Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, hat mit ihrem Vorschlag, Ungeimpften, die coronabedingt auf einer Intensivstation landen, Kostenselbsthalte abzuverlangen, in ein Wespennest gestochen. In einem Land, in dem Gesundheitsdienstleistungen grundsätzlich „gratis“ zu sein haben, ist das in der Tat eine unerhörte Zumutung.

Kaum war das Wort gesprochen, rückten schon die Beschwichtigungshofräte aus, um zu beruhigen. Allen voran der Gesundheitsminister, der erklärte, „…eine solche Diskussion nicht führen zu wollen.“ Der Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, warnte davor, mit einer solchen Debatte „die Büchse der Pandora” zu öffnen.

Sozialversicherung: Darf an der heiligen Kuh Kritik geübt werden?

Selbstverständlich ist es schwer vertretbar, Menschen, die möglicherweise schon Jahrzehntelang genötigt waren, Beiträge ins Zwangssystem der Sozialversicherung einzuzahlen, im Bedarfsfall die Leistung zu verweigern. Sehr klug war der Schnellschuss Frau Drumls also nicht – schon gar nicht im Zusammenhang mit der ohnehin hochemotional geführten Diskussion um die Coronaimpfung.

Allerdings sollte man sich einmal ganz grundsätzlich mit der Frage beschäftigen, ob an der auf fetten Wiesen grasenden heiligen Kuh namens Sozialversicherung, keinerlei Kritik geübt werden darf.

Wenn der bereits zitierte Herr Huss von einer drohenden „Entsolidarisierung“ spricht und im Zusammenhang mit der heimischen Krankenversicherung das „Versicherungsprinzip“ beschwört, dann wirft das Fragen auf. Denn was, bitteschön, hat ein Zwangssystem mit Solidarität zu tun? Solidarität ist eine Frage freier Entscheidungen, und kann nicht per Ukas verordnet werden. Da aber kein Erwerbstätiger sich der Zahlung zur SV entschlagen und im Gegenzug auf jegliche Leistung verzichten kann, ist es somit also falsch, von einem „Solidarsystem“ zu sprechen. Es geht um Zwang, nicht um Solidarität!

Der Widerspruch liegt im (Versicherungs-)Prinzip

Kommt hinzu, dass natürlich gerade die Sozialversicherung ja eben nicht auf dem Versicherungsprinzip aufbaut. Eine Kraftfahrzeug- oder Haushaltsversicherung fragt nicht nach dem Einkommen desjenigen, der ein Objekt versichern lässt. Was zählt, ist das Risiko und die Größe des Versicherungsverbandes. Der Reiche zahlt für die Versicherungsdienstleistung aus gutem Grund nicht mehr als der Arme. Die Sozialversicherung dagegen enthält ein massives Umverteilungselement, das mit dem Versicherungsprinzip nichts zu tun hat. Die Behandlung eines Beinbruchs kostet bei einem „Besserverdiener“ ja nicht mehr als bei einem Hilfsarbeiter – dennoch zahlt ersterer einen wesentlich höheren „Versicherungsbeitrag“ (der mit der Höchstbemessungsrundlage gedeckelt ist).

Noch deutlicher wird der Widerspruch bei der „Pensionsversicherung“: Die Versicherung gegen ein unvermeidbar eintretendes Ereignis (nur wenige erleben die Zustellung des Pensionsbescheides nicht) ist nämlich unmöglich. Beim Pensionssystem geht es vielmehr um Mittel, die entweder (wie in Chile) aus einem individuell aufgebauten Kapitalstock an deren Eigentümer fließen, oder aber um ein Umlagesystem, in dem die Aktiven jene Beiträge abliefern, die umgehend an die Pensionisten ausgezahlt werden. Das hat mit einer Versicherung exakt Nullkommanix zu tun.

"Sozial", oder: Ein anderer zahlt.

„Sozial“ kann man es übrigens auch nur dann nennen, wenn die wahre Bedeutung des Begriffs „sozial“ lautet: Ein anderer zahlt. Denn, wie drückte es der US-Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman aus: „Es gibt kein freies Mittagessen.“ Irgendeiner zahlt immer. Bei einer echten Versicherung ist es der sich aus freien Stücken bindende Versicherungsnehmer, dem bei Schadenseintritt klar vereinbarte Leistungen zustehen.
Jede Diskussion sollte unter Verwendung der richtigen Begriffe geführt werden: Bei der „Sozialversicherung“ handelt es sich um ein staatlich oktroyiertes System mit einer starken Umverteilungskomponente. Es ist in keinen Stein gemeißelt, dass das in alle Ewigkeit so bleiben muss. Noch weniger ist ausgemacht, dass eine Diskussion um die Einführung von Selbstbehalten für selbst herbeigeführte Gesundheitsschäden (Rauchen, Alkohol- und Drogenabusus, Übergewicht, Unfälle bei der Ausübung gefährlicher Sportarten, etc.) nicht geführt werden darf. Die (niemals gefragten) Zwangsbeitragszahler würden davon erheblich profitieren.

Andreas Tögel, geboren 1957, ist gelernter Maschinenbauer und ausübender Kaufmann. Tögel sieht sich als Libertären und im Hayekschen Sinne als „second hand dealer of ideas“.