Mark Rutte (55) ist seit 2010 Ministerpräsident der Niederlande. Damit ist der Politiker von der bürgerlich-liberalen VVD dienstältester Politiker in der EU. Nun steht er aber gewaltig unter Druck. Der Grund sind die massiven landesweiten Aufstände der Landwirte, die er nicht länger ignorieren kann. Der eXXpress berichtete.

Rutte: „Gemeinsamer Dialog bringt uns weiter“

Mittlerweile sucht die Regierung das Gespräch. Die Verringerung des Stickstoffausstosses bringe tiefgreifende Veränderungen mit sich, ließ Rutte auf Twitter wissen. Daher stehe die Regierung weiterhin im intensiven Austausch mit den Bauern. “Denn ein gemeinsamer Dialog ist es, der uns weiterbringt”, schrieb Rutte.

Landwirte protestieren mit ihren Traktoren neben einem deutsch-niederländischen Grenzschild.APA/Niederlande OUT/AFP/ANP/Vincent Jannink

Die Stickstoffpläne der Regierung haben eine beispiellose Welle wütender Proteste in den Niederlanden ausgelöst. Sie sind für sämtliche Bauern existenzbedrohend.

Auch Panzer waren wegen der nicht enden wollenden Proteste im Einsatz.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte besucht einen Milchviehbetrieb vor einer Diskussion mit Landwirten über die Stickstoffpläne.APA/Niederlande OUT/AFP/ANP/Sem van der Wal

30 Prozent weniger Vieh – zwecks Stickstoff-Reduktion

Die Regierung sieht sich – auch wegen Auflagen der Europäischen Union – zu einschneidenden Maßnahmen gezwungen. Die Emissionen von Stickoxid und dem in Dünger enthaltenen Ammoniak sollen bis 2030 um 50 Prozent gesenkt werden. Schon als Christianne van der Wal, Ministerin für „Natur und Nitrogen-Politik“, im Juni die Regierungspläne mithilfe einer Landkarte präzisierte, brach ein Sturm der Entrüstung los. Die Karte zeigte, wo überall die Emissionen um mindestens 70 Prozent sinken sollen. Das bedeutet auch, dass dort künftig 30 Prozent weniger Vieh gehalten werden darf. Dann müssten sämtliche Betriebe schließen.

Viele Niederländer solidarisierten sich mit den Bauern. Einige tragen ein Transparent mit der Aufschrift "Echte Bürger unterstützen Landwirte".APA/Niederlande OUT/AFP/ANP/Ramon van Flymen
Immer mehr Menschen gingen auf die Barrikaden.APA/Niederlande OUT/AFP/ANP/Ramon van Flymen

Kritisch kommentiert die NZZ: „Dass für die Stickstoffbelastung nicht nur die Landwirtschaft – mit einem auf 40 Prozent bezifferten Anteil –, sondern auch Industrie und Verkehr verantwortlich sind, ging dabei etwas unter. Das gilt auch für die Tatsache, dass schätzungsweise 40 Prozent der Emissionen über die Grenzen ins Land gelangen.“

Regierung: „Keine Tabus“ bei Gesprächen

Dass der Präsident von LTO Nederland, der größten Interessenvertretung der Landwirte, Sjaak van der Tak, an den Gesprächen mit Rutte überhaupt teilnehmen wird, war ungewiss. Dazu erklärte er sich erst bereit, nachdem Rutte zugesichert hatte, es werde „keine Tabus“ geben. Allerdings scheint die Regierung nur bedingt willens zu sein, von ihren Plänen abzurücken. Ministerin van der Wal wiederholte Ruttes Worte vom Vortag, dass es darum gehe, zuzuhören. Entscheidend sei, dass es Gespräche gebe. „So machen wir das Miteinander in den Niederlanden, gemeinsam an einem Tisch“, sagte die Ministerin.

Landwirte kippen Heuballen neben einem deutsch-niederländischen Grenzschild auf der Autobahn A1 in der Nähe von Rijssen ab, während sie gegen die Pläne der niederländischen Regierung zur Senkung der Stickstoffemissionen protestieren. - (Foto vonAPA/Niederlande OUT/AFP/ANP/Vincent Jannink
Die Massenproteste blockierten die Straßen

Ein Treffen in Utrecht soll nur den Auftakt bilden. In Kürze folgt eine Unterredung mit Vertretern von Natur- und Umweltschutzorganisationen. Danach kommen Repräsentanten der für die Umsetzung des Plans zuständigen zwölf niederländischen Provinzen an die Reihe.

Eigene Parteibasis revoltiert gegen Rutte

Rutte muss sich aber auch mit Unmut in seiner eigenen Partei herumschlagen. Zwar gilt die VVD nicht gerade als Bauernpartei. Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent sprach sich auf einem Kongress dennoch gegen die Pläne der Regierung aus. Möglicherweise sind viele Mitglieder auch mit Ruttes Amtsführung unzufrieden.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte tritt nach einem ersten Treffen mit Vertretern von Bauernverbänden am 5. August 2022 in Utrecht vor die Medien.APA/Niederlande OUT/AFP/ANP/Jeroen JUMELET

Rutte sagte nach dem Votum, dass die Pläne «natürlich» unverändert bleiben würden. Acht Wochen später – zu Beginn des Dialogs mit den Bauernvertretern – sieht es so aus, als müsste er abermals auf Geschmeidigkeit und Wendigkeit setzen.