Ulrich Bröckling unterscheidet in seinem Buch „Postheroische Helden“ zwischen dem Tugendhelden und dem Helden als Outlaw. Während der Tugendheld die Regeln des Gemeinwesens stabilisiert, indem er sich bis zur Selbstaufopferung für diese einsetzt, destabilisiert der Outlaw das gesellschaftliche Gefüge durch demonstrative Grenzüberschreitungen.

In beiden Typen steckt der sogenannte puer robustus, seinem Wesen nach ein schwer zu kontrollierender Störenfried. Die Elite der Helden umgibt eine durchschnittliche gesichtslose Masse, die sich in ihrer Bedeutungslosigkeit langweilt und ein eintönig gleichförmiges Leben zu führen gezwungen ist. Sie ist dem stupiden und trostlosen Dasein in einer linken Gesinnungsgesellschaft ausgeliefert, in der das Gutsein tägliche Pflicht ist. Sie lebt im hypermoralischen Himmel auf Erden.

Nichts ist langweiliger, als der Himmel

Jedes Kind weiß, dass es nichts Langweiligeres gibt als den Himmel. Schon ein alter Witz erzählt davon, wie die Auserwählten Gottes im Paradies fadisiert und angeödet von sanften Harfenklängen, fröhlichen Nonnengesängen und inbrünstigen Gottesanbetungen herumsitzen und sehnsüchtig in die Hölle hinabblicken, in der tagaus tagein rauschende Feste und exzessive Orgien gefeiert werden.

Der Böse hat deshalb so starke Anziehungskraft, weil er kein reiz- und trostloser Langweiler ist. Er ist unterhaltsam und aufregend und eröffnet ein Handlungsfeld, das den postmodernen Narzissten begeistern muss, da es Selbstverwirklichung bis zur Ekstase verspricht. Wo der Herr der Finsternis regiert, dort feiert die Triebbefriedigung täglich ihre wilden Feste, während das Gottesreich von Vernunft und Tugendhaftigkeit und damit von der Verdrängung triebhafter Wünsche beherrscht ist.

Im Moralparadies ist dem Durchschnittsmenschen die Selbstunterdrückung vorgeschrieben. Leistet er sich den kleinsten Verstoß gegen die Political Correctness, rückt sofort eine Art von Scharia-Polizei aus, die sich aus Freiwilligen der renitenten Twitter-Tugendapostel-Gemeinschaft zusammensetzt, die die Sünder sofort der peinlichen Befragung und in der Folge der drakonischen Bestrafung unterwirft, die auf deren wirtschaftliche und soziale Vernichtung hinausläuft. Erich Fromm hat einmal gesagt, dass der Mensch, der dazu gezwungen ist, mehr unterdrücken zu müssen, als er zu verdrängen in der Lage ist, neurotisch wird. Die hypermoralischen Gesinnungsgesellschaften produzieren Neurotiker im Übermaß. Und diese, pervertiert vom täglichen Zwang zur Selbstverleugnung, suchen sich Vorbilder, die sich das anmaßen, was sie sich selbst verbieten müssen, sich über die Ordnung zu stellen und die ihren Narzissmus bis hinein ins düstere Feld des Kriminellen ausleben.

Von Jack Unterweger zu Julian Hessenthaler: Jede Linke Epoche braucht ihren geheimen "Antihelden"

In der noch nicht so fernen Vergangenheit war der mehrfache Prostituiertenmörder Jack Unterweger die Identifikationsfigur linker Neurotiker. Vor allem die Kulturschickeria vergötterte den destruktiven Dandy und seine holprigen Texte. Während der Verbrecher von einer Lesung zur anderen und von einer Premierenfeier zum nächsten herumgereicht wurde und dort vor allem die Damenwelt der gehobenen Schichten mit seiner ambivalenten Aura aus körperlicher Attraktivität und derb-burschikoser moralischer Verkommenheit dermaßen in Verzückung versetzte, dass der einen oder anderen gar das Riechfläschchen gereicht werden musste, mordete er munter weiter. Viele seiner Fans von damals glauben noch immer nicht, dass sie einst einem Monstrum aufgesessen sind.

Der heroische Outlaw unserer Tage, zu dem die gesamte Linke mit pochendem Herzen und bebender Seele hochblickt, weil er das tut, was sie sich nicht traut, ist der nicht rechtskräftig verurteilte Drogendealer Julian Hessenthaler. Für ihn rennt sogar die Antifa durch Wien, eine weithin bekannte Therapiegruppe für gelangweilte narzisstisch gekränkte Bürgerkinder, und kleistert Plakate mit dem Slogan „Freiheit für Julian Hessenthaler“ an Auslagenscheiben, die sonst ihrem unbedingten Willen zur „Entglasung“ zum Opfer fallen würden, oder schmiert diesen perversen Freiheitsappell an Hauswände.

Hessenthaler ist der neue Held der gelangweilten Tugendhaftigkeit. Die elektrisierende Aura der bösen Tat, die ihn umgibt und die aufregende Welt einer gesetzlosen Subkultur von Gaunern und Strizzis, für die er offenbar als Symbol genommen wird, machen ihn zur Kultfigur der anonymen linken Feiglinge, die sich auf Twitter hinter Pseudonymen verstecken und auf Demonstrationen ihre Gesichter, wie unter Straftätern üblich, mit schwarzen Sturmhauben vermummen. Der mutmaßliche Kokaindealer fungiert aber auch als Heros von postheroischen journalistischen Schreibtischtätern, die einmal die Woche zum Staatsanwalt laufen und dort wahllos abenteuerlich konstruierte Anzeigen deponieren. Die Verfahren, die sich daraus ergeben, werden in der Regel eingestellt. Journalistisch wie juristisch produzieren diese Leute nichts als heiße Luft.

Die Linke außer Rand und Band

Trotzdem man das Verhalten der Linksaktivisten aufgrund ihrer psychischen Zwangslage durchaus verstehen kann, erhebt sich die Frage, ob man, auch wenn man von Neurosen gepeinigt ist, so dermaßen tief sinken muss. Man könnte sich doch auch etwas weniger verkommen und sittenlos Entlastung vom neurotischen Leidensdruck verschaffen als durch die öffentliche Anbetung eines Prostituiertenmörders oder der demonstrativen narzisstischen Identifikation mit einem mutmaßlichen Drogendealer, der mit seinen Geschäften höchst wahrscheinlich die Gesundheit und das Leben vieler unschuldiger junger Menschen auf dem Gewissen hat.

Und eines kommt noch dazu. Während anderen jegliche Kritik an der Justiz verboten ist und sogar der greise Bundespräsident gegen Justizkritiker ausrückt, um theatralisch den Verfassungsstaat zu retten, ist es Linken und Linksradikalen erlaubt, den Richtern und Schöffen des Verfahrens gegen Julian Hessenthaler das Mitwirken an einer politischen Verschwörung zu unterstellen und hier von einem Justizskandal, einem Fehlurteil und einer Schande für den Rechtsstaat zu sprechen. Und in der angeblich liberalen Zeitung „Der Standard“ versteigt man sich gar zu der kruden Argumentation, dass Julian Hessenthaler sich möglicherweise eines Drogendeliktes schuldig gemacht habe, aber „kein ganz normaler Drogendealer“ sei und deshalb juristisch anders zu behandeln wäre.

Und warum? Weil er ein Held ist, der Österreich durch seine Beteiligung an einer hinterhältigen illegalen Aktion von einer Regierung befreit hat, die dem linken Lager nicht gepasst hat? Über so viel Dreistigkeit kann man nur noch den Kopf schütteln. Die Linke in diesem Land ist außer Rand und Band. Ihre konzertierte Kampagne wird erst ein Ende haben, wenn alle bürgerlichen Kräfte aus der Regierung hinausgesäubert sind und der rot-grün-pinke Linksblock herrscht. Das wird in ein bis zwei Jahren der Fall sein. Bis dahin heißt es für Andersdenkende den Kopf einziehen und das Maul halten, wollen sie nicht selbst zur Zielscheibe werden und ihre bürgerliche Existenz aufs Spiel setzen.