Nach dem eXXpress-Bericht über Plagiatsvorwürfe gegen Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock widmeten sich auch andere Medien der Kritik des bekannten österreichischen Plagiatsgutachters Stefan Weber an der Grünen-Kanzlerkandidatin. Empört reagierten die deutschen Grünen: “Das ist der Versuch von Rufmord. Wir weisen den Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung entschieden zurück”, erklärte am Dienstag ein Grünen-Sprecher. Dass Baerbock in ihrem jüngst erschienenen Buch “Jetzt. Wie wir unser Land erneuern” passagenweise von anderen Quellen abgeschrieben hat, wolle man so nicht gelten lassen. Auch Baerbocks Rechtsanwalt Christian Schertz will “nicht im Ansatz eine Urheberrechtsverletzung erkennen”.

"Bild"-Zeitung: Grüne sollten besser aufklären, statt drohen

Als “klassische Blendgranate” bezeichnete die deutsche “Bild”-Zeitung die Reaktion: “Bei der Kritik geht es nicht um einen justiziablen Vorgang, sondern um die Frage, ob sie sauber und ehrlich gearbeitet hat. Diese Vorwürfe will man entweder aufklären und ausräumen – oder eben nicht.” Die Bild-Zeitung hat ein paar der abgekupferten Stellen einander gegenübergestellt, damit sich jeder ein Bild machen kann:

Die fast wortgleichen Passagen befinden sich auf dem Blog "Klimawandel – Challenge Accepted", der vom Verband der Wirtschaft für Emissionshandel und Klimaschutz betrieben wird.
Einige der Passagen, die Stefan Weber entdeckt hatBild Zeitung

Stefan Weber hat in einem ersten Durchlauf mit einer Plagiatssoftware fünf Passagen entdeckt. In einem zweiten Screening kamen weitere sechs Stellen dazu – unter anderem aus der “Süddeutschen Zeitung” und dem “Tagesspiegel”. Diese Ergebnisse, die Weber noch veröffentlichen wird, betreffen etwa die Osterweiterung: “Mit der sogenannten Osterweiterung im Mai 2004 galt die Teilung Europas – rund 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – als überwunden”, schreibt Baerbock – und schrieb zuvor die Bundeszentrale für Politische Bildung (nur ließ sie die Datumsangabe “im Mai 2004” weg).

Oder über Myanmar: “In der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 2008 peitschte der Wirbelsturm mit Böen bis zu 240 Stundenkilometern hohe Wellen durch die weitverzweigten Flussarme des Irrawaddy tief ins Landesinnere hinein. Nargis riss 135.000 Menschen in den Tod, zerstörte Dörfer und flutete die Reisfelder”, schreibt Baerbock – und weitgehend wortident zuvor der “Tagesspiegel”.

"Von Verstößen gegen Zitatrecht kann gesprochen werden"

Baerbocks Anwalt spricht von der “Wiedergabe allgemein bekannter Fakten sowie politischer Ansichten.” Nachrichten, historische Tatsachen und allgemein bekannte Erkenntnisse seien nicht durch das Urheberrecht geschützt. Andere deutsche Urheberrechtsexperten sehen das anders.

“Die vielen wörtlichen Zitate können kein Zufall sein”, erklärte der Hamburger Medienanwalt Matthias Prinz gegenüber FOCUS Online. Zwar sei es richtig, dass es sich dabei “um Passagen handelt, die auf den ersten Blick inhaltlich nicht besonders bedeutsam sind”, sagt Prinz. “Aber warum wurde dann nicht eigenständig formuliert, sondern copy paste abgeschrieben?”

David Geßner, Berliner Fachanwalt für Urheberrecht, kritisiert, dass Baerbock die einzelnen Passagen nie mit entsprechender Quellenangabe zitiert. “Demzufolge kann hier von Verstößen gegen das Zitatrecht gesprochen werden”, sagt Geßner.

In der Zwischenzeit hat auch die Bundeszentrale für politische Bildung klargestellt, dass bei der Verwendung ihrer Inhalte eine Quellennennung notwendig ist. Eine Anfrage von Baerbock ist der Bundeszentrale nicht bekannt. “Allerdings bestehen wir auch bei von uns autorisierten Textübernahmen grundsätzlich auf Quellennennung”, unterstreicht ein Sprecher.

Stefan Weber ist erstaunt und kritisiert den Ullstein-Verlag

Gegenüber der “Neuen Zürcher Zeitung” zeigte sich Weber erstaunt, dass Baerbock und ihr Mitautor Michael Ebmeyer nach den Debatten um den nicht korrekten Lebenslauf der grünen Kanzlerkandidatin nicht sorgfältiger mit ihren Quellen umgegangen seien. Er verstehe auch nicht, warum der Ullstein-Verlag das Buch nicht einer Plagiatsprüfung unterzogen hat. Zwar würden für Sachbuchautoren nicht jene strengen Zitationsregeln gelten wie für Wissenschafter, aber ganze Passagen ohne Quellenangaben abzuschreiben, das sei zumindest “unethisch”. Es sei darüber hinaus gängige Praxis bei Verlagen, Autoren in ihren Verträgen eine Plagiatsklausel unterschreiben zu lassen.

Der Ullstein-Verlag erklärte dazu auf Anfrage schriftlich: “Das Manuskript von Annalena Baerbocks Buch ist im Verlag sorgfältig lektoriert worden.”