Die ÖVP zeigt sich entspannt und kooperationsbereitet. “Es gibt nichts, also wird man nichts finden”, so lautet der Tenor. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist bereit, den Behörden digitale Daten der Mitarbeiter – auch des Bundeskanzleramts – zukommen zu lassen. Sorgen hat er dennoch, allerdings wegen der Privatsphäre der Mitarbeiter. Der Kreis der Betroffenen müsse eingeschränkt werden.

Hinter vorgehaltener Hand zeigen sich sämtliche Juristen verständnis- bis fassungslos über das Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Wühlen in privaten SMS: „So etwas kann jedem passieren!“

Wie der eXXpress berichtet hat, sucht die WKStA weiterhin nach Anhaltspunkten für ihre Verdächtigungen gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Zu diesem Zweck will sie nichts weniger, als wahllos in unzähligen elektronischen Daten von Mitarbeitern des Bundeskanzleramts und der früheren Regierung herumwühlen. Es stellt sich hier unter anderem die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.

„Auch wenn man kein Freund der ÖVP ist, was die WKStA hier macht ist mehr als bedenklich!”, erklärt der Wiener Rechtsanwalt Sascha Flatz auf Twitter. Es geht um einen massiven Eingriff in die Grundrechte und die Privatsphäre von 100 Personen. Dass die meisten davon mit der sogenannten “Inseraten-Affäre”, um die es hier geht, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts zu tun haben, bezweifelt nicht einmal die WKStA. „So etwas kann jedem passieren!“, warnt Flatz.

Sascha Flatz ist Rechtsanwalt in Wien

„Ein Jäger ballert ziellos herum“ – und hofft auf Zufallstreffer

Die Argumentation der WKStA: Man wisse aber nicht, wer aller involviert war, schließlich wurden ja von den verdächtigten Personen auch elektronische Daten gelöscht. „Eine Einschränkung auf konkrete Personen ist mangels Kenntnis der konkreten Strukturen und Zuständigkeiten sowie operativen Abläufen innerhalb des umfangreichen Mitarbeiterstabs nicht möglich.“

Viele sehen im Vorgehen der WKStA einen weiteren Beleg für den geringen Ermittlungsfortschritt der WKStA. Sie erinnere „an einen Jäger, der das gewünschte Stück Wild nicht und nicht vors Rohr bekommt, und dann ziellos im Wald herumballert, in der Hoffnung, irgendwo würde schon etwas um- oder vom Baum fallen“, meint Rudolf Mitlöhner im „Kurier“. „Das wird auch in diesem Fall mit ziemlicher Sicherheit passieren. Es werden wieder jede Menge ‚Zufallsfunde‘ auftauchen, die für Gejohle in den Rängen sorgen dürften.“

WKStA hat zu viele Freiräume, kritisieren Juristen.APA/HERBERT NEUBAUER

„So eine Staatsanwaltschaft hat in einem Rechtsstaat keinen Platz“

Das sehen auch andere so. „Eine Staatsanwaltschaft, für die der Beifang der einzige Zweck ist, hat in einem Rechtsstaat keinen Platz“, kommentiert ein User auf Twitter. „Sehe ich auch so!“, antwortet Rechtsanwalt Sascha Flatz.

Die WKStA verdächtigt Sebastian Kurz in seiner Zeit als Außenminister die Durchführung einer geschönten Meinungsumfrage beauftragt zu haben, die unerlaubterweise mit Budgetmitteln des Finanzministeriums finanziert worden. Bis heute fehlen dafür Beweise.

Der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer Michael Enzinger fordert eine Auflösung der WKStARechtsanwaltskammer Wien

Präsident der Rechtsanwaltskammer fordert Auflösung der WKStA

Ende Juli forderte der Wirtschaftsanwalt und Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer Michael Enzinger die Auflösung der WKStA. Im Kurier erklärt er, „diese Behörde hat sich Freiräume geschaffen, die keine andere Staatsanwaltschaft für sich in Anspruch nimmt. Das hat eine Eigendynamik bekommen.“ Verfahren würden zu lange dauern und „die WKStA stellt Österreich unter Generalverdacht der Korruption“.

Enzingers Vorschlag: Die WKStA solle nicht länger Sonderbehörde sein, sondern wieder in die vier Oberstaatsanwaltschaften eingegliedert werden. Justizministerin Zadic lehnte das ab.