Eine 28-jährige Wienerin, die jahrelang bei der dschihadistisch-salafistischen Al-Nusra-Front in Syrien gelebt und sich das Familienleben bei Terroristen mit dem Weiterbezug der österreichischen Sozialhilfe finanziert hatte, ist am Dienstag am Landesgericht für Strafsachen zur Verantwortung gezogen worden. Die geständige Angeklagte wurde wegen terroristischer Vereinigung, Terrorismusfinanzierung, krimineller Organisation und schweren gewerbsmäßigen Betrugs schuldig erkannt.

Beweggrund für den Umzug nach Syrien: "Wollte nach Regen des Kalifats leben"

Die Frau hatte im Februar 2017 mit ihrem damaligen Lebensgefährten, den sie nach islamischem Recht geheiratet hatte, den Entschluss gefasst, mit der gemeinsamen vierjährigen Tochter nach Syrien zu gehen, wo sie sich der Al-Nusra-Front (nunmehr Dschabhat Fath asch-Scham) anschließen wollten. Sie habe “nach den Regeln des Kalifats leben wollen”, wie sie nun vor Gericht bekannte. In Syrien angekommen wurde ihr Mann zum Kämpfer ausgebildet, während sie mit der vierjährigen Tochter zuhause blieb.

Eines Tages tauchte jedoch eine frühere Frau ihres Ehemannes auf, woraufhin dieser mit ihr nach Europa zurückkehrte. Die Wienerin, die laut Anklage ihr radikalislamistisches Denken weiter verinnerlicht hatte, blieb dagegen in Syrien und kam auf Vermittlung dessen Mutter mit einem für die Al-Nusra tätigen Einheimischen zusammen. “Sie hat sich als Braut zur Verfügung gestellt”, meinte der Staatsanwalt zusammenfassend.

Ex-Freund überwies ihr monatlich Karenzgeld und Mindestsicherung

Finanzieren ließ sich die Angeklagte ihr neues Leben vom österreichischen Staat. Mit Ausnahme eines weiteren Ex-Freundes wusste nämlich niemand, dass sie nach Syrien gegangen war. Diesem Ex-Freund, dem sie offenbar weiter sehr vertraute, hatte sie vor ihrer Abreise ihre Wohnungsschlüssel und sämtliche Dokumente einschließlich ihrer Bankdaten übergeben. Dieser Helfer behob in weiterer Folge die monatlichen Sozialleistungen der Wienerin – darunter Karenzgeld und Mindestsicherung – und überwies ihr mithilfe eines Geldtransfer-Dienstleisters insgesamt 17.000 Euro nach Syrien. Erst 2019 erfuhr eine Schwester der Frau ihren wahren Aufenthaltsort. Die Schwester verständigte umgehend die Behörden, worauf die Sozialleistungen eingestellt wurden.

Angeklagte lebt mit drei Kindern in katholischem Wohnheim

Das Ende des Geldflusses sowie der Umstand, dass die Kampfhandlungen im syrischen Bürgerkrieg sich bedrohlich nahe ihrem Dorf angenähert hatten, bewogen die Frau im November 2020 zur Flucht in die Türkei. Dort wurde sie festgenommen und für sechs Monate in Schubhaft genommen.  2021 wurde sie nach Österreich ausgeliefert und in Wien für kurze Zeit in U-Haft genommen. Inzwischen lebt die dreifache Mutter – sie ist mittlerweile auch Mutter eines elf Monate alten Buben – mit ihren zwei jüngsten Kindern in einem Wohnheim eines katholischen Frauenordens und wird von der Bewährungshilfe sowie dem Deradikalisierungsverein Derad betreut.

Ex-Freund ist ÖBB-Mitarbeiter, Ex-Ehemann wurde vor wenigen Tagen aus der Haft entlassen

Bei der Strafbemessung ließ der Schöffensenat Milde walten. Die bisher unbescholtene Frau kam mit zwei Jahren, davon acht Monate unbedingt, davon. Der Strafrahmen hätte bis zu zehn Jahre Haft zugelassen. Nach Rücksprache mit ihrem Verteidiger Harald Schuster nahm die Frau das Urteil an, es ist nicht rechtskräftig.

Der mitangeklagte Ex-Freund, ein Angestellter der ÖBB, der der Angeklagten das Geld überwiesen hatte, wurde wegen Terrorismusfinanzierung zu einem Jahr bedingt verurteilt. Der Mann, mit dem die Angeklagte ursprünglich nach Syrien aufgebrochen war, verbüßte bis vor kurzem eine dreieinhalbjährige unbedingte Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Stein. Er wurde vor wenigen Tagen entlassen, als deutscher Staatsbürger nach Deutschland abgeschoben und mit einem Aufenthaltsverbot belegt.