Kürzlich zitierte die liberale Denkfabrik Agenda Austria eine Eurobarometer-Umfrage, wonach relativ viele Österreicher Skepsis gegen den Freihandel hegen. 24 Prozent der befragten Bürger halten demnach nichts oder wenig davon. Da überrascht es auch nicht, dass rund 50 Prozent der Befragten protektionistische Maßnahmen zum Schutz der heimischen Betriebe befürworten. Angesichts der starken internationalen Vernetzung des Landes, ist das bemerkenswert. Dass ein guter Teil des hierzulande herrschenden Wohlstands dem freien Warenverkehr geschuldet ist, kommt vielen Mitbürgern nicht in den Sinn. Speziell der Import von Textilien, Elektrogeräten und Unterhaltungselektronik aus Fernost, trägt viel zum Lebensstandard von Herrn und Frau Österreicher bei.

Dass Arbeitsteilung die Produktivität steigert und Herstellungskosten senkt, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Weshalb aber Arbeitsteilung innerhalb der Landesgrenzen gut, darüber hinaus aber böse sein soll, ist nicht einzusehen. Freihandel bedeutet nicht mehr und nicht weniger als internationale Arbeitsteilung. Dem britischen Ökonomen David Ricardo ist die zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewonnene Einsicht zu verdanken, dass es so etwas wie „komparative Kostenvorteile“ gibt. Das bedeutet, dass es sinnvoll ist, sich auf jene Branchen zu konzentrieren, in denen man über die relativ größten Vorteile gegenüber den Wettbewerbern verfügt – und zwar für alle!

Nationale Autarkie ist kein erstrebenswertes Ziel

Der Zusammenbruch von Lieferketten dank wirtschaftsfeindlicher Maßnahmen der Regierungen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie, hat Rufe nach nationaler Autarkie lautwerden lassen. Die anzustreben, wäre aber keine gute Idee. Der Versuch, alles im eigenen Land herzustellen, um nicht von ausländischen Lieferanten abhängig zu sein, bedeutet nämlich den Verzicht auf die sich durch günstige Importe ergebenden Vorteile. Textilien, elektronische Geräte und bestimmte Lebensmittel in Österreich zu produzieren, anstatt sie zu importieren, würde besonders die Geringverdiener treffen. Die Preise der betreffenden Artikel würden nämlich aufgrund der Kleinheit des Binnenmarktes und des damit verbundenen Wegfalls von Skaleneffekten drastisch ansteigen, was bei unverändertem Einkommen einem massiven Verlust an Lebensstandard gleichkäme.

Selbstverständlich dürfen die durch lange Transportwege entstehenden externen Kosten (z. B. ökologischer Natur) nicht übersehen werden. Doch liegt es auf der Hand, dass etwa die Produktion von Bananen und Datteln im Alpenraum technisch zwar realisierbar sein mag, aber selbst in ökologischer Hinsicht nicht mit dem Import dieser Früchte aus tropischen oder subtropischen Ländern konkurrieren kann.

Es erhebt sich die Frage, was eine Regierung dazu legitimiert, ihren Bürgern den grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsaustausch zu untersagen. Sie errichtet ja auch innerhalb der Landesgrenzen keine Handelsbarrieren – etwa zwischen St. Pölten und Wels. Warum aber tut sie es dann, wenn es um Geschäfte geht, die Firma A in Wien mit der Firma B in Shenzen oder dem Unternehmen C in Seattle treibt? Gerade die Konsequenzen der Regierungsinterventionen im Zusammenhang mit Covid-19 haben doch klar gezeigt, welcher Schaden dadurch entsteht – und zwar nicht nur für die Betriebe, sondern besonders für die Konsumenten.

Protektionismus ist keine gute Sache – in keiner Branche

Auch protektionistische Maßnahmen, die von vielen Österreichern positiv gesehen werden, sind problematisch. Hierbei handelt es sich um ein klassisches Beispiel von „Was man sieht und was man nicht sieht“ (Frédéric Bastiat). Man sieht den Nutzen, den die betreffende Branche – beispielsweise die der Rohstahlproduzenten – daraus zieht, dass man sie vor ausländischer Konkurrenz beschützt, übersieht aber, dass alle Kunden der Stahlersteller – also die weiterverarbeitenden Industriebetriebe – die Zeche in Form höherer Einstandspreise bezahlen müssen und damit ihrerseits an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Auch der Konsument bezahlt am Ende mehr für das Endprodukt, als er unter Freimarktbedingungen zahlen müsste. Einer kleinen Zahl von Profiteuren steht damit eine große Zahl von Verlierern gegenüber. Außerdem nehmen die Freihandelsbarrieren (z. B. in Form von Zöllen für die importierten Produkte) den Druck von heimischen Herstellern, ihre Angebote zu verbessern und die Preise zu senken, um konkurrenzfähig zu bleiben. Längerfristig führt das zur Stagnation. Ein gutes Beispiel dafür ist die US-Stahlindustrie, die über lange Zeiträume hinweg durch protektionistische Maßnahmen vor ausländischer Konkurrenz bewahrt wurde und dadurch technologisch viel an Boden gegen überseeische Wettbewerber verloren hat. Fazit: Wirtschaftlicher Protektionismus ist keine gute Sache – und zwar in keiner Branche.

Die Erfahrung lehrt, dass jedes politisch verhandelte „Freihandelsabkommen“ – egal auf welchen Namen es hört (TTIP, CETA, etc.) sich in einem Hunderte – oder gar Tausende Seiten dicken Vertragswerk manifestiert, in dem jedes noch so winzige Detail abgehandelt und den Wünschen einflussreicher Lobbys entsprechend formuliert wird. Wer Freihandel wünscht, braucht dafür keine dicken Verträge. Der US-Ökonom Murray Rothbard konstatierte schon vor Jahrzehnten: „Man braucht keinen Vertrag, um Freihandel zu treiben.“ Wer Freihandel wünscht und nicht auf einen Vertrag verzichten will, kommt mit wenigen Worten aus: Alle Handelstarife und Zölle sind abgeschafft. Wer immer Handel treiben will, ist ohne jede Einschränkung dazu berechtigt, das über jedwede Grenzen hinweg in jedem beliebigen Umfang zu tun.

Die Feinde das Freihandels müssen erklären, wer und was sie dazu ermächtigt, die Bürger bei deren Kaufentscheidungen zu bevormunden und wer dadurch letztlich profitiert. Die durch Handelsbarrieren entstehenden Wohlstandsverluste hat in jedem Fall die politische Klasse zu verantworten.