Der Ex-US-Präsident Donald Trump hat kurz vor Ende seiner Amtszeit die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt. Welche Konsequenzen hatte das auf die Situation der Westsahara?

Trump hat einen schweren Fehler gemacht. Seine Erklärung verstößt gegen internationales Recht und gegen die Beschlüsse der Vereinten Nationen. Die Westsahara war vor der Kolonialisierung nie ein Teil von Marokko. Wir sind zwei verschiedene Länder. Die Vereinten Nationen haben sich seit den 1960er Jahren damit befasst. Auch der Europäische Gerichtshof hat unser Recht auf Selbstbestimmung anerkannt. Als ehemalige spanische Kolonie hat die Westsahara für ihre Souveränität gekämpft. Wir sind Teil der Afrikanischen Union. Mehr als 85 Länder haben unsere Unabhängigkeit anerkannt.

Trumps Entscheidung verstößt gegen alle Entscheidungen der internationalen Gemeinschaft, deshalb wird sie keine Zukunft haben. Die internationale Gemeinschaft wird sie nicht akzeptieren. Aber Marokko will die EU dazu zwingen, Trumps Entscheidung zu folgen. Die EU weigert sich, das zu tun. Deshalb schickt Marokko Flüchtlinge nach Europa.

"Marokko erpresst Spanien und die EU mit seiner Migrationspolitik"

Sie werfen Marokko vor, die EU mit Migranten zu erpressen, indem es zum Beispiel  – wie Mitte Mai geschehen – tausende Migranten aus Marokko die spanische Exklave Ceuta betreten lässt?

Ganz genau. Die Menschen dort waren Marokkaner, zu 100 Prozent. Ein paar sind vielleicht auch aus Subsahara-Afrika, aber darüber schweigt die Presse.

Was sollte die EU tun?

Die EU unterstützt Marokko mit Unsummen an Geldern, um die Migration zu stoppen und die Invasion nach Europa zu verhindern. Aber mit welchem Erfolg? Marokko ist weiterhin eine Gefahr für seine Nachbarn und erpresst Spanien und die EU mit seiner Migrationspolitik. Gute Politik sollte die Menschenrechte schützen und die Situation stabilisieren. Doch das geschieht nicht. Die Westsahara hat seit den 1980er Jahren viel Unterstützung aus Afrika erhalten, aber unsere Flüchtlinge sind nicht nach Europa gekommen.

Außerdem unterstützt die EU seit den 1980er Jahren Marokko, um die Produktion von Cannabis zu stoppen, aber nach wie vor landen 80 Prozent noch immer in Europa. Das geht auch aus den Drogen-Berichten der Vereinten Nationen und der EU hervor.

Die EU hat die Früchte ihrer Politik geerntet. Marokko achtet nicht auf seine Grenzen und schickt Drogen und Migranten nach Europa. Frankreich und Spanien gaben Marokko einen Sonderstatus, ohne dafür ein konkretes Ergebnis zu erhalten.

"Marokko darf sich nicht als Highway nach Europa verstehen"

Was sind die Gründe für Marokkos Handeln?

Es gibt zwei Gründe: Erstens: Die Monarchie hat seit der Unabhängigkeit viele interne Schwierigkeiten. Deshalb braucht sie einen Feind, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung abzulenken. Zweitens: Die Westsahara ist sehr reich. Sie ist ein Eldorado für Marokko. Wir haben nicht nur Sand und Kamele, sondern auch Fische und viele Ressourcen.

Die Spannungen zwischen Marokko und der Westsahara sind in letzter Zeit angestiegen. Warum eigentlich?

Wir befinden uns in einer Kriegssituation, aber nicht wegen Trump. Im Jahr 1991 gab es ein Friedensabkommen nach 16 Jahren Krieg und nach Verhandlungen von 1985 bis 1991. Die Marokkaner sagten, sie würden ein Referendum akzeptieren. Es folgte ein Waffenstillstand. In den folgenden 30 Jahren hat Marokko unsere natürlichen Ressourcen ausgebeutet, den Waffenstillstand mehrfach gebrochen und zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Jetzt will Marokko seine Präsenz in der Westsahara legitimieren und das Spiel ändern. Wir befinden uns also nicht wegen Trump in einer Kriegssituation. Aber es muss ein endgültiges Abkommen geben, sonst werden die Feindseligkeiten nicht aufhören. Die Besatzung muss beendet werden.

Und das Geld an Marokko muss konkrete Ergebnisse bringen und die Migration stabilisieren. Marokko muss seine Grenzen schließen und darf sich nicht als Highway nach Europa verstehen. Die aktuelle Krise wäre eine Gelegenheit, Marokko an seine Verpflichtungen zu erinnern.