Durch unsere Epoche geistern viele schillernde neue Begriffe. Einer davon ist der „Anti-Rassismus-Trainer“. Bei einem Fußballtrainer kann man sich recht leicht vorstellen, was der so tut. Er lehrt Menschen das Fußballspiel. Allein, der Anti-Rassismus-Trainer vermittelt keine Fertigkeiten, er verbreitet Ideologie. Ziel dieser Ideologie ist es, Menschen für die Selbstbezichtigungsolympiade zu begeistern, die heute weite Teile der westlichen Welt, besonders die akademisch gebildeten Schichten, erfasst hat. Die Schüler dieser Trainer sollen ein grausames Über-Ich ausbilden, das sie täglich dazu zwingt, persönlich die Verantwortung für jegliches Leid zu übernehmen, das auf der ganzen Welt nicht-weißen Menschen widerfährt.

Eine hypertrophe Schuld- und Unterwerfungslust erfasst tatsächlich immer breitere Schichten der Gesellschaft. Das hängt wohl damit zusammen, dass wir es mit einer linken Mediokratie zu tun haben, die die täglichen Nachrichten und Informationssendungen in einen einzigen großen Schuldgottesdienst verwandelt hat und der Seher- und Hörerschaft Sühnerituale, wie das Stammeln in einer gendergerechten Sprache, aufzwingt.

Das ewige Streben nach dem Opferstatus

Tatsächlich erscheinen die Kommunikationen und die politischen Auseinandersetzungen unserer Zeit retheologisiert. Anstelle eines vernünftig-abwägenden Diskurses über die Probleme unserer Zeit breitet sich ein hysterisch-emotionaler moralisierender Glaubensstreit über Klima, Rassismus, Radikalismus, Feminismus etc. aus, bei dem emphatische Betroffenheitsbeschwörungen jegliches rationales Argument aus dem Feld schlagen. Den Opferstatus erhält man, indem man innere Stimmungen, die durch eine ideologisch getrübte Wahrnehmung gesellschaftlicher Zustände entstehen, in dramatisch inszenierter Form nach außen kehrt. In den Sozialen Medien werden die nach außen geleiteten Innerlichkeiten durch Gleichgesinnte mit ganz ähnlichen Seelenzuständen empirisch beglaubigt und infolge in einem stetig anschwellenden kollektiven Opfergesang bis in die höchsten Stufen eines völlig durchgedrehten Massenwahns gesteigert.

Was passiert, wenn ein solcher Wahn ganze Bewegungen befällt, konnte man bei der letzten Demonstration für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem von den USA und Europa feige den Taliban überlassenen Afghanistan sehen, bei dem allen Ernstes von den Veranstaltern über Lautsprecher „weiße Männer“ aufgefordert wurden, den Konsum von Bier einzustellen, weil es sich bei der Kundgebung um einer Art Trauermarsch handeln würde. Und bei einem solchen würde es sich nicht ziemen, Bier zu trinken. So als wären bei öffentlichen Veranstaltungen noch nie Frauen mit Bierdosen in der Hand und kiffende PoCs (People of Color) gesehen worden. Der „weiße Mann“ wird dieserart bei einer Demonstration als das universelle Böse stigmatisiert, die weiße Menschen dafür begeistern möchte, Flüchtlinge aufzunehmen, die vor einer Horde von wildgewordenen religiös radikalisierten PoCs auf der Flucht sind. Grotesk. Mit der wahnhaften Herabsetzung der weißen Menschen und ihrer Kultur wird alles „Böse“ unbewusst oder bewusst überschrieben, das durch islamistische PoCs in die Welt kommt. Und genau zu dieser Problematik ist mir in der letzten Woche ein Buch in die Hände gefallen, das außergewöhnlich lesenswert ist, „Der Übermuslim“ von Fethi Benslama, einem französischen Psychoanalytiker.

Das Buch setzt sich mit den Gründen auseinander, wie und warum es dem fundamentalistischen Islam gelingt, junge Menschen zu radikalisieren. Interessant ist, dass es nicht in erster Linie die Ärmsten der jungen Muslime sind, die sich dem Islamismus anschließen. 60% von ihnen kommen aus den Mittelschichten. Und es sind Jugendliche, die es vorziehen, anstelle in einer liberaldemokratischen Gesellschaft in der gesicherten Ordnung einer autoritären Gemeinschaft mit einengenden Normen und drakonischen Strafen zu leben.

Der Übermuslim wird von der Zwangsvorstellung geleitet, noch muslimischer sein zu müssen, als er ist. Er ist damit in einer Art von Steigerungsspiel gefangen, wie man es auch aus dem christlichen Fundamentalismus kennt, wo sich enthemmte Fanatiker des Glaubens gegenseitig mit demonstrativen Ritualen der Gottesunterwerfung zu überbieten suchen.

Als wären sie seelenlose Wesen…

Das Christentum ist, was Radikalisierung betrifft, aber weniger gefährlich als der Islam, weil es, so der verstorbene Philosoph Rudolf Burger, seinen „religiösen Glutkern“ verloren hat. Der Islam hingegen glüht vor Leidenschaft und dem Willen, die Welt mit seiner Herrschaft zu überziehen.  Deshalb stellt er, so Burger, die gefährlichere Bedrohung für jede liberal-demokratische Kultur dar.

Fethi Benslama weist aber noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin, der uns gerade vor dem Hintergrund einer möglichen Flüchtlingswelle aus Afghanistan zu denken geben sollte. Der Islam der Übermuslime, von dem viele der Flüchtlinge geprägt wurden, ist besonders für Delinquente und solche, die es werden wollen, interessant, weil sie im Namen des muslimischen Gesetzes außerhalb des Gesetzes des laizistischen westlichen Staates ohne schlechtes Gewissen agieren können, wie sie wollen. Oder anders gesagt: ihnen ist erlaubt sich alles zu erlauben. Der Islamismus stellt ihnen ein „heiliges“ Gesetzeswerk zur Verfügung, durch das sie selbst „ihre antisozialen Bestrebungen adeln und ihre mörderischen Triebe heiligen“ können.

Im Spätmittelalter hat die christliche Theologie darüber diskutiert, ob Indianer eine richtige Seele haben, also Menschen sind. Ähnliche Betrachtungen werden heute von radikalen Muslimen über die Menschen der westlichen Welt angestellt. Eine schon seit 30 Jahren in Österreich lebende Muslimin hat zu einem Freund gesagt: „Seid froh, dass ihr in der U-Bahn nicht verstehen könnt, wie junge muslimische Männer über österreichische Frauen reden“.  So, als wären sie seelenlose Wesen.

Der Jugendforscher und eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier untersucht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Lebenswelt der Jugend und ihr Freizeitverhalten. Er kennt die Trends, vom Ende der Ich-AG bis zum neuen Hedonismus und Körperkult, bis zu Zukunftsängsten im Schatten von Digitalisierung und Lockdown. Heinzlmaier ist Mitbegründer und ehrenamtlicher Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung. Hauptberuflich leitet er das Marktforschungsunternehmen tfactory in Hamburg.