In den letzten Jahren wurde ich immer wieder gefragt, warum ich noch Mitglied der SPÖ bin. Offen gesagt, einen triftigen Grund zu nennen, ist mir von Jahr zu Jahr schwerer gefallen. Seit der völlig inhaltsleere und intrigante Kampf um den Parteivorsitz – ein Festspiel des Narzissmus – begonnen hat, der vom ichsüchtigen Burgenländer und seinem rachgierigen Anhang vom Zaun gebrochen wurde, fällt mir überhaupt keine sinnvolle Begründung mehr ein. Warum ich noch SPÖ-Mitglied bin? Ich weiß es nicht. Möglicherweise eine nostalgische Reminiszenz.

Eingetreten bin ich in die SPÖ im Jahr 1983. Ich musste, weil ich in den Vorstand des VSStÖ Wien gewählt wurde. Der Beitritt war Pflicht für einen Funktionsträger der sozialistischen Studenten. Der Parteibeitrag ist der monatliche Obolus, der für eine lebenslange Obsorge-Beziehung abzustatten ist. Du gehörst jetzt zur Familie, wurde gesagt.

Meine aktive Zeit in der SPÖ empfinde ich heute als verlorene Zeit. Weil man in jungen Jahren glaubt, Lebenszeit im Übermaß zur Verfügung zu haben, geht man verschwenderisch mit ihr um. Im Alter sieht man dann, was man leichtfertig verschenkt hat und nun unwiederbringlich verloren ist. Es hat keinen Sinn, sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit zu begeben. Es führt zu nichts und macht nur melancholisch.

Mit Vranitzky hat Abstieg der SPÖ begonnen

Zumindest gab es drei Personen, die ich in der SPÖ kennengelernt habe, die einen Teil des leichtfertigen Zeitopfers rechtfertigen. Es waren Bruno Kreisky, Fred Sinowatz und Peter Schieder. Der Erste war zwar mieselsüchtig, aber ein intellektueller Titan, der Zweite ein bodenständiger und gleichzeitig feinsinniger Mensch ohne Allüren und der Dritte, was in der SPÖ äußerst selten ist, ein Mann mit Herzensbildung. Ich durfte dabei sein, als Kreisky in seinem Wohnzimmer mit allen sozialistischen Ministern der damaligen Regierung abgerechnet hat, ausgenommen wurden nur Fred Sinowatz und Alfred Dallinger. Und Franz Vranitzky war ihm ein Gräuel.

Mit Vranitzky hat der Abstieg der SPÖ begonnen. Die Partei wurde zu einem geistlosen progressiv-liberalen Hohlgefäß mit artig-bürgerlichem Äußeren, betrieben von ein paar kleinbürgerlichen Bankbeamten. Manager kann man die Angehörigen des Vranitzky-Rackets nicht nennen, da sie allesamt in ihren Instituten auf Parteiposten herumgesessen sind, bevor sie zum Unglück der kleinen Angestellten und Arbeiter ins Bundeskanzleramt einzogen. Ohne Partei wäre keiner dieser Leute jemals auf einem Vorstandsposten gelandet. Vranitzky hat sich als Antifaschist inszeniert, nicht weil ihm der Antifaschismus am Herzen lag, sondern weil er mit seiner Hilfe trotz seiner rechten Politik gut wahrnehmbar links blinken konnte. Hinter der pathetischen Gedenkfolklore ließ sich die kritiklose Hinnahme der beginnenden folgenreichen Deregulierung der Finanzmärkte und die Untätigkeit gegenüber der explodierenden sozialen Ungleichheit gut verbergen. Heute ist die SPÖ personell ausgezehrt, strukturell sklerotisch, theoriefrei und überdies sitten- und stillos. Letzteres offenbart die perfide Polemik des Wiener Bürgermeisters über Doskozils Kehlkopfleiden. Bösartiger rhetorischer Klamauk ohne Herz. Übernimmt nun Doskozil die SPÖ, wird diesem abgründigen Zustand noch ein hölzerner Provinzialismus hinzugefügt. Lercher, Hergovich, Schnabl und andere Unterstützer aus den Bundesländern zeichnet ein bauernschlauer Machtinstinkt aus. Sie treibt ein einfältiger Narzissmus. Idealistische oder moralische Beweggründe oder gar stilistische Raffinesse sind ihnen fremd.

Dass sich Doskozil Christian Kern ins Team geholt hat, ist ein überzeugender Beleg dafür, dass die Doskozil-Gruppe keine altruistischen oder gar gemeinwohlorientierten Motive verbindet. Vielmehr zeigt das Zusammengehen der beiden, dass wir es mit der Kooperation von gegensätzlichen Typen, einer ruralen Holzfällernatur und eines urbanen Dandys, die sich auf dem Egotrip befinden, zu tun haben. Was diese Beutegemeinschaft zusammenhält, ist einzig allein der Glaube, dass man mit Hilfe der Gruppe eigennützige Ziele besser erreichen kann als alleine. Hat dann jeder sich seine Taschen gefüllt und eine ansehnliche Position erreicht, wird ein Hauen und Stechen losgehen, wie es die Geschichte der zweiten Republik noch nicht erlebt hat. Die politischen Mitbewerber können sich schon jetzt Popcorn und Bier besorgen. Das kommende Spektakel wird eine einzigartige Mischung aus Grausamkeit, prinzessinnenhaften Launen und pannonischem Riesengepolter sein. Am Ende der Farce wird die Erkenntnis stehen, dass linke Politik zur sophistischen Manipulationstechnik herabgekommen ist. Sie will nicht mehr mit Argumenten überzeugen, sondern mit einer Personality-Show Menschen verführen – Politik der Gefühle eben. Von der Doskozil-Truppe wird nichts zurückbleiben, als eine weitere Desavouierung der postmodernen Politik als eigennütziges Machtspiel.

Doskozil ist eine Mogelpackung

Dass Doskozil nichts anderes im Sinn hat als die Macht und ihm nichts an der Rückholung der in der Zwischenzeit zur FPÖ abgewanderten roten Kernwählerschaft gelegen ist, hat er uns an jenem Tag geoffenbart, als er die Zusammenarbeit mit FPÖ UND ÖVP ausgeschlossen hat. Damit ist nun klar dargelegt, Doskozil will die Ampel. Das hätte ich davor, ganz ehrlich gesagt, nicht für möglich gehalten. Was Doskozil damit in die Wege leitet, ist die Politik, die wir jetzt in Deutschland vorgeführt bekommen. Dort werden im Augenblick die Bedürfnisse der normalen Menschen den Interessen von zwei Klientelparteien, den Grünen und der FDP, geopfert. Beide Parteien sind ohne soziale, kulturelle und nationale Sensibilität. Auch die österreichische Ampel wird grüne Mobilitätspolitik gegen die kleinen Leute, Habeckschen Heizungsterror, systematische Sabotage des europäischen Grenzregimes, freie Fluchtrouten und weitere Flutung des Landes mit Flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien, Irak, Somalia, Tunesien und Marokko, Kriegshetze im Stile Baerbocks, Aufweichung der Neutralität, Ausländerwahlrecht, ausufernde Klimahysterie und Fortsetzung der Überdotierung des elitären Österreichischen Rundfunks bedeuten.

Die Sache ist ein klarer Fall, Doskozil ist eine Mogelpackung, ein Chamäleon, das jenseits von Gut und Böse lebt und deshalb immer die Farbe annimmt, die gerade für die Erreichung seiner persönlichen Ziele opportun ist. Einmal rot, einmal blau, dann wieder Grün, am Ende vielleicht Pink? Wir wissen es nicht. Klar ist nur, dass seine Wähler einem Spieler ihre Stimme übergeben, die dieser, je nach seinen Befindlichkeiten und Launen, für dies oder für jenes verwenden wird. Was die Österreicher wollen, wissen wir aus der Forschung sehr genau: Verteidigung der Neutralität, Sicherung der Grenzen, Kampf gegen Teuerung und Inflation, Bekämpfung der Armut, Beschränkung der Zuwanderung, Beschleunigung der Asylverfahren und konsequente Abschiebung von Nicht-Asylberechtigten. All das wird es mit einem Doskozil nicht geben, der von den beiden grünen Sirenen Gewessler und Maurer zuerst geschickt umgarnt und dann ins Verderben gerissen werden wird. Denn Doskozil ist nicht der listenreiche Odysseus, er ist eher dem unbeholfen polternden Karl Nehammer ähnlich, der sich durchsetzungsstark bei staatstragenden Reden inszeniert, um sich dann am Ende aber doch immer wieder von ein paar ausgefuchsten Grünen zum Frühstück verspeisen zu lassen.