
Andreas Tögel: Rechts und Links
Immer wieder wird behauptet, dass linke und rechte politische Extreme einander berühren. Wendet man das überkommende lineare Links-rechts-Schema an, ergibt diese Behauptung indes keinen Sinn, findet eXXpress-Kolumnist Andreas Tögel.
Entgegengesetzte Extreme sind einander nämlich niemals ähnlich oder gar gleich. Sehr heiß ist etwas anderes als sehr kalt. Sehr groß ist ungleich sehr klein. Rechter Individualismus unterscheidet sich von linkem Kollektivismus. Die von Rechten präferierte Marktwirtschaft hat mit einer von Linken gewünschten Zwangs- und Kommandowirtschaft nichts zu tun.
Allerdings hat der faschistische Korporatismus (wie in Italien unter Mussolini praktiziert: “Alles innerhalb des Staates, nichts außerhalb des Staates, nichts gegen den Staat.”) tatsächlich starke Ähnlichkeiten mit einer sozialistischen Planwirtschaft. Das herkömmliche Links-rechts-Schema hilft also nicht weiter. Allenfalls kann mittels eines Tricks die scheinbare Nähe rechter und linker Positionen graphisch dargestellt werden. Dazu wird die Links-rechts-Strecke zu einem Hufeisen gebogen – und schon sind einander extrem rechte und extrem linke Positionen näher als der politischen Mitte. Mit der Realität hat das indes nichts zu tun.
Aber was ist links und was rechts? Das herkömmliche Links-rechts-Schema, geht bekanntlich auf die Sitzverteilung in der französischen Nationalversammlung am Vorabend der Revolution zurück. Die den Status quo verteidigenden Kräfte saßen auf der rechten und die Progressiven auf der linken Seite des Plenums.
Doch stimmt diese über 200 Jahre alte Einteilung in rechte Bewahrer und linke Reformer heute noch? Ganz und gar nicht! Denn heute stehen die (struktur-)konservativen politischen Kräfte ausnahmslos links. Alle in den europäischen Parlamenten vertretenen politischen Kräfte – wie auch immer sie sich nennen – wollen den allsorgenden und zunehmend totalitären Gouvernantenstaat bewahren. Eine Welt ohne Zentralbanken und staatliche Zwangsbeschulung kommt für sie nicht in Frage. Während man Konservative und Liberale in den Parlamenten also vergebens sucht, sind die Parteigänger der Linken nach ihrem erfolgreichen Marsch durch die Institutionen, zu Kräften der Beharrung mutiert: Wer die Macht erst einmal an sich gerissen hat, will nicht mehr von ihr lassen.
Das heißt aber, dass Initiativen zur politisch-gesellschaftlichen Veränderung nur noch von rechts zu erwarten sind. Die in Opposition zum totalen Staat stehenden Befürworter der Vertrags- und Marktgesellschaft, sind die „neuen Rechten“. Das eindimensionale Ordnungsschema wird dieser Realität nicht gerecht. Und das führt zur oben genannten Begriffsverwirrung. Liberale sind in einem linearen Ordnungsschema nicht einzuordnen: Nichts verbindet liberales Denken mit dem der rechts verorteten Nationalsozialisten oder dem der orthodoxen Sozialisten.
"Was soll das sein, die Mitte zwischen Stalins Gulag und Hitlers KZ?"
Erik Maria Ritter von Kühnelt-Leddihn (1909 – 1999) politischer Philosoph und Universalgelehrter, hat die Frage der politischen Position auf zwei Fragen zugespitzt: „Was soll das sein, die Mitte zwischen Stalins Gulag und Hitlers KZ?“ Und: „Wie kann der Nationalsozialismus rechts sein, wenn er den Sozialismus doch schon in seinem Namen trägt?“
In seinem Werk „Die rechtgestellten Weichen“ (das leider nur noch antiquarisch erhältlich ist), beschäftigt er sich mit der Definition der Unterschiede zwischen rechts und links und erstellt einen hier auszugsweise wiedergegebenen Katalog, der linke Positionen zusammenfasst:
► Materialismus – ökonomischer, biologischer, soziologischer Natur
► Messianische Rolle einer Gruppe – Volk, Rasse, Klasse
► Zentralismus. Unterdrückung lokaler Verwaltungen, Eigenarten etc.
► Totalitarismus. Alle Lebensbereiche von einer Doktrin durchdrungen
► Völlige, staatliche Kontrolle von Erziehung und Unterricht
► Versorgungsstaat von der Wiege bis zum Grab
► Antiliberalismus. Freiheitshass
► Gleichschaltung der Massenmedien
► Abschaffung oder Relativierung des Privatbesitzes
► Verherrlichung der Mehrheit und des Durchschnitts
► Berufung auf das demokratische Prinzip
► Einsetzung von Säkular-Riten als Religionsersatz
► Totalmobilmachung des Neids im Interesse von Partei und Staat
Die Frage „was ist rechts?“ beantwortet Kühnelt-Leddihn so: „Das Fehlen oder das Gegenteil dieser Prinzipien.“
Irrtum entsteht aus Unzulänglichkeit des eindimensionalen Ordnungsschemas
Der oben genannte Irrtum resultiert aus der Unzulänglichkeit des eindimensionalen Ordnungsschemas. Deshalb sei an dieser Stelle ein zweidimensionales Schema als Alternative vorgeschlagen, das verdeutlicht, weshalb es zu vermeintlichen Übereinstimmungen zwischen „weit rechts“ und „weit links“ kommt.
Der Katalog linken Denkens findet in diesem Diagramm seinen Platz im „autoritären“, durch Zwang und Kollektiv bestimmten Quadranten. Hierher gehören der Kommunismus und der Nationalsozialismus. Im diagonal entgegengesetzten, als „liberal/libertär“ bezeichneten rechten oberen Quadranten, ist der Platz für Kühnelt-Leddihns „rechtes“ Denken. Dieses Schema erklärt seine Position, wenn er sich selbst als „rechtsradikalen Liberalen“ bezeichnet.

Alle im herkömmlichen Politikschema gegeben Zuordnungen für links, wie die Betonung von Kollektiv, Gleichheit, Gesinnungsethik, Drang zur Veränderung und Kontrolle, fügen sich in die beiden auf der linken Seite der Graphik befindlichen Viertel. Als rechts geltende Zuordnungen, wie Individualismus, Freiheit, Privateigentum, Verantwortungsethik, Bewahrung des Bewährten, Vertrauen und freiwillige Übereinkunft, gehören in die beiden rechten Viertel. Das zweidimensionale Ordnungsschema schafft den Irrtum aus der Welt, dass extrem linke und extrem rechte Positionen einander ähnlich sind.
Kommentare
Man darf auch nicht vergessen, dass Rechte tendenziell um einiges schlechter bei Intelligenztests abschneiden. Vielleicht haben sie deshalb so viel Angst vor jeder Veränderung und klammern sich an althergebrachtes, auch wenn es schon lang überholt ist.
Für EKL hatte “rechts” nichts mit zwingender Beharrlichkeit zu tun
Toll wie immer, frage mich nur, wo bleiben denn die “Vereinigten Staaten”, und die Eingeborenen dort, im System ? Schöne Weihnachten 😉
Sarah Wagenknecht (angeblich links) und Alice Weidel (angeblich rechts) haben z.B. bei Corona, Ukraine Krieg, Klimawandel sehr ähnliche Ansichten. Erst bei der Rolle des Staates beginnen sie sich zu unterscheiden. Das alte Parteiensystem – links oder rechts – gibt heute nur mehr wenig Sinn. Die zentrale Frage lautet: unterstütze ich die Interessen der Globalisten oder jene der Staatsbürger eines Landes.
Ausgezeichneter Artikel! Würde weite Verbreitung verdienen!
lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum
(Ernst Jandl)
Sehr interessanter Artikel. Danke hierfür, Herr Tögel. Extrem Rechte und extrem Linke haben aber schon auch eindeutige Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise den Hang zum Totalitarismus und zum Entmenschlichen des jeweiligen Gegners und auch zum Einsetzen brutaler Gewalt, um die hehren politischen Ziele durchzusetzen. So gesehen muss man sich fragen, aus welcher Ecke diesmal die Reinkarnation der Faschisten stattfinden wird. Von “rechts”? Von “links”?
Viel was jetzt passiert steht in der bibel auch das Gott in den letzten Tagen die Menschen verwirren wird
Großartiger Artikel, den ich mir gleich in mein Archiv kopiert habe. Die sehr interessante und übersichtliche Darstellungsweise liefert jede Menge Denkanstöße und gute Argumentationshilfen.
kurz banal und richtig.
Die “Linken linken, Heimatpartei ist unwichtig.
Und die “Rechten” sind für Recht und Ordnung.
So einfach ist das.
Und es ist völlig unerheblich, auf welcher Seite des Plenums sie ihre (weichgepolsterten) Sessel stehen haben.
Alles Charaktersache.
Der größte Sieg der Linken war und ist, die Nazi-Ideologie den Rechten in die Schuhe zu schieben.
Die sogenannte „Antifa“ wurde in Stalins Moskau der 1930er Jahre geboren und nach dem Krieg nach Deutschland umgesiedelt, wo sie heute in den linken Parteien munter weiterlebt und deren Protagonisten sich überall eingenistet haben und weiter gegen alles ankämpfen, was nicht links ist.
Aber das ist eine andere Geschichte…..
Ignazius Sirlone Sozialist:” Der neue Faschismus wird nicht sagen, ich bin der Faschismus, nein er wir sagen, ich bin der Antifaschismus”.
Pass a bissl auf beim Schreiben, Kratos: Der Ignazio Silone hat nix net z’tuan mit an Sirloine-Steak.
Toll und informativ. Der Links/Rechts Irrtum lässt sich aber mWn noch viel simpler erklären: anfänglich bestand überhaupt kein Zweifel daran, dass die Nazis eine sozialistische, also linke Gruppierung sind. Demgemäss sollten sie, neu hinzugekommen, im Reichstag ganz links aussen neben den Kommunisten sitzen. Da man aber Handgreiflichkeiten befürchtete hat man die Nazis ganz nach rechts, neben die zivilisierten Konservativen gesetzt. Nur deshalb, niemals aber wegen ihrer Ideologie, werden die Nazis rechts eingeordnet. Ideologisch gehören sie ganz weit nach links.
„Was soll das sein, die Mitte zwischen Stalins Gulag und Hitlers KZ?“ Und: „Wie kann der Nationalsozialismus rechts sein, wenn er den Sozialismus doch schon in seinem Namen trägt?“
Also das ist die beste Aussage die ich seit langem gehört habe. Hervorragend 👍👆👍
Um sonst hieß sie ja nicht NSDAP Nationalsozialistische Arbeiter Partei hatten ja sogar die gleiche rote Fahnen nur halt jeder mit seinem eigenen Symbol auch deren Aufmärsche laufen im gleichen Schema ab.
Kommunismus und Nationalsozialismus sind nicht einordenbar in links bzw. rechtsradikal, sie sind einfach nur menschenverachtend.
Schön aufbereiteter Artikel Herr Tögel, das eindimensionale politische spektrum ist eindeutig unwürdig für einen rationalen Gebrauch, aber auch das zweidimensionale wenn sie mich fragen. Es scheinen eher einfache Mittel der Kategorisierung und ggf. Stigmatisierung zu sein, realistisch müsste man das eindimensionale um die Dimension aller aktuell betrachtbaren Themen erhöhen und eigens definieren welche Haltung dazu links oder rechts ist. Ganz schön verkopft also, Individuen in Schemata zu pressen. Bei Gruppen unter Missachtung des Individuums geht das leichter, darum bleiben diese Mittel als Vereinfachung lediglich der Kampfrhetorik vorbehalten. Die empfundene Gleichheit kommt nach meiner Erkenntnis von der Gewaltbereitschaft des Extremismus und der Ignoranz des Radikalissmus, weil sich Watschen und Verbohrtheit gleich anfühlen, egal von welcher Richtung sie kommen. Liebe Grüsse und frohe Weihnachten, Herr Tögel und danke nochmals für die hervorragend recherchierten Artikel von Ihnen in diesem Jahr, sie sind immer genüsslich zu lesen.
Hayek sprach von roten und braunen Sozialisten. Mittlerweile sind auch grüne dazugekommen.
Danke für den hervorragenden politschen „Nachhilfeunterricht“!
Oder einfacher: Links Diktatur, rechts Anarchie. Bei der absichtliche Täuschung: Links Stalin, rechts Hitler kommt es zur sinnlosen Gleichheit von extrem links und extrem rechts. Dies ist aber demagogisch gewollt.