Schon vor 20 Jahren vertrat der Sozialwissenschaftler Wolfgang Pohrt die Auffassung, dass die von Medien und Teilen der Politik angeheizten Diskurse über Rassismus dazu instrumentalisiert würden, um Probleme der sozialen Ungleichheit zu verschleiern. Damals konnte Pohrt noch nicht abschätzen, was noch kommen würde. Denn betrachtet man die politische Kultur der Gegenwart, so zeigt sich, dass sich die Anzahl der Debatten, die geschickt vor soziale Problemgruppen und -Zonen geschoben werden und diese unsichtbar machen, vervielfacht hat.

Poststrukturalistische Sprachpartikel

Identitätspolitische Themen wie Feminismus, LGBTQ+, Antirassismus und eine immer voluminöser werdende Fülle von weiteren Opfer-Narrativen legen sich wie Mehltau über die gesamte Zivilgesellschaft und kleistern alle Kommunikationskanäle zu, durch die noch irgendetwas über gesellschaftliche Gruppen, die arm an ökonomischen, sozialen und Bildungskapital sind, an die Oberfläche der Medienlandschaft dringen könnte.

Diese überwertige Repräsentanz der genannten Nischenthemen wird noch durch eine hysterische Klimadebatte und eine ebenso aufgebrachte Kontroverse über das Flucht- und Asylthema verstärkt.

Initiiert und am Kochen gehalten werden alle diese Diskussionen von einer universitären Elite, die ständisch borniert und verächtlich auf die Masse der Normalos aus den Mittel- und Unterklassen herabblickt. Wer heute nicht glaubhaft vermitteln kann, dass er die verstiegenen, überspannten und rätselhaften Texte einer Judith Butler, eines Jacques Lacan oder eines Jacques Derrida verstanden hat und bereitwillig deren Intentionen Gefolgschaft leistet, wird von einem Redeschwall, der aus poststrukturalistischen Sprachpartikeln besteht, aus dem legitimen Diskurs hinaus und direkt in die rechte Ecke hineingedrängt.

Linksorientierte Kaste

An den Universitäten haben in den letzten 20 Jahren radikale Gruppen das Kommando übernommen. Der von ihnen geführte aggressive Diskurs artet immer wieder in regelrechte Hetzjagden auf Andersdenkende aus. Wie die Mehrheit der Deutschen, die – nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach – glaubt, dass man heute nicht mehr gefahrlos sagen kann, was man sich denkt, ist auch die überwältigende Mehrheit der österreichischen Studierenden aus der Politik geflüchtet. An den letzten ÖH-Wahlen beteiligten sich gerade einmal noch 15%. Der verantwortliche Bildungsminister hüllt sich zu dieser demokratiepolitischen Katastrophe in Schweigen und lässt die linksradikalen Wahlgewinner mit fetten Budgets aus Zwangsgebühren weiter gegen den Willen der schweigenden Mehrheit regieren. Eigentlich ein Skandal.

Ihr wahres Gesicht zeigt die elitäre linksorientierte Kaste aber immer wieder in der toxischen Szenerie der sozialen Medien, insbesondere auf Twitter. Dort tobt sie nun schon seit Jahren wutentbrannt, weil das Volk nicht so wählt, wie sie es gerne hätte. Trotz Dauerfeuer fast aller Medien aus allen Rohren steht die ÖVP solide bei 35% und auch die FPÖ hält, trotz hinterhältiger Ibiza-Falle und dazugehörigem Untersuchungsausschuss-Kasperltheater, bei 19%. 54% der Wahlberechtigten erteilen also einer Linkskoalition aus SPÖ, Grünen und Neos eine deutliche Abfuhr.

Hier bleibt einem die Spucke weg

Die ständige Zurückweisung durch den Souverän hat die Wortführer der Linken verbittert, aggressiv und bösartig werden lassen. Letzter Skandal diesbezüglich eine unglaubliche Entgleisung, die sich eine Schlüsselfigur der linken Szene auf Twitter geleistet hat. Auslöser ein 15minütiges Gespräch, das der Bundeskanzler mit den Eltern eines Mädchens geführt hat, das Opfer einer vierköpfigen Meute zivilisatorisch komplett entgleister afghanischer Flüchtlinge wurde. Der Fall schlägt deshalb so hohe Wellen, weil hier ein Kind unter Drogen gesetzt, mehrfach vergewaltigt, zu Tode gebracht und am Ende wie ein Stück Müll auf offener Straße liegengelassen wurde. Dazu der Kommentar des Sprachrohrs der linken Twitter-Gemeinde: „Jene Eltern, die ihre Aufsichts- und Fürsorgepflicht sträflich vernachlässigt haben, erlangen jetzt ihren 15-Minuten-Ruhm über die Leiche ihrer Tochter.“

Hier bleibt einem normalen Menschen die Spucke weg. Einer Familie, der das völlig verantwortungslose Agieren der österreichischen Asylindustrie und von politischen Parteien, die noch immer die Abschiebung von Gaunern und Verbrechern nach Afghanistan aus „humanitären Gründen“ verhindern, ihre Tochter genommen hat, wird nun auch noch provokant und hämisch die Schuld für deren Tod angelastet.

Wer ein wenig mit Jugendsozialarbeit vertraut ist, der weiß, dass es bei Kindern im Alter des Opfers häufiger als man denkt vorkommt, dass sie allen Sozialisationsinstanzen entgleiten, immer wieder von zu Hause ausreißen und vorübergehend ein nicht altersadäquates Verhalten zeigen.

In einer Gesellschaft, in der Legislative und Exekutive nach der wichtigen Einsicht handeln, dass man Kapitalverbrechen sowohl durch Interventionen der sozialen Arbeit als auch durch konsequentes polizeiliches Durchgreifen verhindern kann, haben Jugendliche die Chance, nach einer solchen devianten Episode wieder in ein normales Leben zurückzukehren.

Twitter-Linke

Auf einem Kontinent hingegen, wo man nicht in der Lage ist, die Außengrenzen konsequent für Asylbetrüger dicht zu machen, wo man es nicht zustande bringt, Aufnahmezentren in Drittstaaten zu installieren und nicht einmal willens ist, Drogendealer und Gewaltverbrecher konsequent abzuschieben, dort kann eine solche Pubertätskrise den Tod bedeuten, wie der vorliegende Fall zeigt. Und am Ende bewerfen Radikale die Eltern des Opfers auch noch mit Dreck. Eigentlich grauenhaft, bösartig und mitleidlos. Besser hätten die überwiegend akademischen Twitter-Linken ihre Verachtung und Geringschätzung für normale leidgeprüfte Menschen nicht demonstrieren können.

Der Jugendforscher und eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier untersucht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Lebenswelt der Jugend und ihr Freizeitverhalten. Er kennt die Trends, vom Ende der Ich-AG bis zum neuen Hedonismus und Körperkult, bis zu Zukunftsängsten im Schatten von Digitalisierung und Lockdown. Heinzlmaier ist Mitbegründer und ehrenamtlicher Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung. Hauptberuflich leitet er das Marktforschungsunternehmen tfactory in Hamburg.