Schon wieder: In einem russischen Industriegebiet ist am Mittwoch ein Großbrand ausgebrochen, diesmal im Umfeld von Nischni Nowgorod. Die Stadt befindet sich tief im Landesinneren, 400 Kilometer östlich von Moskau.

Der Vorfall erhärtet den Verdacht, die Ukraine könnte systematisch die russische Infrastruktur angreifen. Das jüngste Feuer gehört zu einer Reihe mutmaßlicher Sabotageakte, die in den vergangenen Wochen in Russland gemeldet wurden. Bisher hat Kiew keine Verantwortung für die “Unfälle” übernommen.

Feuer im Lagerhaus eines pro-russischen Verlags

Mehr als ein Dutzend Brände wurden in Russland seit Beginn der Invasion gemeldet. Gerade in den vergangenen Wochen hat die Anzahl der Vorfälle stark zugenommen. So brach etwa am Dienstag gegen Mitternacht ein Brand in einem vierstöckigen Lagerhaus eines kremlnahen Verlags aus. Das Gebäude befindet sich im Stadtbezirk Bogorodsk in der Region Moskau. Um drei Uhr früh wurde die Feuerwehr gerufen. Sie brauchte gut vier Stunden um den Brand zu löschen, teilte ein Sprecher des russischen Ministeriums für Notfallsituationen mit.

Der Verlag heißt “Prosveshchenie”, was auf Russisch “Aufklärung” heißt. Er verlegt Lehrbücher für russische Schulen. Die Verlagsleitung soll die Mitarbeiter angewiesen haben, die Erwähnung der Ukraine in den Lehrbüchern zu reduzieren, sagt Anton Geraschtschenko, Berater des ukrainischen Innenministers, in seinem Telegrammkanal.

Zahlreiche weitere Großbrände hatten in den Tagen zuvor zentrale Plätze russischer Infrastruktur zerstört.

Moskau bestätigt Brand in Waffenfabrik

Erst zwei Tage vor dem Brand in dem Verlagsgebäude ereignete sich ein weiterer “Brandunfall”: Anton Geraschtschenko, Berater des ukrainischen Außenministeriums, twitterte Bilder, die seiner Meinung nach die Waffenfabrik in Perm – 1127 Kilometer östlich von Moskau – in Flammen zeigen. Er behauptete, eine “starke” Explosion habe sie getroffen.

Russland bestätigte: In der Fabrik war am Sonntag gegen 20 Uhr ein Feuer ausgebrochen. Zur Brandursache sagte Moskau nichts. In der Fabrik werden Raketen für russische Artilleriesysteme hergestellt, die zur Bombardierung ukrainischer Städte und Truppen eingesetzt werden.

Es fehlen Arbeiter für die Bekämpfung der Brände

Auch in Sibirien wüten Brände, doch dürften die eher auf die klimatischen Bedingungen zu dieser Jahreszeit zurückzuführen sein als auf direkte Sabotage. Allerdings stehen zurzeit anscheinend nicht genügend Arbeiter zur Brandbekämpfung zur Verfügung, was die Lage verschlimmert.

Ungeklärt ist, wie viele der Vorfälle tatsächlich auf Unfälle oder möglicherweise auch auf Unzufriedenheit in der russischen Bevölkerung zurückzuführen sind.

Treibstofflager, Munitionslager und eine Eisenbahnbrücke

Im vergangenen Monate beschuldigte Russland Kiew, ein Treibstofflager in Belgorod mit Hubschraubern in die Luft gejagt zu haben. Die Ukraine dementierte. Ohne die Verantwortung zuzugeben, erklärte aber der ukrainische Präsidentenberater Mykhailo Podolyak , dies sei “Karma” für Russland und es verdiene, etwas über “Entmilitarisierung” zu lernen, womit er Putins Kriegsziele aufs Korn nahm.

Zwei weitere Treibstofflager, ein Munitionslager und eine Eisenbahnbrücke wurden seither zerstört. Vor zwei Wochen wurde darüber hinaus ein Stützpunkt in Twer bei Moskau durch einen Brand zerstört. In der Nacht zum Montag waren die Luftabwehrsysteme über Belgorod erneut aktiv, als zwei Explosionen zu hören waren und Lichter am Himmel erschienen. Bei den hellen Flecken handelte es sich offenbar um Spuren von Leuchtraketen, die entweder von Jets oder Hubschraubern über der Stadt hinterlassen worden waren. Hier könnte es sich also um einen ukrainischen Angriff gehandelt haben.

Der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, versuchte, diese Gerüchte zu zerstreuen. Die Leuchtraketen seien von russischen Jets abgefeuert worden und die Explosionen hätten keinen Schaden verursacht.

Fazit: Brände häufen, doch weder der Kreml noch Kiew sprechen zurzeit offen von Sabotageakten der Ukraine.

Überblick über mögliche Sabotageakte in Russland:

März: Zu einem unbestätigten Zeitpunkt werden in den Regionen Woronesch, Swerdlowsk und Iwanowo fünf Rekrutierungszentren in Moskau in Brand gesetzt.

21. April: Russische Beamte geben an, dass 17 Menschen in einem Forschungsinstitut für Luft-Raum-Verteidigung in Twer, 180 km nordwestlich von Moskau, bei der Entwicklung von S-400 AD-Systemen und Kalibr-Raketen ums Leben kamen.

21. April: Explosion der Chemiefabrik Dmitrievsky in der Stadt Kineshma, 950 km von der Ukraine entfernt

22. April: Bis zu fünf russische Rekrutierungsbüros werden in Iwanowo in Brand gesetzt.

22. April: Die Korolev Rocket and Space Corporation Energia wird in Russland in Brand gefilmt.

23. April: Ein Wasserkraftwerkskomplex beim Kuban, einem Zufluss des Asowschen Meers im nördlichen Kaukasus, bricht zusammen.

25. April: Brjansk-Öldepot, eine Produktionsstätte von Rosneft

25. April: Der Luftwaffenstützpunkt Ussuriysk brennt.

28. April: Auf einer Baustelle in Minsk, Weißrussland, wird ein Brand gefilmt.

28. April: Autos, die mit dem nationalistischen russischen Symbol “Z” gekennzeichnet sind, werden in Moskau in Brand gesteckt.

29. April: In Russland brennen mehrere Gebäude, nachdem ein Feuer in einem Einkaufszentrum in Ishim ausgebrochen ist.

30. April: Berichten zufolge wurde ein 120-Megawatt-Kohlekraftwerk GRES-2 auf Sachalin sabotiert.

1. Mai: Videos dokumentieren brennende Heizöltanks in Mytischtschi, einem Treibstoffdepot nur 30 Minuten vom Kreml entfernt.

1. Mai: Fotos legen nahe, dass eine Eisenbahnbrücke in der russischen Region Kursk durch Sabotage zerstört wurde.

2. Mai: Filmaufnahmen zeigen einen Brand in einer Munitionsfabrik in Perm, in der Nähe des Uralgebirges.

3. Mai: Im Moskauer Stadtbezirk Bogorodsk bricht ein Feuer in einem vierstöckigen kremlnahen Verlagsgebäude aus.

4. Mai: Filmaufnahmen von einem Großbrand in der Industriezone Dserschinskij im Umfeld von Nischni Nowgorod.