Die SPÖ ist jene Partei, die sich seit Jahren selbst im Wege steht. Und wenn ihr trotzdem etwas gelingt, dann räumt sie das mit ihrem breiten sozialpartnerschaftlich gut genährtem Hintern wieder ab, was sie zuvor in mühevoller monatelanger Kleinarbeit aufgebaut hat. Warum das so ist? Ganz einfach, weil es dieser Partei an geistiger Substanz, qualifiziertem Personal und innerem Zusammenhalt fehlt. Die SPÖ, früher einmal eine politische Organisation, die sich ihrer Geschichte bewusst war und mit klaren Zielen Gegenwart gestalten und Zukunft planen konnte, ist heute eine Spielwiese für Rackets, das sind Beutegemeinschaften, die nach dem Prinzip „Schutz gegen Gehorsam“ funktionieren.

SPÖ in einem ähnlichen zustand wie das zerbombte Libyen

Der Begriff des Rackets wurde von Horkheimer und Adorno in die politische Theorie eingeführt. Er taucht auch einige Male in ihrem berühmten Text „Dialektik der Aufklärung“ auf und bezeichnet dort verschworene Gruppen, die ihre kollektiven Interessen zum Nachteil des Ganzen durchzusetzen versuchen. Will man einen kühnen Vergleich wagen, so befindet sich die SPÖ in einem ähnlichen Zustand, wie der von der NATO kaputt gebombte Staat Libyen, der zwischen verschiedenen Clan-Chefs aufgeteilt wurde und dessen Zentralmacht nichts weiter als eine Ansammlung von Strohpuppen ist, die über schöne Amtstitel und stattliche Einkommen aber über keinerlei Macht und Einfluss verfügen. Die mächtigsten Clanchefs in der SPÖ sind der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Während erster ein umsichtiger Machtpolitiker ist, der seine Herrschaft durch heimliche und leise Winkelzüge auf den Hinterbühnen von Politik und Verwaltung errichtet hat und dort weiterhin pflegt, tritt Doskozil in der Rolle des Charismatikers auf, der auf den medialen Vorderbühnen melodramatische und exzentrische Darbietungen zur Aufführung bringt. Mit diesen versucht er, seine Gefolgsleute emotional an sich zu binden und in ihnen die Hoffnung wach zu halten, dass sie nach seinem fulminanten Triumph im innerparteilichen Machtkampf mit der Wiener SPÖ und der Bundespartei beim Fest der Beuteverteilung großzügig mit gut bezahlten Posten für ihre Treue belohnt werden.

Für Stadtmenschen ist Doskozil zu provinziell

Zu einem gravierenden Nachteil für Doskozil könnte aber sein Provinzialismus werden. Sein Lebensstil, sein Slang aber auch seine politischen Programme und Maßnahmen sind vom Flair der ländlichen Verschnarchtheit der pannonischen Tiefebene durchwoben. So wird es ein urbanes Publikum wenig begeistern, wenn an Kinder unter dem Titel der Bildungsförderung Blockflöten und Blechtröten verteilt werden. Beispielsweise in der Metropole Wien herrscht unter den Jungen eine etwas andere Musik- und damit Instrumentenkultur. Mit Bierzeltstimmung und Humba Humba Tätarä sind die jungen Leute dort kaum in Verzückung zu versetzen. Und auch die klientelpolitische Maßnahme des Mindestlohns von 1700 netto für Landesbedienstete wird in einer Großstadt, in der die Beschäftigten mehrheitlich als Privatangestellte tätig sind, eine enden wollende Begeisterung auslösen. Natürlich ist es verständlich, wenn Doskozil die burgenländischen Landesbediensteten hätschelt, sitzen dort ja die meisten Parteibuchleute, die oft schon seit Jahrzehnten ihren Privilegien-Status von einer Generation an die nächste weitergeben. Eine innovative Strategie im Umgang mit dem öffentlichen Dienst wäre wohl eher dessen Verschlankung als dessen Mästung, aber das werden dem burgenländischen Landeshauptmann dann seine präferierten pinken Koalitionspartner bei Gelegenheit sicher erklären.

Wunsch nach rot-pink-grüner Koalition besonders abstrus

Dass Doskozil eine politische Kippfigur ist, zeigt nicht zuletzt sein etwas abstruser Wunsch, mit den Grünen und Pinken eine Koalitionsregierung auf Bundesebene zu bilden. Diese Bestrebung trägt uns gerade der Mann vor, der noch vor ein paar Tagen die Aufrüstung des Grenzschutzes gefordert hat, weil in seinem Bundesland wöchentlich 1000 illegale Migranten die Grenze überschreiten. Mit den Neos und den Grünen wird er dann weniger über Grenzbefestigungen als über Willkommensfeste und einen freien Fluchtkorridor bis direkt nach Wien zu diskutieren haben, wo dann Michael Ludwig und die Seinen den Ansturm finanziell und organisatorisch bewältigen dürfen. Und die geschätzten zwei Milliarden Euro, die der Zustrom der überwiegend muslimischen und nordafrikanischen Migranten jährlich kostet, darf er dann auch den unter Inflation und Ausländerkriminalität leidenden Landsleuten erklären. Viel Spaß dabei.

Pro-Doskozil-Lager in Steiermark und Niederösterreich

Ja, Doskozil hat seinen Traum von SPÖ-Vorsitz und Kanzlerschaft noch lange nicht aufgegeben. Und er sammelt durch den permanenten „Gedankenaustausch“ mit anderen Genossen Mitverschwörer gegen Rendi-Wagner, während sich die Bundesregierung, die Bundes-SPÖ und die Wiener SPÖ mit Inflation, Covid-Krise und der immer schwieriger werdenden Finanzierung des Pensions- und Gesundheitssystems herumschlagen. Die Steiermark hat er offenbar schon völlig auf seine Seite gezogen. Vor allem der noch immer gekränkte Max Lercher, seinerzeit wegen einer inferioren Performance völlig zurecht von Rendi-Wagner aus der Bundesgeschäftsführung entlassen, ist dort die treibende Kraft. Der enge Freund des burgenländischen Landeshauptmannes hat in der steirischen SPÖ dafür gesorgt, dass die Funktionäreschaft stramm an Doskozils Seite stehen wird, wenn er Rendi-Wagner den Fehdehandschuh hinwirft. Aber auch in Niederösterreich formiert sich langsam die Pro-Doskozil-Front. Es ist vor allem das Polizei-Racket um Franz Schnabl und Reinhard Hundsmüller, das dort für den Burgenländer Stimmung macht.

Das Doskozil-Lager wird das Nachsehen haben

Doskozil, dessen Handeln von tiefsitzenden Ressentiments gegen Rendi-Wagner getrieben ist, die durch das jahrelange Hinunterschlucken von Ärger und Groll, die ihm die Frau an der Spitze der Partei verursachte, entstanden sind, sammelt Gleichgesinnte um sich, die ähnliche Erniedrigungen wie er erlitten haben und ebenso wie er vor Feindseligkeit gegenüber der Parteivorsitzenden beben. Einer davon ist Christian Kern, der seiner ehemaligen Weggefährtin wohl niemals verzeihen wird, dass sie sich von ihm abgewendet hat. Den eitlen Ex-Bundeskanzler hat Doskozil auf seine Seite gezogen, indem er ihn zum Wirtschaftsberater des Burgenlandes erhoben hat. In der Rolle des Wirtschaftsexperten hat Kern für den Landeshauptmann in den letzten Monaten brav den Weihrauchkessel geschwungen. Kern ist der erste Wirtschaftsexperte, der seine Expertise durch ein Studium der Politikwissenschaft mit anschließender Berufspraxis in parteipolitisch vergebenen Positionen bei Verbund und ÖBB erworben hat.

Während Doskozils provinzielle und verbitterte Ranküne abläuft, sitzt Michael Ludwig mit Doris Bures in Wien, zählt und ordnet seine Truppen, führt ab und zu ein Telefonat mit diesem und jenem, und am Ende wird Rendi-Wagner die SPÖ in den nächsten Wahlkampf führen, und Hans-Peter Doskozil und sein Racket der Verletzen und Leidenden werden weiterhin ihre Zeit im Abseits verbringen, und zwar sehr lange, denn die gemeinsame Regierung von Pamela Rendi-Wagner, Beate Meinl-Reisinger, Leonore Gewessler und Sigi Maurer wird kein flüchtiges Ereignis sein.