Ob der ehemalige ÖBAG-Chef Thomas Schmid den von ihm gewünschten Kronzeugen-Status erlangen wird, ist ungewiss. Angestrebt hat er ihn mit einer umfassenden Beichte, deren Glaubwürdigkeit allerdings von einigen angezweifelt wird. Dazu hat vor allem ein von Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz mitgeschnittenes Telefonat beigetragen. Die neuen Enthüllungen rund um Schmids Diplomarbeit nähren weitere Zweifel an der Seriosität des früheren Generalsekretärs im Finanzministerium. Die Plagiate, die der Medienwissenschaftler Stefan Weber nämlich in einer ersten Untersuchung vorgefunden hat, sind nun wahrlich keine Kleinigkeit. Es geht um ganze Textpassagen.

Der Medienwissenschaftler Stefan Weber ist Österreichs bekanntester Plagiatsjäger.

Sprachliche Fehler gleich im Titel

Es fängt mit dem Titel an, der zwar noch kein Plagiat ist, über den man aber sofort stolpert, was allerdings an sprachlichen Fehlern liegt. Soll vorkommen – nur ausgerechnet im Titel ist das denn doch etwas peinlich. „Der Titel der Arbeit könnte einem Deutschlehrer schon mal ein Dorn im Auge sein“, meint Stefan Weber trocken.

Doch danach wird es noch schlimmer. Plagiatsprüfer Stefan Weber stieß auf zwei Sätze, die vollständig abgeschrieben wurden und dann – der vorläufige Höhepunkt – zwei Absätze, die Schmid ebenfalls zur Gänze (!!) übernommen hat. Wohlgemerkt: Die Überprüfung von Schmids Diplomarbeit hat erst begonnen und ist noch nicht abgeschlossen.

Beispiel 1: Einschätzungen zu einer Studie

Thomas Schmid beschreibt auf Seite 87 seiner Diplomarbeit, worum es in der englischsprachigen Studie von Simone Goedings (1997) geht.

Genau das stand bereits acht Jahre zuvor auf Seite zehn des Berichts „Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Zuwanderung in die Europäische Union unter besonderer Berücksichtigung Österreichs“ von Katharina Demel und Manfred Profazi. „Die Quelle wird in der Diplomarbeit von Thomas Schmid an keiner Stelle erwähnt“, unterstreicht Weber:

Beispiel 2: Historische Detailkenntnisse

Auf Seite 55 ist nachzulesen:

Da das Zitat stammt wortwörtlich von Bengt Beutler et al. aus dem Jahr 1987. Auch diese Quelle wird von Thomas Schmid „an keiner Stelle erwähnt“.

Beispiel 3: Längere Passage 1:1 übernommen

Nun gelangen wird zu zwei langen Absätzen auf Seite 28, die wortwörtlich abgeschrieben wurden. Stefan Weber bemerkt nicht ohne Ironie: „Der Verfasser beherrschte diese Arbeitstechnik aber auch bei längeren Passagen.“

So steht das bereits bei Bernd Schulte, „Europäische Sozialpolitik und die Zukunft des Sozialstaats in Europa. Herausforderungen und Chancen“, Bonn 1998:

Stefan Weber prüft noch weiter

Stefan Weber hat seine Untersuchung gerade erst begonnen, aber die ersten Funde werfen ein – höflich formuliert – zweifelhaftes Licht auf die wissenschaftliche Qualifikation und vor allem Seriosität des Ex-OBAG-Chefs. Eine ähnliche Formulierung innerhalb eines Satzgliedes ist das eine. Aber ganze Textpassagen 1:1  abzukupfern ohne sie auszuweisen, bedeutet letztlich zu schwindeln.

Es wird sich zeigen, wie die Justiz und die WKStA, die offenkundig dringend Zeugen im Verfahren gegen Alt-Bundeskanzler Kurz braucht, darauf reagieren wird. Thomas Schmid hatte heuer den Wunsch geäußert „zu kooperieren und einen Kronzeugenstatus zu erlangen”. Nach Stefan Webers neuen Entdeckungen kommen – nicht zum ersten Mal – Zweifel an Thoms Schmids Seriosität auf.