Wahrscheinlich hat kaum ein Verkehrsmittel in den vergangenen 100 Jahren einen derartigen Imagewandel erlebt wie das Fahrrad. Einst kurvten damit mittellose Künstler durch die Straßen, die sich weder Führerschein noch Karosserie leisten konnten, heute stellt das Rad ein Statussymbol dar, was in Sonderausführungen wie Elektroantrieb oder Lastenrad schnell an den Preisen für einen Kleinwagen kratzen kann. In Metropolen wie etwa München können in Wahrheit nur Privilegierte das Fahrrad im Alltag nutzen, die sich auch Wohnraum im innerstädtischen Bereich leisten können. Wer dagegen in Randbezirken oder dem Umland beheimatet ist, wie etwa alleinerziehende, in Teilzeit arbeitende Mütter, kann unmöglich bei Wind und Wetter dutzende Kilometer mit dem Rad zur Arbeitsstelle zurücklegen ohne dort komplett ramponiert, erschöpft und verkühlt zu erscheinen.

Frauen sind nachts nicht sicher

Auch wenn der Öffi-Ausbau durchaus forciert wird, sind damit längst noch nicht alle Regionen zufriedenstellend erschlossen. Zu später Stunde fahren viele öffentliche Verkehrsmittel oft gar nicht mehr, was besonders für Menschen in Schichtarbeit ein unlösbares Problem darstellen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass der öffentliche Raum spät nachts für Frauen kein sicheres Pflaster ist. Weder lange Wege allein im Dunkeln sind erstrebenswert, noch die Situation in U-Bahnen und U-Bahnhöfen. Im Klartext: Gerade für Frauen bedeutet das Auto in Großstädten nicht nur Freiheit, sondern vor allem auch Sicherheit. Sicherheit, die ihnen durch linksgrüne Verkehrspolitik schrittweise genommen wird.

Wer rettet Maria?

Gerade die Grünen, die sich stets als feministische Partei präsentieren, schaffen es seit Jahren nicht, die Bedürfnisse von Frauen mit wirtschaftlich weniger gesicherten Hintergrund in bei ihren Öko-Vorhaben zu berücksichtigen. Während für jeden identitätspolitischen Quatsch und jede noch so kleine Minderheit eigene Gremien, Statuten und Positionen geschaffen werden, ist es unterm Strich die weiße Cis-Frau aus unteren Schichten, die im grünen Denken auf der Strecke bleibt. Nennen wir sie Maria. Maria hat zwei schulpflichtige Kinder und lebt in Scheidung. Weil der Ex-Mann kaum Unterhalt zahlt, muss sie nebenbei noch an der Kassa eines Schnellimbisses in der Innenstadt arbeiten. Manchmal beginnt Maria schon im Morgengrauen mit dem Dienst, manchmal endet die Schicht spät nachts. Der Bus, der die letzten Kilometer von der U-Bahn bis zur Wohnung verbindet, fährt da schon lange nicht mehr. Also fährt Maria diese Teilstrecke mit dem Auto. Dort ist Maria in Sicherheit, auch nachts. Ansonsten verwendet sie ihren Wagen noch um zum Einkaufen zu fahren, die Kinder zum Turnen oder zu ihrer 20 Kilometer entfernt lebenden Mutter zu bringen, wenn sie einen Babysitter braucht. Wie soll so jemand wie Maria seinen Alltag mit einem Fahrrad bewältigen? Das ist schlicht unmöglich! Und doch muss es doch für Frauen wie Maria ein Schlag ins Gesicht sein, wenn Grüne stolz verkünden, dass das Benzin teurer wird oder Parkplätze einer “Begegnungszone” weichen müssen. Der Alltag wird ihr ohne Not erschwert, um das Klima zu retten. Doch wer rettet Maria? Die Grünen wohl nicht.

Anna Dobler ist eine mehrfach ausgezeichnete, ausgebildete und studierte Journalistin und Kolumnistin. Nach beruflichen Stationen in Berlin, München, Italien und Salzburg lebt und arbeitet sie mittlerweile in Wien. Auf Twitter setzt sich @Doblerin ein für freie Märkte und freie Meinung.