Es ist doch immer das Gleiche: Eine Frau wird ermordet (erwürgt, erschlagen, erschossen – ja sogar bei lebendigem Leib angezündet) und ein paar Tage lang zeigt sich die Gesellschaft wahlweise betroffen oder empört. Bis allmählich Gras über die Sache gewachsen ist und sich der nächste Femizid – so der Fachausdruck für die Tötung einer Frau oder eines Mädchens aufgrund ihres Geschlechts – ereignet. Neun Fälle davon hat es alleine in diesem Jahr in Österreich gegeben. Man müsse doch etwas tun, fordern umgehend Medien und Gesellschaft. Die Politik reagiert und setzt eilig irgendwelche Maßnahmen, die bisweilen etwas hilflos wirken. Die bittere Wahrheit ist nämlich: Ganz verhindern kann man diese Gefahr nicht. Und wir Frauen kennen sie sehr gut.

Die Politik kann hier nur bedingt helfen

Wir wissen längst, dass härtere Strafen für die Täter, mehr Videoüberwachung oder gar Waffenverbote unser Leben nicht schützen können. Weil wir auch wissen, dass die Täter nicht selten aus unserem privaten Umfeld kommen. Deswegen sollten wir nach solchen Taten nicht immer der eigenen Handlungsohnmacht nahe reflexartig nach Politik und Staat rufen, sondern vor allem die Gesellschaft stärker in die Pflicht nehmen: Nachbarn, die schweigen, wenn sie Schreie hören. Arbeitskollegen, die wegschauen, wenn die Kollegin nach einem Feiertag wieder verletzt ins Büro kommt. Passanten, die stumm weiter gehen, wenn ein Mann auf offener Straße seine Partnerin ohrfeigt. Im Zweifel: Zivilcourage zeigen und Polizei verständigen. Die Täter sind selten ein unbeschriebenes Blatt.

Frauenpolitische Themen sind kein rein linkes Privileg

Und wir müssen aufhören, Gewalt gegen Frauen zu verharmlosen oder gar Scherze darüber zu machen. Erst kürzlich habe ich eine rund zwei Jahre alte Aufzeichnung einer türkischsprachigen Talkshow auf dem Wiener Spartensender “Okto TV” gesehen zum Thema “Probleme in der Ehe”. Der Moderator hatte eine Grüne Nationalrätin und eine Aktivistin eingeladen, die im Studio in türkischer Sprache erklärten, welche Hilfsangebote es für Frauen in Österreich gibt. Toll, dachte ich, das ist mal eine sinnvolle Sache – wären die Interviews nicht laufend von deplatzierten Kommentaren und Anekdoten des Moderators unterbrochen worden. Im Kern behauptete er, dass der Feminismus eine Mitschuld an Femiziden trage (als Beispiel nannte er etwa die Türkei, wo er einen Zusammenhang zwischen der Emanzipation der Frau und gestiegenen Frauenmorden sieht) und außerdem bezeichnete er “Nörgeln” so wie fehlende Intimität als Ursachen für häusliche Gewalt. Er rät betroffenen Frauen daher, einfach “mehr zu lächeln”. Das fand ich ziemlich ungeheuerlich, also habe ich mich auf Twitter über die Sendung beschwert – und wurde prompt von Linken angegangen deswegen. Denn es wird offensichtlich als urlinkes Privileg verstanden, sich zu feministischen Themen exklusiv äußern zu dürfen. Frei nach dem Motto: Wer nicht korrekt gendert, verwirkt automatisch das Recht darüber zu sprechen. Für mich ist diese Binnen-Sternchen-Debatte seit geraumer Zeit aber nicht mehr als ein unwichtiger Nebenschauplatz. Und jeder neue Femizid erinnert mich schmerzlich daran.

Anna Dobler ist eine mehrfach ausgezeichnete, ausgebildete und studierte Journalistin und Kolumnistin. Nach beruflichen Stationen in Berlin, München, Italien und Salzburg, lebt und arbeitet die 33-Jährige mittlerweile in Wien. Auf Twitter setzt sie sich ein für freie Märkte und freie Meinung.