Nie war in den vergangenen Jahrzehnten der Einfluss des Staates auf das Private größer, als während der Corona-Pandemie. Schritt für Schritt hat er sich immer weiter in unser Leben gedrängt, unsere Freiheit beschränkt, über unsere Mittel verfügt und selbst kleinsten Ungehorsam sanktioniert. Zähneknirschend haben viele Bürger über Monate diese Eingriffe geduldet, doch mit der Rückkehr in die Normalität muss sich auch das Kräfteverhältnis wieder ändern. Und das kann nur gelingen, wenn wir den sozialistischen Tendenzen mit einem neoliberalen Aufbruch begegnen. Sonst droht die Gefahr, dass sich der Staat an seine neue Allmacht zu sehr gewöhnt und sie nur widerwillig abgeben möchte.

Kein Wunder, monatelang konnte er fast alles perfekt kontrollieren und seinen Einfluss vergrößern, etwa indem er sich in private Unternehmen eingekauft hat oder im großen Stil Daten und Informationen von Bürgern erhalten hat – das Postulat vom Gemeinwohl als oberste Priorität gegenüber den Interessen des Individuums hat vieles ermöglicht, was rückblickend nicht von Dauer sein darf.

Deutlich wird das nicht zuletzt auch in der Sprache: Fast selbstverständlich werden Freiheitsrechte zu “Privilegien” verklärt, die man sich durch Disziplin erst verdienen muss. Ähnlich wie im Sozialismus, wo der Staat ebenfalls durch künstliche Verknappung, freilich aus aus anderen Motiven heraus, das Gewöhnliche zum Genuss erkoren hat. Dass sich dieser Genuss erst durch einen unfreiwilligen Verzicht entfalten kann, verleiht ihm einen bitteren Beigeschmack.

Ähnliches kann man auch bei den Bezeichnungen für staatlichen Transferleistungen beobachten: “Finanz-Hilfen” für Unternehmen oder “Kurzarbeitergeld” sind im Kern nämlich nichts anderes als Entschädigungen, auf die jeder einen natürlichen Anspruch haben muss, der durch den Verursacher überhaupt erst in eine Notlage manövriert worden ist. Der Staat “hilft” und “rettet” nicht mit Steuermitteln, er begleicht vollkommen berechtigte Ansprüche. Niemand hat gerne und freiwillig –oder gar selbstverschuldet – seine Existenz aufs Spiel gesetzt.

Neoliberaler Aufbruch aus der Unmündigkeit

Eine Trägheit hat sich unterdessen in der Gesellschaft breit gemacht, in der sich das Individuum an Verzicht und Gehorsam unangenehm gewöhnt hat, während der Staat seinen Einfluss ausgebaut hat. Die einzig vernünftige Antwort auf diese erlittene Unfreiheit kann nur ein neoliberaler Aufbruch aus der kollektiven Anhedonie sein, die den Bürger zunehmend lähmt, selbstbewusst seine Freiheitsrechte zu formulieren.

Das Wir darf nicht länger das Ich dermaßen entrechten

Es darf nicht sein, dass Bürger, die Kritik an Corona-Maßnahmen öffentlich formulieren, pauschal als “Corona-Leugner” verunglimpft werden oder dass kritische Zeitgenossen, die für ihre Rechte auf die Straße gehen, als Nazis oder Rechtsextreme gebrandmarkt vom Diskurs ausgeschlossen werden. Befeuert werden solche Schmähungen von den Feinden der Freiheit, die sich mit ihren Predigten vom Verzicht und dem Gemeinwohl seit Monaten in einer selbstgerechten moralischen Überlegenheit suhlen. Wie stark ihr Mantra mittlerweile in den Köpfen verankert ist, hat ein Vorfall auf Twitter vor wenigen Tagen gezeigt. Ein Finanzjournalist wurde von eben jenen Kollektivisten angefeindet, weil er eine Selbstverständlichkeit formulierte: “Was ihr hier auf Twitter irgendwann mal verstehen solltet: Liberalismus ist die Lösung. Es ist der Gegenentwurf zu allen dummen, sozialistischen Ideen. Egal ob national, international, russisch oder chinesisch. Es gibt nur einen Weg und das ist Freiheit.” Man sollte glauben, dass so eine Aussage keinerlei Widerspruch hervorrufen kann und darf. Dass das aber doch massiv der Fall war, zeigt nur, wie dringend es ein Umdenken braucht: Das Wir darf nicht länger das Ich dermaßen entrechten.

Anna Dobler ist eine mehrfach ausgezeichnete, ausgebildete und studierte Journalistin und Kolumnistin. Nach beruflichen Stationen in Berlin, München, Italien und Salzburg, lebt und arbeitet sie mittlerweile in Wien. Auf Twitter setzt sich @Doblerin ein für freie Märkte und freie Meinung.