Was für ein Fiasko: Zuerst wurde die Weizenknappheit durch Preissteigerungen bei Dünger und Energie angetrieben. Dann gefährdete die Invasion in die Ukraine die Weizen-Versorgung Nordafrikas – Russland und die Ukraine gehören beide zu den wichtigsten Weizen-Exporteuren. Nun könnten sich die Hoffnungen auf dem zweitgrößten Weizenproduzenten der Welt – Indien – zerschlagen. Der Grund: Indiens Rekordhitze belastet die Weizenernte und treibt – nach einem Lieferstopp – den Weizenpreis auf eine historische Rekordhöhe.

Im Übrigen drohen eine schwere Hungersnot samt massiver Flüchtlingswelle im Sommer.

Ein Bauer erntet Weizen auf einem Feld am Rande der indischen Millionenstadt Amritsar.APA/AFP/NARINDER NANU

Zurzeit wird der durch den russischen Angriff auf die Ukraine ohnehin schon hohe Weizenpreis durch die Hitzewelle im wichtigen Anbauland Indien weiter nach oben getrieben. Im europäischen Handel an der Börse Euronext erreichte eine Tonne Weizen am Montag einen Schlusskurs von 438,25 Euro. Das ist der höchste Preis der Geschichte.

Indien sorgt sich um die Versorgungssicherheit im Land

Hintergrund des Preisanstiegs ist Indien Ende vergangener Woche verkündeter Exportverbot für Weizen. Das Land ist der zweitgrößte Weizenproduzent der Welt – 2021 waren es knapp 110 Millionen Tonnen – und verfügt über große Vorräte. Aktuell leidet Indien aber unter den Folgen sengender Hitze: Das 1,4-Milliarden-Einwohner-Land verzeichnete den wärmsten März seit Beginn der Aufzeichnungen; in den vergangenen Wochen wurden Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius gemessen. Das wirkte sich auf die Ernte aus. Die Ertragsschätzung für dieses Jahr wurde bereits um mindestens fünf Prozent nach unten korrigiert.

Indische Arbeiter füllen Säcke mit Weizen auf einem Großmarkt im Dorf JandialaAPA/AFP/NARINDER NANU

Mit dem Ausfuhrstopp will die Regierung in Neu Delhi nun vor allem die Versorgungssicherheit im Land selbst gewährleisten. Neu Delhi sorgt sich um den Puffervorrat des Landes, der zur Abwendung einer möglichen Hungersnot dienen soll, zuletzt aber auch in Folge der Corona-Krise zu großen Teilen aufgezehrt worden war. Handelsminister BVR Subrahmanyam betonte immerhin, dass Exporte mit ausdrücklicher Genehmigung der Regierung künftig weiter erlaubt seien.

Ursprünglich wollte Indien helfen gegen die Knappheit

Zwar ist Indien – anders als die Ukraine und Russland – kein bedeutender Exporteur für den Weltmarkt. Der Großteil der Ernte wird zur Versorgung der eigenen Bevölkerung verwendet; fast die Hälfte aller Weizenausfuhren geht ins benachbarte Bangladesch. Aber da der Ukraine-Krieg zu einer Verknappung von Weizen auf dem Weltmarkt geführt hat, bekam Indien zuletzt eine wachsende Bedeutung bei der Frage, wie Ländern geholfen werden könnte, die besonders stark von Importen aus der Ukraine oder Russland abhängen – beispielsweise in Nordafrika und im Nahen Osten.

Indien wollte ursprünglich die im Zuge des Ukraine-Kriegs entstandenen weltweiten Versorgungsengpässe durch eine Steigerung seiner Weizen-Exporte von sieben Millionen auf rund zehn Millionen Tonnen lindern. Dafür sollten Delegationen nach Ägypten, in die Türkei und in andere Länder reisen, um über eine Ausweitung der Weizenexporte zu beraten. Ob diese Besuche nun weiterhin stattfinden sollen, ist unklar.