Bei aller Einsicht in die Gefährlichkeit einer Covid-19-Infektion für bestimmte Personengruppen, dürfen doch die Relationen nicht aus dem Blick geraten: Die von 1918 bis 1920 grassierende „Spanische Grippe“ hat, bei einer damaligen Weltpopulation von 1,65 Mrd. Menschen, je nach Quelle zwischen 20 und 100 Mio. Menschenleben gefordert. Legt man die niedrigste Opferzahl zugrunde und rechnet diese auf die heutige Weltbevölkerung hoch, so kommt man auf knapp 100 Millionen. Tatsächlich waren bisher aber nur etwas mehr als fünf Millionen Covid-19-Opfer zu beklagen. Natürlich war jeder dieser Todesfälle einer zu viel. Aber ob die von den Regierungen ergriffenen Maßnahmen in einem vernünftigen Verhältnis zum Anlass stehen, darf in Frage gestellt werden. So wie bisher kann es jedenfalls nicht weitergehen, wenn irreparable Schäden am bestehenden Wirtschaftssystem vermieden werden sollen.

Die Trümmer von Corona: Wer wird das bezahlen?

Schon jetzt stellt sich die Frage, wer für das Aufräumen der Trümmerwüste bezahlen wird, die als Folge der erratischen Regierungsmaßnahmen zurückbleibt: Immerhin ist Österreich ein Fremdenverkehrsland und der Tourismus liefert einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zum BIP, nämlich 5,5 Prozent, und stellt rund 220.000 Arbeitsplätze. Die Hotellerie bewegt sich im zweiten Jahr des Ausnahmezustands auf einen Abgrund zu, viele Betreiber von Gastronomiebetrieben, Fitnesscentern und „körpernahe Dienstleister“ stehen nach der G-2-Verodnung schon mit einem Bein vor dem Konkursrichter, der Einzelhandel (mit Ausnahme der Lebensmittelbranche) klagt über gewaltige Umsatzeinbrüche und man kann bis über den großen Teich herüber hören, wie sich der smarte Internethändler Jeff Bezos die Hände reibt. In der Tat sind die international operierenden Internetriesen die großen Profiteure des Kahlschlags im traditionellen Handel. Menschen, die zuvor nie auf die Idee gekommen wären, sich Bücher, Kleider oder Werkzeuge bei Amazon zu bestellen, haben ihre Konsumgewohnheiten – den langen Lockdowns sei Dank – zwangsläufig geändert und werden davon auch nach einem allfälligen Ende der Pandemie nicht mehr abgehen. Immerhin funktioniert das Amazon-Geschäftsmodell ja in der Tat bestens. Was es indes bedeutet, den Einzelhandel zu ruinieren, kann man in vielen US-Innenstädten bewundern, die völlig verödet und zum Treffpunkt lichtscheuen Gesindels verkommen sind.

Wo bleibt die Empathie mit Mensche, deren Existenzgrundlage durch Lockdown & Co. zerstört wird?

Übrigens ist es mehr als auffällig, dass diejenigen, die sich besonders lautstark mit Forderungen nach „strengen Maßnahmen“ zur Pandemiebekämpfung hervortun, allesamt über bombensichere Arbeitsplätze verfügen? Mit vollen Hosen ist bekanntlich gut stinken. Was es dagegen für Kleingewerbetreibende heißt, wenn die Regierung ihre Existenzgrundlage zerstört; Was es für einen in einer strukturschwachen Region lebenden Pendler bedeutet, wenn er seinen Arbeitsplatz verliert, kümmert Minister, beamtete Damen und Herren und Ärztekammerpfründer offensichtlich nicht im Geringsten, die sich täglich mit martialischen Rollbalken-runter-und-ab-in-den-Hausarrest-Forderungen gegenseitig überbieten. Ein bisschen mehr Empathie für diejenigen, die ungefragt für ihre Gehälter aufzukommen haben, etwas Augenmaß, weniger Arroganz und Selbstgerechtigkeit würde den Herrschaften gut anstehen.

Gesundheit ist nicht das einzige Gut, das auf dem Spiel steht

Vielleicht hatte der unvergleichliche Heimito von Doderer ja genau diese privilegierte Kaste von Staatsagenten im Blick, als er so ungemein elegant formulierte: „Noch keiner, der des Irrsinns Höhe erreichte, hat sie als solche erkannt und auch die Gipfel der Frechheit bleiben für ihre Erstersteiger meist in Nebel gehüllt.“

Fazit: Gesundheit ist ein hohes Gut – daran besteht kein Zweifel. Aber es ist eben bei weitem nicht das einzige.