Der Molekularbiologe und Ernährungswissenschafter Bodo Melnik von der Universität Osnabrück schlägt Alarm: Neuesten Erkenntnissen zufolge ist Milch deutlich schädlicher für erwachsene Menschen, als bisher angenommen. Mit der Bauernweisheit “Ein Glas Milch am Tag stärkt die Knochen” kann Melnik nichts anfangen. Im Interview mit der “Welt” warnt der Wissenschafter besonders vor den Wachstumshormonen, die sich in der tierischen Muttermilch befinden.

Für Babies förderlich, für Erwachsene schädlich

Neuesten Erkenntnissen zufolge wirken die Botenstoffe der Muttermilch der Kuh auch im Gehirn anderer Lebewesen wachstumsfördernd. Bei Babys und Kindern könnten diese Hormone zwar andocken, bei Erwachsenen sehe dies aber anders aus. “Milch programmiert den Säugling. Sie wirkt endokrinologisch, das heißt, sie greift in den genetischen und hormonellen Haushalt des Körpers ein.” Ein Teil der Botenstoffe der Milch gelangt bis ins Gehirn. “Wenn man das sieht, versteht man sehr schnell, dass wir es hier mit einem Nahrungsmittel zu tun haben, das abhängig vom Alter des Konsumenten segensreich oder gefährlich sein kann. Wer Milch trinkt, dopt seinen Körper und regt ihn zum Wachstum an.”

Empfehlung für Milchkonsum ist "unverantwortlich"

Die Auswirkungen des Milchproteins auf den Körper sehe man zeitverzögert. “Je mehr Milchprotein Sie sich zuführen, desto höher der IGF-1-Spiegel. Setzt man diesem ohnehin erhöhten IGF-1-Spiegel noch den erhöhten Milchkonsum obendrauf, dann rastet das System aus. Welche Fehlprägungen dann in der Kindheit und Pubertät angelegt werden, sehen wir 20 Jahre später bei Prostata und Brustdrüsen.”

Der Wissenschaftler wünscht sich eine Warnung durch das deutsche Bundesinstitut für Ernährung. “Den Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Prostatakrebs erkennt auch das Bundesinstitut für Ernährung an. Trotzdem spricht es keine Warnung aus. Sie geben stattdessen die Formel aus: Ein Glas Milch täglich schadet nicht. Für mich ist das unverantwortlich”.

Frische Milch ist schädlicher als fermentierte Milchprodukte

Wissenschaftler brachten Inhaltsstoffe der Milch mit der “Entstehung von B-Zell-Lymphomen in Verbindung – das sind aggressive Tumore des Lymphsystems”. Interessant: Während der vermehrte Konsum bei Männern zu Prostatakrebs führen kann und auch bei Frauen mit Brustkrebserkrankungen in Verbindung gebracht wird, scheint Milch das Risiko für Darmkrebs zu mindern. Weitere unangenehme Nebenwirkungen: Akne, Fettsucht, Diabetes und Osteoporose. Auch seien immer mehr Kinder gegen Milch allergisch, führt Melnik aus.

“Wenn Mütter nun nach wenigen Monaten schon entscheiden, nicht mehr zu stillen, und stattdessen zu Kuhmilch übergehen, dann kann es sein, dass Säuglinge eine Allergie dagegen entwickeln”. Diese klinge aber meist nach wenigen Jahren wieder ab. Der altbekannten Floskel “Die Dosis macht das Gift” stimmt der Molekularbiologe nicht zu: “Es ist individuell sehr unterschiedlich. Viele glauben, sich mit Milch gesund zu ernähren, vor allem viele Vegetarier trinken Milch. Der dauerhafte Konsum ist das Entscheidende. Es summiert sich. Im Müsli ist die Frischmilch, viele Sportler trinken jeden Tag ein Glas “. Eine weitere interessante Erkenntnis: Frische Milch ist Melnik zufolge deutlich schädlicher als fermentierte Milchprodukte wie Käse oder Joghurt, weil sie mehr Botenstoffe enthält.

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