Einen bemerkenswerten Bühnenauftritt lieferte die grüne, deutsche Familienministerin Anne Spiegel ab, als sie einen Tag bevor sie von den allmächtigen grünen Alphatieren Habeck und Baerbock von der politischen Bühne gefegt wurde, unter Tränen vor die Presse trat, um sich dafür zu entschuldigen, dass sie während der Jahrhundertflut in Reinland-Pfalz, der hundertdreißig Menschen zum Opfer fielen, als damals verantwortliche Ressort-Chefin nicht vor Ort, sondern in Frankreich im Urlaub war und sich so gut wie überhaupt nicht um die Lage in der Heimat scherte. Das Einzige, was sie vor ihrer Abreise noch veranlasste, war in einer Presseaussendung zum Flutgeschehen den Begriff „Campingplatzbetreiber“ durch die korrekte Genderform „CampingplatzbetreiberInnen“ ersetzen zu lassen. Nach dieser letzten großen Tat von höchster Moralität verschwand sie für einen Monat in den Familienurlaub und bald danach von der Vorderbühne der Politik. Der theatralische Auftritt rettete sie nicht.

Politik ist außenorientiert

Heute ist für jedes kleine Kind offensichtlich, dass die Politik außenorientiert ist, was so viel bedeutet, dass ihr Handeln nicht von Grundsätzen und dauerhaften Werten bestimmt ist, sondern von Stimmungen in der Gesellschaft, die von geschickten Marktforschern laufend eingefangen werden. Das Ganze nennt man dann „evidence-based policy“. Politik, die sich dieserart prinzipienlos dem Souverän anbiedert, ist gierig nach Beifall und Anerkennung und glaubt am Ende, dass die Zuneigung des Volkes allein von verführerischer Rhetorik und eindrucksvoller Selbstpräsentation abhängt. 

Die Folge des radikalen Opportunismus ist, dass die politische Kultur eine oberflächliche und seltsam geschmeidige Komödie wird, die sich in einem dermaßen rasanten Tempo inhaltlich wandelt und dreht, dass dem Wahlvolk die Ohren schlackern. Programme und politische Repräsentanten werden zu schwankenden Formen und Gestalten, die immer so erscheinen, wie es die Stimmungslage gerade erfordert. Auch hierzu findet man ein beeindruckendes Beispiel bei den deutschen Grünen. Forderten sie noch in den Koalitionsverhandlungen der Ampel, dass mit dem Liefern von Waffen an kriegsführende Staaten ein für alle Mal Schluss sein müsse, verlangt der als Ministerkandidat durchgefallene Anton Hofreiter nun „Waffen, Waffen und nochmal Waffen“ für die Ukraine. Und die grüne Außenministerin Baerbock, die sich mit Beginn der Ukraine-Krise sogleich in eine kriegerische Amazone verwandelt hat und ab sofort fortwährend in kugelsicherer Weste herumzulaufen begann, will sogar, dass nicht nur normale, sondern „schwere“ Waffen in die Ukraine gehen sollen. Der Sprung von der Friedensbewegungs- und Ostermarschpartei zum Verein der Freunde des Dritten Weltkriegs muss einem, ohne dass man dabei von der eigenen peinlichen Wandlungsfähigkeit schwindlig oder gar verrückt wird, einmal gelingen. 

Wählerschaft macht Hochgeschwindigkeits-Opportunismus mit, anstatt schreiend davonzulaufen

Ein Faszinosum dabei ist, dass die Wählerschaft diesen Hochgeschwindigkeits-Opportunismus mitmacht und nicht schreiend vor so viel Prinzipien- und Ehrlosigkeit in alle Himmelsrichtungen davonläuft. Die deutschen Grünen haben seit ihrem Regierungseintritt sogar deutlich an Prozenten zugelegt und die Kriegs-Außenministerin Annalena Baerbock ist die beliebteste Ministerin der Regierung.

Dass es sich bei diesen Vorgängen nicht nur um eine einzigartige Erscheinung der deutschen Politik handelt, sondern sich hier das Wesen der grünen Bewegung offenbart, zeigt sich an der Fähigkeit zur prinzipienlosen Metamorphose der österreichischen Grünen und ihrer Frontfrau Sigi Maurer. Einst war die Frau eine linke Rebellin, die Sebastian Kurz vorwarf, durch seine Koalition mit der FPÖ „den Rechtsextremismus in den Salon zu holen“ und die eine Kampagne der vom grünen Linksaußen Öllinger betriebenen Plattform „stopptdierechten.at“ unterstützte, in der Sebastian Kurz unterstellt wurde, dass seine autorisierte Biografie nicht nur zufällig in einem Verlag herausgebracht wurde, in dem „reihenweise rechtsextreme Publikationen erscheinen“. Kaum mit der ÖVP in einer Koalition, fand die streitbare Antifaschistin den jungen Kanzler gar nicht mehr so rechts und extrem, im Gegenteil, Kurz war nun jemand „dem man vertrauen kann“ und bei dem man „sofort das Gefühl hat, man kennt sich aus“. Das Böse hatte sich mit einem Mal, wie von Zauberhand berührt, ins Gute verwandelt. 

Grüne Wählerschaft kommt aus den satten Eliten der Gesellschaft

Warum Prinzipien bei den Grünen nur flüchtig wie Nebelschwaden sind, die sich beim kleinsten Lüftchen verziehen, um durch neue instabile Meinungsgebilde ersetzt zu werden, hängt primär damit zusammen, dass die grüne Partei und ihre Wählerschaft aus den satten Eliten der Gesellschaft kommen, die keine existentiellen Sorgen haben und die es sich leisten können, Politik als frivoles ideologisches Sprachspiel zu betreiben. Für die Grünen und ihren Anhang ist Politik ein Abenteuer, ähnlich wie das Auslandssemester in Berkeley, das Indianerspielen in der Lobau, welches sich geschickt als moralische ökologische Tat tarnt oder die narzisstisch-lustvolle Komödie der Diversität, die die frohgemute Metamorphose vom Mann zur Frau und wieder zurück prominent beinhaltet. 

Die Plastizität der grünen Partei und ihres Milieus gründet also in der kuriosen Kultur einer Elite ohne materiellen Sorgen, die in einem hyperrealen Medienraum, in dem sich Fantasie und Realität bis zur Unkenntlichkeit durchmischen, sozialisiert wurde. Nur aufgrund dieser realitätsverlorenen Persönlichkeitsbildung konnte es dazu kommen, dass sich unter diesen abgehobenen Auserlesenen der Glaube verbreitet hat, dass die Sprache Realität schafft, das Geschlecht eine soziale Konstruktion ist und sich beliebig wechseln lässt, der Verbrauch von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas innerhalb von ein paar Jährchen durch erneuerbare Energiequellen zu ersetzen ist und die nationalstaatliche Bindung als Sinnquelle keiner braucht und anstelle dessen ein fröhliches Leben unter im globalen Maßstab vagabundierenden „Anywheres“ die Menschen glücklich macht.

Elitäre links-grüne Bourgeoisie spaltet unsere Gesellschaft

Zu dieser Elite, die sich hinter hohen Universitätsmauern, in Co-Working-Spaces, in staatlich hochsubventionierten NGOs, im Bildungsbetrieb, der Medienbranche und der Esoterikszene verschanzt, blicken die normalen Menschen mit Erstaunen, das zusehends in verständnislose Wut übergeht, hoch und wünschen sich nur gemäß ihrer Werten wie Ordnung, Sauberkeit, Sparsamkeit, Gemeinschaftlichkeit, Familie und Nationalstolz in Frieden leben zu dürfen und in Ruhe gelassen zu werden. Anstelle dessen werden sie von der Bobo-Schickeria von oben herab behandelt und in die rechte Ecke gestellt. Es ist die elitäre links-grüne Bourgeoisie, die unsere Gesellschaft gewissenlos spaltet und das friedliche Zusammenleben der diversen Milieus aufs Spiel setzt.