Matthias Remenyi lehrt Fundamentaltheologie an der Universität Würzburg. Die Eschatologie – die „Lehre von den Letzten Dingen“ – ist seine Spezialität. Doch, was ist die Quelle seiner Forschungen? Im Wesentlichen gibt es davon drei, erklärt er im Interview mit der „Welt“: Die Heilige Schrift mit ihren Osterzeugnissen, mit den Berichten über den Auferstandenen. Die kirchliche Tradition: Welche Auferstehungsmodelle gab es im Laufe der Geschichte? Und die gegenwärtige theologisch-wissenschaftliche Debatte. Garniert wird das alles mit seinen ganz eigenen Hoffnungen und Ängsten.

Davon, den Tod einfach wegzuschieben, hält er nichts. Auch nicht davon, ihn mit einer spiritualisierten Rettungsgewissheit zu übertünchen. „Ich hoffe auf die Auferweckung. Ich hoffe auch darauf, dass Verstorbene, denen ich in Liebe und Dankbarkeit und vielleicht auch im Schmerz verbunden bin, jetzt schon bei Gott eingeborgen und lebendig sind“, sagt er.

Was passiert mit uns, wenn wir sterben?

Oft neigen Menschen dazu, sich an „Nahtoderfahrungen“ anderer zu klammern. Solche Berichte geben Hoffnung. Überraschenderweise hält Remenyi nicht viel davon. „Ich kenne höchst seriöse Wissenschaftler, die selber Nahtoderfahrungen hatten und verteidigen, dass hinter den entsprechenden Eindrücken tatsächliche Gottesbegegnungen stehen. Ich will das nicht beurteilen, halte nur die theologische Aussagekraft für begrenzt: Nahtoderfahrungen sind diesseitige Erfahrungen. Sie können keine Erkenntnisse über das liefern, was jenseits des Todes liegt.“

Das stellt die „Welt“ die Frage, die unser gesamtes Leben und unsere Kultur prägt, wie keine andere „Was passiert mit uns, wenn wir sterben?“
Remenyi antwortet: „Sobald ich sterbe, werde ich als ganzer Mensch von Gott auferweckt. Das scheint mir das Modell mit dem höchsten Grad der Plausibilität zu sein und ist auch biblisch gut begründbar. Ich glaube nicht an diese zweistufige Vorstellung, dass sich die Seele nach dem Tod erst einmal in einer Art Zwischenzustand befindet und die leibliche Auferweckung dann am Ende der Zeiten sozusagen nachgereicht wird. Deshalb halte ich auch das Fegefeuer nicht für einen sinnvollen Begriff. Anders als das Gericht: Das ist sehr wohl ein sinnvoller Begriff.“

Der Moment, in dem man sich selbst erkennt, kann schmerzhaft sein

Das letzte Gericht kann schmerzhaft werden

Dieses Gericht sei jener Moment, in dem man der Begegnung mit der unbedingten Liebe Gottes sich selber erkennen und anzunehmen lerne: und zwar ganz und gar ehrlich, ohne jeden Selbstbetrug. „Ich sehe mich so, wie ich geworden bin, und ich sehe gleichzeitig, wie ich hätte werden können, wenn ich so gelebt und gehandelt hätte, wie Gott es sich einmal für mich erträumt hatte. Diese Diskrepanz zwischen meinem Potenzial und meinem tatsächlichen Lebensweg einsehen zu müssen, darin besteht das Gericht.“

Und das könne schmerzhaft werden. „Zu erkennen, wo ich wirklich Mist gemacht habe, wo ich Menschen nicht gerecht geworden, wo ich schuldig geworden bin und wie dadurch andere Menschen gelitten haben, das ist sicher schmerzhaft. Ich sage das nicht als Drohkulisse. Ich sage das, um unser Menschsein hier und jetzt auch in seiner Ambivalenz ernst zu nehmen“, so der Geistliche.

Die Toten bleiben in dieser Wirklichkeit

Apropos „hier und dort“. Remenyi glaubt, die Begriffe jenseitige und diesseitige Welt sind falsch. Die Toten sind nicht einfach weg. Sie sind bei Gott und bleiben zugleich Teil der Menschheitsfamilie. Das Kind, das verloren gegangen, der Partner, der verstorben ist: Sie bleiben in dieser einen Wirklichkeit. Das darf man nicht verkitschen oder in eine magische Ecke schieben: Totenbeschwörung ist schon im Alten Testament verboten. Aber für die Toten zu beten und sie immer aufs Neue der Liebe Gottes anzuempfehlen finde ich sehr sinnvoll.

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?