Dort, wo Stolpersteine in der Mariahilfer Straße an die jüdischen Opfer der Gräueltaten der NS-Zeit erinnern, bahnte sich dieser Tage entfesselter Judenhass neuerlich seinen Weg. Türkische Nationalisten und Hamas-Sympathisanten brüllten vollkommen ungeniert und ungehindert antisemitische und antizionistische Hass-Parolen, darunter auch offen zur Schau gestellte Holocaust-Verharmlosung. Flankiert waren die zu meist arabischen jungen Männer dabei von Vertretern linksextremer Gruppierungen, die auch die Moderation bei der Kundgebung am Platz der Menschenrechte übernahmen. Ab und an richteten sie mahnende Worte in die aufgeheizte Menge – aber nicht etwa, um den Gewaltaufrufen gegen Juden Einhalt zu gebieten, sondern lediglich um auf die Masken- und Abstandsregeln hinzuweisen. Am Rande standen etwa ein Dutzend Polizisten, die das Geschehen stumm verfolgten und nicht einschritten. Dass so eine Veranstaltung überhaupt genehmigt wurde, grenzt an Staatsversagen. 

Die Angst geht um

Denn nichts davon passierte überraschend. Schon Stunden zuvor hatte die Israelitische Kultusgemeinde ihre Mitglieder gewarnt, sich in der Nähe der Mariahilfer Straße aufzuhalten. „In so eine Demonstration gemeinsam mit Kindern und Familie zu gelangen, ist gemeingefährlich“, weiß ein IKG-Mitglied dem eXXpress zu berichten. Es bleibe ihm daher nichts anderes übrig, als die Veranstaltungsorte solcher Demonstrationen großflächig zu meiden. Die Angst geht um.

Diejenigen, die in der Vergangenheit mehrfach „nie wieder“ gefordert hatten, waren in den vergangenen Tagen aber beschämend still. So ist es doch an Doppelmoral kaum zu überbieten, wenn man zwar lautstark Antisemitismus bei rechten Corona-Demos kritisiert und gar bei so harmlosen Ausdrücken wie “Globalisten” verortet, aber schlagartig leiser tritt, wenn die Tätergruppe nicht ins Feindbild passt. Dabei wäre es dringend notwenig gewesen, dass die politische Linke klare Worte findet, denn die Täter stammen auch aus ihren Reihen. 

Die Linke hat ein Antisemitismus-Problem

Dass die Linke ein Antisemitismus-Problem hat, ist nicht neu. Erst vor wenigen Wochen wurde ein jüdischer Autor von Linken auf Twitter massiv attackiert, weil er in einer “Falter”-Kolumne israelfeindliche Sprechchöre auf einer Antifa-Demo kritisiert hatte. Weil offenbar nicht sein kann, was nicht sein darf…

Tatsächlich waren es in erster Linie ÖVP, FPÖ und NEOS, die nicht feig geschwiegen haben, sondern den Hass deutlich verurteilten. Vom roten Bürgermeister der betroffenen Stadt, der sich gerne damit schmückt, dass sie so lebenswert ist, war in diesen dunklen Stunden leider wenig zu vernehmen. Aber wie lebenswert kann eine Stadt tatsächlich sein, die ihren jüdischen Mitbürgern keine Sicherheit mehr garantieren kann? 

Wie es richtig geht, demonstrierte am Freitag die Grüne Vizebürgermeisterin von München, Katrin Habenschaden: “Wer angegriffen wird so wie Israel, hat das Recht, ja sogar die Pflicht sich zu verteidigen”, schreibt sie in einem bewegendem Posting auf Instagram. Und: “Wenn sich Jüdinnen und Juden nicht sicher fühlen, dann ist das kein Zustand, den wir hinnehmen dürfen. Ich kann für München versprechen, dass wir alles tun werden, um jüdisches Leben in München zu schützen und antisemitische Ausbrüche zu verhindern.”  Deutliche Worte, die auch der rot-pinken Wiener Stadtregierung gut zu Gesicht gestanden hätten.

Bei Terror gibt es keine Neutralität

In Österreich war es Sebastian Kurz, der einmal mehr bewies, dass er nicht nur Bundeskanzler sondern auch Staatsmann ist, indem er nicht nur mit Worten sondern auch mit Taten seine Freundschaft und Solidarität mit Israel zum Ausdruck brachte: Am Freitag wurde die israelische Fahne auf Bundeskanzleramt und Außenministerium gehisst. Ein starkes Zeichen, das unsere israelischen Freunde mit Dankbarkeit quittierten. Denjenigen, die hingegen unkten, dass dies nicht mit Österreichs Neutralität in Einklang zu bringen ist, sei im Übrigen ins Stammbuch geschrieben: Bei Terror kann und darf es keine Neutralität geben.

Dass die muslimische Wählerschicht der jüdischen in Wien zahlenmäßig deutlich überlegen ist, darf in solch wichtigen Fragen keine Rolle spielen – denn wer jetzt vielleicht aus taktischen Gründen schweigt, dessen “nie wieder” wird künftig vom Eindruck der Heuchelei überschattet werden. Einmal mehr muss daher betont werden, dass Österreich eine historische Verantwortung gegenüber dem Staat Israel hat. Solidarisiert euch, bevor es zu spät ist.

אלוהים ישמור את ישראל

Anna Dobler ist eine mehrfach ausgezeichnete, ausgebildete und studierte Journalistin und Kolumnistin. Nach beruflichen Stationen in Berlin, München, Italien und Salzburg, lebt und arbeitet sie mittlerweile in Wien. Auf Twitter setzt sich @Doblerin ein für freie Märkte und freie Meinung.