wenn die Reparaturarbeiten nicht schneller vorangehen, als bisher angekündigt – bis zu mehreren Monaten – könnten sich in den Plattenbauten jedoch bald Dramen und Elend abspielen. Denn: Ohne Strom gibt es auch keine Fernwärme. Neben dem Bedrohungsszenario eiskalter Wohnungen könnte vor allem eine weitere Konsequenz die Menschen auf die Straße treiben. Bei Frost in den Wohnblöcken müssen auch die Trinkwasserleitungen stillgelegt werden, da diese beim Durchfrieren drohen zu zerbersten. Ohne Wasser und Wärme sind die Bewohner der Plattenbausiedlungen gezwungen, diese zu verlassen und in Notunterkünfte umzusiedeln.

In der Hafenstadt wurde es am Samstag nach Beschuss durch iranische Kampfdrohnen dunkel.

Auch betroffen von den Stromausfällen: Der Hafen der Stadt. Dieser ist für den Export von ukrainischem Getreide ein wichtiger internationaler Knotenpunkt. Kommt es hier nicht zu einem raschen Wiederaufbau des Stromnetzes, steht die nächste Katastrophe an. Landwirtschaftsminister Mykola Solski beruhigte am Sonntag zwar noch, dass der Handel am schwarzen Meer weiter gehen werde – sicher ist bei diesem Ausmaß an Angriffen jedoch nichts mehr.  Außenminister Dmytro Kuleba schließt mittlerweile ein allgemeines Blackout, also einen vollständigen Zusammenbruch der Stromversorgung, nicht mehr aus. Im ganzen Land wurden mittlerweile 40 Prozent der Strom und Wärmekraftwerke durch russischen Beschuss zerstört. Die Stromanbieter in der Region Odessa rechnen mit einer deutlich längeren Reparaturzeit als nach bisherigen Angriffen. Bis zu drei Monate könnte der Wiederaufbau der Infrastruktur brauchen – und das gerade über den harten windigen Winter in der Hafenstadt.