Ein großer Vorteil, den Politiker in hohen Funktionen haben, ist, dass sie den größten Unsinn sagen können und trotzdem dafür beklatscht werden. Das hängt einerseits damit zusammen, dass viele noch immer glauben, dass jemand, der es in der Politik zu etwas gebracht hat, wirklich außergewöhnlich gebildet und intelligent sein muss, und es deshalb ausgeschlossen ist, dass er dummes Zeug daherredet. Andererseits beklatscht man so manchen Unfug in den Reden der Mächtigen, weil man es sich nicht mit ihnen verscherzen will, man könnte ja einmal eine Intervention oder ähnliches von ihnen brauchen.

Einen neuen Höhepunkt der einfältigen politischen Phrasendrescherei hat der Vorsitzende der Grünen, Werner Kogler, jetzt bei der Eröffnung des Brucknerfestes in Linz erklommen, indem er das musikalische Genie Anton Bruckner mit der pubertären Idealistin Greta Thunberg auf eine Stufe stellte. Beide hätten Neues probiert und mit ihrem Denken eine Antithese zum überkommenen Alten in die Welt gebracht.

Pikant: Bruckner galt als Zwangsneurotiker

Abgesehen davon, dass Kogler jede prominente Persönlichkeit aus der österreichischen Kulturgeschichte mit Thunberg hätte vergleichen können, weil jede von ihnen auf die eine oder andere Art etwas Neues hervorgebracht hat, ist der Brucknervergleich vor allem deshalb pikant, weil Bruckner in seiner Zeit als Zwangsneurotiker und skurriler Eigenbrötler bekannt war, den ein Musikerkollege mit dem bissigen Bonmot „halb Genie, halb Trottel“ charakterisierte.

Es ist ausgeschlossen, dass Koglers Redenschreiber hier eine bösartige Spitze gegen die Leidensheilige aus Schweden hinterhältig platziert hat, der Gott die Last der Welterlösung auf die schmalen Schultern geladen hat und der, wie einst Bernadette Soubirous in Lourdes, die Gottesmutter schon längst erschienen ist und ihr tiefe Einsichten in den Lauf des Weltgeschehens eröffnet hat. Thunberg, zurückhaltend wie sie nun einmal ist, verschweigt diese Offenbarung. So viel bescheidene Größe ist nicht jedem zu eigen. Wäre Bruckner zu einer solchen heroischen Zurückhaltung in der Lage gewesen? Hätte er den göttlichen Lohn für sein tausendfach gebetetes Ave-Maria für sich behalten können? Wir wissen es nicht.

Thunberg wäre zu Bruckners Zeit niemandem aufgefallen

Was wir hingegen wissen, ist, dass es damals keine weltweit vernetzten Massenmedien gegeben hat und nicht jeder Mensch mit einem Universalempfänger namens Smartphone in der Tasche herumgelaufen ist, vermittels dem er, ob er will oder nicht, dem Geschwurbel jedes selbsternannten Welterlösers ausgesetzt ist. Bruckners religiöser Wahn ist so der Welt verborgen geblieben, bekannt wurde er nur als romantischer Komponist. Thunberg wäre zu Bruckners Zeiten überhaupt niemanden aufgefallen, weil sie über keinerlei bemerkenswerte Fähigkeiten verfügt, die über ihre von einer PR-Agentur perfekt inszenierten Rolle einer vom ökologischen Weltgewicht fast erdrückten Leidensgestalt hinaus geht.

Insofern ist Thunberg ein Symbol unserer Zeit, in der massenhaft mehr oder weniger leere Hüllen durch den Äther taumeln, die außer einer emotional aufgeladenen Meinung über keinerlei herausragende Fähigkeiten und Eigenschaften verfügen. Diese sogenannten „Influencer“ spielen eine Rolle, die von Kommunikationsexperten konzipiert und ihnen übergezogen wird. So ist das zur Realität geworden, was der deutsche Soziologe Josef Früchtl eindrucksvoll auf den Punkt brachte – es gibt heute keine Manager mehr, sondern nur mehr Laienschauspieler, die die Rolle von Managern spielen, Politiker, die die Rolle von Politikern spielen und Experten, die die Rolle von Experten spielen. Und pubertierende Jugendliche, die die Rolle von Volkstribunen spielen. Entweder wurden diese Rollen vom eigenen Narzissmus oder von Agenturen geschaffen. Künstlich sind sie allemal.

Aber Kogler war nach seiner Erhebung eines offensichtlich in einer veritable Pubertätskrise steckenden Mädchens zum Genie, in der die Kindheitsideale zersplittern und die Jugendlichen vor der drängenden Aufgabe stehen, sie durch neue Ideale zu ersetzen, noch nicht am Ende seiner Rede.

Regierungsarbeit für Weltuntergang-Dystopiker

Er schwang sich noch zu einer irritierenden Reflexion über das Subjekt der Demokratie auf, indem er feststellte, dass es eine besondere Qualität politischer Repräsentation wäre, sich den Auftrag nicht nur vom Wähler, sondern auch von der Zukunft zu holen. Nun wissen wir als aufgeklärte Europäer, dass die Zukunft für den Menschen unverfügbar ist und genauso wie die Vergangenheit ein von persönlichen, Gruppeninteressen und gegenwärtigen Wertvorstellungen geprägtes Konstrukt ist. Wenn Kogler also nicht an die Zukunftsschau vermittels Magie oder Horoskopen glaubt, was zu hoffen ist, so sagt er uns, dass er die Zukunftsvorstellungen einer politisch versponnenen links-ökologischen Kleingruppe zur Grundlage seiner Regierungstätigkeit macht.

Und ich als Naivling habe immer geglaubt, Politikern und Parteien geht es um die Verwirklichung des Wählerwillens. Jetzt höre ich, dass es im Falle der Grünen um die Verwirklichung der Zukunftsfantasien von Klimahysterikern und ökologischen Weltuntergang-Dystopikern geht. Interessant wäre es nun, eine Partei zu finden, die sich nicht an ihren normativen Vorstellungen von der Welt, sondern an deren tatsächlichem Sein und an der Wählerschaft orientiert. Ich befürchte, ich bin zum weiteren Dasein als Nicht-Wähler verurteilt.