Vor zehn Jahren fing die afghanische Geschäftsfrau Roya Mahboob an, ihre Mitarbeiterinnen in Bitcoin zu bezahlen. Die meisten Frauen in Afghanistan hatten damals kein eigenes Bankkonto, weil sie es nicht eröffnen durften oder weil ihnen die Dokumente dafür fehlten. Dass die Kryptowährung nach der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban für manche das Ticket raus aus dem Land bedeuten würde, ahnte sie damals nicht.

Tausende von Mädchen und Frauen lernten Computerkenntnisse

Mahboob, eine der ersten afghanischen Firmenchefinnen und vom “Time Magazine” 2013 zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gekürt, gründete zusammen mit ihrer Schwester die gemeinnützige Stiftung “Digital Citizen Fund”. In ihren Zentren in den Städten Herat und Kabul lernten Tausende von Mädchen und Frauen Computergrundkenntnisse. Zudem schrieben einige von ihnen Blogs und produzierten Videos, wofür sie bezahlt wurden. Am Anfang in bar, was sich jedoch schnell als Problem erwies. “Es war einfach unmöglich und überhaupt nicht sicher, jedem Bargeld zu schicken. Aber das mobile Bezahlen war noch nicht so weit verbreitet, und Möglichkeiten wie PayPal gab es damals nicht,” erinnert sich die 34-Jährige in einem Gespräch mit der Thomson Reuters Foundation. “Dann hörten wir plötzlich von Bitcoin.”

Bitcoin als Investition der Zukunft

“Es war einfach zu benutzen, billiger und sicherer als andere Optionen,” erzählt Mahboob. “Also brachten wir den Mädchen bei, wie man es benutzt, und begannen, unsere Mitarbeiterinnen damit zu bezahlen. Wir sagten ihnen, es sei eine Investition in die Zukunft.” Etwa ein Drittel der fast 16.000 Mädchen und Frauen, die beim Digital Citizen Fund Informatikunterricht nahmen, lernten auch, wie man eine digitale Geldbörse einrichtet, ein Krypto-Wallet. Sie konnten außerdem lernen, wie man mit Bitcoin und Ethereum – eine andere wichtige Kryptowährung – handelt und in sie investiert. Mehrere dieser Frauen hätten das Land nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban am 15. August verlassen und ihr Krypto-Vermögen genutzt, um sich im Ausland ein neues Leben aufzubauen, erzählt Mahboob.

Unterstützung für Krisengebiete

Die relative Anonymität und Zugänglichkeit dieser Krypto-Wallets ermöglicht es nicht nur afghanischen Frauen, zu fliehen und sich mit ihren Familien in neuen Ländern niederzulassen. Bitcoin und andere Cyberwährungen werden Finanz- und Technologieexperten zufolge zunehmend von Menschen ohne Zugang zum offiziellen Bankensystem in Konfliktgebieten oder in Ländern mit schwachen Regierungsstrukturen genutzt. “In gescheiterten oder fragilen Staaten bieten Kryptowährungen den Menschen eine Möglichkeit, Familienmitglieder zu unterstützen”, erläutert Keith Carter von der National University of Singapore School of Computing zur Thomson Reuters Foundation. “Kryptowährungen fördern die Entwicklung einer digitalen Infrastruktur dort, wo es keine gibt, indem sie die Nachfrage nach digitalen Dienstleistungen erhöhen.” (APA/Reuters)