Eine der ewig auf die lange Bank geschobenen Reformen Österreich ist die Abschaffung der “kalten Progression”. Jahr für Jahr wird sie von Finanzministern und Regierungen von neuem für irgendwann angekündigt, aber nie durchgeführt. Dabei haben sich bei der Nationalratswahl 2019 alle Parteien für ihre Beseitigung ausgesprochen. In Zeiten einer erhöhten Inflation wäre das doppelt wünschenswert.

Man zahlt mehr Lohnsteuer, obwohl man real nicht mehr verdient

Bei der “kalten Progression” handelt es sich um ein Ärgernis, das höchst ungerechte Folgen für die Arbeitnehmer hat. Sie entsteht, wenn die Steuerstufen einer progressiven Besteuerung nicht an die Inflation abgepasst werden. Die Folge: Es entsteht laufend eine Steuermehrbelastung für die Arbeitnehmer, weil er in eine höhere Steuerstufe rutscht, obwohl sie real noch nicht mehr verdienen. Man zahlt mehr Steuer, als man inflationsbereinigt eigentlich sollte.

Die sich jährlich wiederholenden Ausreden der Politik für den Aufschub der Abschaffung dieser Ungerechtigkeit erinnern ein wenig an den Film: “Und täglich grüßt das Murmeltier”. Der geeignete Moment, um die “kalte Progression” aus der Welt zu schaffen, kommt für den Finanzminister, wie es scheint, nie. Alle Regierungen wollen am Ende doch lieber mehr über die Lohnsteuern einnehmen.

Der neue Finanzminister, Magnus Brunner (ÖVP) hat jüngst gegenüber der “Presse” die Hinauszögerung folgendermaßen begründet: Zwar sei die Abschaffung nach wie vor das Ziel. Aber “man muss auch überlegen, ob man nicht steuerpolitisch Schwerpunkte setzen will.” Die Wiener Denkfabrik Agenda Austria kann dieser Begründung nicht viel abgewinnen. Diese sei “höchst originell”, denn Berechnung der Agenda zufolge bestünde auch ohne diese “Inflationssteuer” genügend steuerpolitischer Spielraum.

Heuer betragen die Einnahmen durch die kalte Progression eine halbe Milliarde Euro

Selbst unter der Annahme, dass der Staat die kalte Progression bereits 2016 abgeschafft hätte, wären im heurigen Krisenjahr 27,7 Milliarden Euro durch Lohnsteuereinnahmen in die Kassen gesprudelt. Tatsächlich werden die Einnahmen durch die Lohnsteuer bei 28,1 Milliarden Euro liegen, die kalte Progression wird allein heuer fast eine halbe Milliarde Euro betragen. Bis 2024 werden die Einnahmen aus der Lohnsteuer um 6,4 Milliarden Euro höher erwartet – das ist ein Plus von 23 Prozent.

“Es ist kein guter Start für den neuen Finanzminister, wenn er meint, er könne ohne das Geld, das eigentlich gar nicht beim Staat landen dürfte, keine steuerpolitischen Akzente setzen”, sagt Agenda Austria-Direktor Franz Schellhorn.