Die Weltgesundheitsorganisation WHO macht eine Kehrtwende – mit möglicherweise weitreichenden Folgen. Noch zu Beginn der Corona-Pandemie folgte sie ganz dem Kurs Pekings, das jede Verantwortung für den Ausbruch der Pandemie von sich wies. Ein Laborunfall in Wuhan als möglicher Ursprung des Virus wurde von der WHO als wilde Verschwörungstheorie abgetan. Doch die jüngste Stellungnahme der WHO klingt ganz anders. Demnach wurde der weltweit erste Covid-19-Patient möglicherweise während seiner Arbeit in einem Labor in Wuhan infiziert.

Leiter der WHO-Studie: „wahrscheinliche Hypothese“

Dr. Peter Embarek, der die WHO-Untersuchung über die Ursprünge der Coronavirus-Pandemie in China leitete, stellte die´ schockierende Behauptung auf. Zuvor hatte er die Theorie, wonach das Virus aus einem Labor entwichen sei, als äußerst unwahrscheinlich heruntergespielt. Nun räumt er ein: Die Theorie des Laborlecks könnte doch wahr sein. Er deutete an, dass ein chinesischer Forscher bei der Entnahme von Proben von einer Fledermaus infiziert worden sein könnte.

„Ein Mitarbeiter, der sich draußen durch Probenentnahme infiziert hat, fällt unter eine der wahrscheinlichen Hypothesen“, erklärte Embarek nun. „In diesem Fall wäre es dann ein Labormitarbeiter statt eines zufälligen Dorfbewohners oder einer anderen Person, die regelmäßig Kontakt mit Fledermäusen hat. Es ist also tatsächlich in der wahrscheinlichen Kategorie.“

China erntet seit Corona-Pandemie Kritik

Die WHO lenkt damit ein. Wegen ihrer Nähe zum chinesischen Regime hatten die USA sogar den Austritt aus der Organisation angekündigt. Auch in anderen Staaten reißt die Kritik an China nicht ab. Die Volksrepublik wird bis heute beschuldigt, den ersten Ausbruch zu vertuschen und Informationen zu verheimlichen, als er im Dezember 2019 in Wuhan erstmals auftrat. Spätestens seit Juli scheint aber auch bei der WHO ein Umdenken eingetreten zu sein. Plötzlich forderte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus eine Untersuchung der Labore in Wuhan, was das chinesische Regime in Peking vehement ablehnt.

Embareks Äußerungen stehen in deutlichem Widerspruch zu dem, was er noch während seiner Erkundungsmission in China gesagt hat. Damals forderte der dänische Wissenschaftler auf, die Untersuchung über einen möglichen Laborursprung des Virus einzustellen. Ursprünglich hatte er auch darauf bestanden, dass es keine Beweise für eine Übertragung “in Wuhan oder anderswo” vor Dezember 2019 gibt. Eine Woche später ruderte er zurück.

US-Präsident Biden ordnete weitere Untersuchung an

Der Huanan-Markt, auf dem Wissenschaftlern zufolge die erste Gruppe von Infektionen offiziell gemeldet wurde, ist nur wenige hundert Meter vom Wuhan-Zentrum für Seuchenprävention und -bekämpfung entfernt. Und nur wenige Kilometer entfernt befindet sich das Wuhan Institute of Virology Lab, wo Wissenschaftler Berichten zufolge Experimente an Fledermäusen durchführten und fledermausbasierte Coronaviren untersuchten, die dem Covid-19 ähnlich sind.

Im Mai wies Joe Biden die US-Geheimdienste an, die Herkunft von Covid erneut zu untersuchen – und räumte ein, dass sie sich nicht einig sind, ob das Virus aus dem Labor ausgetreten ist.

China will zentrale Dokumente nicht hergeben

Die WHO hatte in ihrem ersten Bericht zu Jahresbeginn noch erklärt, das Virus stamme wahrscheinlich von einer Fledermaus, bevor es auf einen Zwischenwirt und dann auf den Menschen übertragen wurde – wobei sie auch anderen Theorien aus Peking Glauben schenkte, etwa dass das Virus über gefrorenes Fleisch eingeführt wurde. Der Bericht wurde von US-Diplomaten als “unzureichend und nicht schlüssig” bezeichnet.

WHO-Direktor Tedros Ghebreyesus – dem vorgeworfen wird, sich bei China einzuschmeicheln –erklärte daraufhin, die Theorie des Laborlecks bleibe auf dem Tisch. Er warf China auch vor, bei der Untersuchung des Ursprungs von Covid-19 wichtige Rohdaten nicht weitergegeben zu haben.

Nun hat auch Embarek hat dargelegt, wie schwierig es für sein Team beim Besuch beider Labore in Wuhan war, Zugang zu Dokumenten zu erhalten. „Wir durften weder Laborbücher noch Dokumente direkt im Labor einsehen“, sagte Embarek. „Wir bekamen eine Präsentation, und dann sprachen wir darüber und stellten die Fragen, die wir stellen wollten, aber wir durften überhaupt keine Unterlagen einsehen.“

Peter Embarek: China könnte etwas zu verbergen haben

Das Wuhan Zentrum für Seuchenpräfention und -bekämpfung hat seit 2013 keinen Bericht über die Arbeit mit Fledermäusen veröffentlicht, aber Embarek zufolge bedeute das nicht, dass seitdem dort nicht mehr mit Fledermäusen gearbeitet wurde. Das Labor wurde am 2. Dezember 2019 nur wenige hundert Meter von dem Markt entfernt verlegt, auf dem Wissenschaftler die erste Gruppe von Covid-19-Infektionen fanden. Embarek hält den Umzug für interessant: „Das ist der Zeitraum, in dem alles begann, und Sie wissen ja, was passiert, wenn ein Labor umzieht, das ist eine Störung für alles.“ Er fügte hinzu: „Man muss auch die Virussammlung, die Probensammlung und andere Sammlungen von einem Ort zum anderen verlegen.“

Der Wissenschaftler merkte noch an: „Wenn ich immer noch der Meinung bin, dass wir die Hypothese eines Laborlecks untersuchen sollten, dann aus verschiedenen Gründen. Einer davon ist die Art und Weise, wie sich die chinesische Regierung verhalten hat. Sie hat versucht, jegliche Forschung in diesem Bereich zu unterdrücken. Wir wissen nicht, ob sie nur versuchen wollen, die Geschichte zu kontrollieren, oder ob sie etwas zu verbergen haben.“

Die neuen Aussagen der WHO werfen schwerwiegende Fragen auf, darunter jene, was denn der Ziel der Forschungen in Wuhan war. Auch Schadensersatzforderungen an China wären denkbar.