Nach dem Befehl zum Rückzug der russischen Armee von den Grenzen zur Ukraine zeigen vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichte Videos Panzer, die nach gemeinsamen Übungen der Streitkräfte Russlands und Weißrusslands nach Russland abfahren. Russland erklärte am 15. Februar 2022, dass es einen Teil seiner Streitkräfte nahe der ukrainischen Grenze auf ihre Stützpunkte zurückziehe.

In den sozialen Medien tauchen unterdessen Videos auf, die eine gänzlich andere Sprache sprechen.

Unzählige russische Kampfpanzer haben die gesamte Nacht über bis in die Morgenstunden ihren Stützpunkt verlassen und sich zu Angriffspositionen an der Grenze zur Ukraine bewegt. Sie befinden sich im Umfeld der russischen Stadt Belgorod.

Russische Panzer auf dem Weg zu Angriffspositionen nahe BelgorodTwitter/Babak Taghvaee
Unzählige Panzer bewegten sich die gesamte Nacht hindurch...Twitter/Babak Taghvaee
... bis in die MorgenstundenTwitter/Babak Taghvaee

Vor Russlands offiziellem Tuppenabzug warnt schon seit Tagen der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld. “Hüten wir uns vor einem russischen Truppenabzug, der, schenken wir den neuesten Meldungen Glauben, soeben begonnen hat – dies könnte der gefährlichste Moment von allen sein”, erklärte er nun in einem Kommentar in der “Welt”.

Zwar könne auch er nicht mit Sicherheit sagen, ob Russland tatsächlich angreifen wird. “Ich denke aber, denjenigen Zeitpunkt zu kennen, an dem wir in Washington, London, Paris, Berlin, in den übrigen Nato-Hauptstädten und an vielen anderen Orten der Welt wirklich besorgt sein sollten. Das ist der Zeitpunkt, wenn Putins Panzer sich in Bewegung setzen: nicht vorwärts in Richtung ihrer Ziele, sondern weg von ihnen, zurück zu ihren Friedensbasen und Depots.”

Die offiziellen Bilder des russischen Verteidigungsministeriums zeigen den Abzug aus WeißrusslandAPA/AFP/Russian Defence Ministry/Handout

Seit 1917 habe keine Armee mehr Wert auf die Militärgeschichte gelegt als die Rote Armee. “Von der Einnahme der Stadt Ai durch die biblischen Israeliten bis hin zur Einnahme von Troja durch die Griechen haben viele Armeen ihren Erfolg einem Trick zu verdanken.”

Martin van Creveld nennt mehrere Beispiele aus der jüngeren Militärgeschichte.

Aus der Geschichte lernen

“Donnerstag, 2. August 1990: Die Armee von Saddam Hussein marschiert in Kuwait ein und besetzt es. Es vergehen jedoch einige Tage, in denen er oder seine Helfer behaupten, den Rückzug der irakischen Streitkräfte aus dem Grenzgebiet, in dem sie stationiert sind, vorzubereiten.” Jedes Mal, wenn diese Nachricht verbreitet wurden, wurde sie “mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung aufgenommen. Und es ist unnötig zu sagen, dass sie jedes Mal falsch war.”

Ebenso habe Israel Anfang Juni 1967 die arabischen Staaten getäuscht, indem es viele israelische Reservisten plötzlich auf Urlaub nach Hause geschickt hat – um dann am 5. Juni Ägypten anzugreifen und einen überwältigenden Sieg im Sechstagekrieg zu erzielen. Eiskalt wurde dafür Israel am 6. Oktober 1973 erwischt, als Syrien und Ägypten den jüdischen Staat am Jom Kippur angriffen. Auch die Truppen des Warschauer Pakts hätten sich nicht anders im August 1968 verhalten. Sie besetzten damals die Tschechoslowakei, bis sie nach Abschluss der Manöver das tschechoslowakische Gebiet verließen – “nur, um sofort wieder umzukehren.”