Der seit Herbst besonders akute Lieferengpass bei bestimmten Medikamenten hat sich in den vergangenen Wochen bei Antibiotika für Kinder nochmals verschärft. 2019 seien in Österreich etwa 130.000 Packungen an Kinder-Antibiotikasäften verbraucht worden, im Jahr 2022 wurden nur noch 80.000 Packungen abgegeben – mehr standen nicht zu Verfügung. “Wir haben es nicht einmal geschafft, den Jahresbedarf von vor der Pandemie zu decken”, berichtet Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr jetzt im APA-Gespräch. Sie fordert die Republik auf, Rohstoffe im Ausland zu kaufen, damit die Apotheken die Mittel selbst herstellen können.

"Bedrohlich und eine Gefahr für die Betroffenen"

“Wir wissen, es gibt Rohstoff am Markt zur Zeit und wir wissen genau, wie viel Rohstoff wir brauchen für diese Produkte”, betont die Apothekerkammer-Präsidentin. Die Kammer habe dem Gesundheitsministerium angeboten, diese Produkte in den Apotheken frisch zuzubereiten – in sogenannter Magistraler Rezeptur. Für die Rohstoffbeschaffung im Ausland müsse die Republik eine Abnahmegarantie geben und die Finanzierung sichern, erläutert Mursch-Edlmayr. Der heimische Großhandel könne dann für die Verteilung auf Apotheken in ganz Österreich sorgen. Für die Eltern falle für die in Apotheken hergestellten Mittel nur die Rezeptgebühr an.

“Das wird von unserer Seite natürlich völlig unterstützt, dass man die Rohsubstanzen kauft”, sagte der Generalsekretär der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), Reinhold Kerbl. Dann könnten die Mittel in allen Apotheken in Österreich in gleicher Rezeptur sicher hergestellt werden. Gewisse Antibiotika gebe es noch, aber die seit vielen Jahrzehnten bewährtesten, die am wenigsten Resistenzen verursachen, “die gibt es seit Wochen nicht” – insbesondere in den kindergerechten Dosierungen, so der Kinderarzt. Das sei “bedrohlich und eine Gefahr für die Betroffenen”. Es gibt auch Beispiele wo Kinder über große Distanzen für Infusionen in Spitäler geschickt werden, weil es das orale Antibiotikum nicht gibt.

"So etwas hat es noch nicht gegeben"

Dabei geht es “eigentlich um alle Erkrankungen, die mit Antibiotika zu behandeln sind”, wie Ohren- und Lungenentzündungen sowie aktuell “eine richtige Welle von Streptokokken-Infektionen”, berichtet Kerbl. Penicillin-Medikamente seien nicht verfügbar und es müsse zu anderen gegriffen werden, die Resistenzen verursachen und die “natürlich auch schon knapp” werden. “So etwas hat es, soweit ich mich erinnern kann, noch nicht gegeben”, ist der Facharzt besorgt. In den vergangenen zwei Jahren waren durch die Corona-Maßnahmen weniger von diesen Infektionen aufgetreten und jetzt ist die Situation “nicht ganz unerwartet wieder normal”. Zusätzlich gebe es sogar einen Aufholeffekt.

“Wir fordern ganz klar Rohstofflager in Österreich”, sagte Mursch-Edlmayr. Dann könnten einerseits Kinder-Antibiotikasäfte produziert werden, aber auch Medikamente für Erwachsene, wenn Bedarf besteht. Das Problem der Lieferengpässe wird uns noch weiter begleiten und die Rohstoffe haben eine lange Haltbarkeit, betonte die Präsidentin in dem Gespräch am Rande der Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer in Schladming. Bei dieser ging es u.a. auch um die Magistrale Zubereitung von Augentropfen. “Die produzieren wir standardmäßig, aber auch wenn es Verknappung gibt”, erläuterte Mursch-Edlmayr. Auf dem Kongress wurden diesbezüglich die neuesten Leitlinien vorgestellt, die von der Ophthalmologischen Gesellschaft (ÖOG, Vereinigung der Augenärzte) und der Apothekerkammer gemeinsam erarbeitet wurden.