173 Jahre ist es her, dass zwei mehr oder weniger arbeitsscheue Individuen, die nie in ihrem Leben ihr Brot mit ihrer Hände Arbeit verdienen mussten, im Namen des Proletariats ein „Manifest“ verfasst haben. Anmaßung pur, weil die Herren Karl Marx und Friedrich Engels nie die Nähe von Arbeitern gesucht haben, für die sie ja auch nichts als Verachtung übrighatten.

Wie dem auch sei, ihre Programmschrift ist es jedenfalls wert, gelesen zu werden. Dies umso mehr, als es ja dieser Tage wieder – besonders in Kreisen selbsternannter intellektueller Eliten – als chic gilt, sich sozialistischen Wunschbildern hinzugeben und ätzende Kapitalismuskritik zu üben. Erst kürzlich (der „Exxpress“ berichtete darüber) hat zum Beispiel Bettina Jarsch, die Spitzenpolitikerin der Berliner Grünen, aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht und ihre zutiefst privateigentumsfeindlichen Phantasien geäußert. „Deutsche Wohnen enteignen“ lautet das Motto ihrer aktuellen Initiative.

Forderungen, die gerade erhoben werden, oder schon verwirklicht sind

Wer meint, es handle sich dabei um eine zeitgeistige, der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt geschuldete Kampagne, irrt. Im „Proletarier und Kommunisten“ betitelten Kapitel II des Manifests, findet sich nämlich ein zehnteiliger Maßnahmenkatalog dessen erster Punkt wie folgt lautet: „Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben.“

Na bitte! So besonders originell sind die Enteignungsvorstellungen der Grünen, die auch von Kadern der Linken und der SPD geäußert werden, also nicht. Inwiefern die Expropriation von „Miethaien“ einen Beitrag zur (hauptsächlich durch massiven Bevölkerungszuzug bedingten) Linderung der Wohnungsnot liefern soll, bleibt übrigens das Geheimnis der mit dem Mysterium des Zusammenhangs von Angebot und Nachfrage bis heute nicht so recht vertrauten Linken.

Was jene Zeitgenossen, die sich der Lektüre des Marx-Engels’schen Pamphlets bislang nicht hingegeben haben überraschen dürfte, ist, wie viele der Forderungen der beiden Kommunisten längst erfüllt sind – und das in der Welt der neoliberalen Verdammnis.

In Punkt zwei des Katalogs wird etwa die Forderung nach einer „starken Progressivsteuer“ (mit dem klaren Ziel einer Schädigung der Bourgeoisie) erhoben. Na sowas! Welche politische Partei würde es dieser Tage ernsthaft noch wagen, eine Proportionalsteuer („Flat Tax“) vorzuschlagen?

An der Verwirklichung der in Punkt drei begehrten „Abschaffung des Erbrechts“ arbeiten die Sozialisten in allen Parteien unermüdlich. Vorschläge von bis zu 100% Erbschaftssteuern zielen exakt in diese Richtung.

Punkt fünf ist längst umgesetzt. Da heißt es: „Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol.“ Nun, am Geldmonopol der Zentralbanken zu rütteln, kommt heute selbst marktradikalen Liberalen nicht mehr in den Sinn.

Punkt sieben, der die Forderung nach einer Vermehrung der Nationalfabriken, Produktionsinstrumente…“ erhebt, steht auch anno 2021 zur Debatte. Nicht wenige bedingungslos Staatsgläubige wünschen sich auch heute wieder – allen negativen Erfahrungen zum Trotz – ein starkes direktes Engagement des Staates im Bereich der Unternehmensführung.

Punkt zehn „Öffentliche und unentgeltliche Erziehung aller Kinder…“ ist erledigt. Auch – und besonders – die im Land der Hämmer heute rar gewordenen Liberalen, haben gegen die Kindsverstaatlichung nichts einzuwenden.

An eine Rückabwicklung ist nicht gedacht – ein gewaltiger, postumer Erfolg

Wer hätte das gedacht? Mehr als die Hälfte der im Manifest von Marx & Engels erhobenen Forderungen sind heute vollständig oder teilweise verwirklicht. An eine Rückabwicklung ist nicht gedacht. Was für ein gewaltiger, postumer Erfolg!

Fazit: Wer sich in Euroland heute noch über turbokapitalistische Umtriebe, Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats beklagt, sollte seine Prämissen überprüfen und/oder auf stärker wirksame Medikamente umsteigen. Moderne Neuroleptika wirken wahre Wunder.

Link zum „Manifest der Kommunistischen Partei“

Andreas Tögel, geboren 1957, ist gelernter Maschinenbauer und ausübender Kaufmann. Tögel sieht sich als Libertären und im Hayekschen Sinne als „second hand dealer of ideas“.