Vor einigen Tagen wurde ganz in der Nähe unseres Wohnortes eine Radfahrerin von einem LKW der Stadt Wien überfahren und getötet. Ein tragischer Unfall, ein bestürzendes Ereignis. Alle Anwohner sind bis heute erschüttert. Jetzt steht an der Unfallstelle ein sogenanntes „Ghost Bike“, ein weißes Fahrrad. In einem beigefügten Propaganda-Plakat informiert uns eine anonyme Initiative nicht nur über ihre Trauer, sondern auch über ihre Wut und ihren Zorn wegen der unzureichenden Fahrrad-Infrastruktur der Stadt Wien.

Abgesehen davon, dass ich dieses Wut-und-Zorn-Gerede nicht mehr hören kann, mit dem manche, vor allem links-alternative Menschen, ihre unwillkürlichen Gefühle, die kommen und gehen, ob man will oder nicht, als eine besondere Existenzleistung inszenieren, zeigt sich hier wieder einmal, wie unverschämt heute das Unglück und die Tragik der menschlichen Existenz ohne Scham von politischen Interessensgruppen missbraucht werden. Und es zeigt sich zudem, dass jedes zufällige Ereignis des menschlichen Alltags sofort als Versagen des Kollektivs interpretiert und thematisiert wird. Der narzisstische postmoderne Mensch kann offensichtlich nicht mit den tragischen Zufällen des Lebens umgehen, braucht für alles sofort einen Schuldigen und bildet sich offensichtlich allen Ernstes ein, dass es im Vermögen von Staat und Gesellschaft läge, das Leben so zu organisieren, dass Risiko, Zufall und unerwünschte Tragödien ein für alle Male ausgeschlossen sind.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem augenblicklich grassierenden Expertenunwesen was die Covid-19-Krise betrifft. Vor allem Virologen, die ihr ganzes Leben im Labor mit der Arbeit mit Stoffen verbringen, die in bestimmten Kombinationen eindeutige und charakteristische Reaktionen hervorrufen, glauben über ein unhintergehbares Wissen zu verfügen, mit Hilfe dessen sich das menschliche Zusammenleben klar und eindeutig bestimmen und regulieren lässt. Eine Gesellschaft funktioniert aber nicht nach naturwissenschaftlichen Maßgeblichkeiten, sie ist ein kontingentes, von Zufälligkeiten beherrschtes System. Dieses System ruht auf einer Vielfalt von spontan und eigensinnig handelnden Individuen auf, man kann seinen Entwicklungsverlauf daher nur eingeschränkt vorausberechnen oder gar lenken und leiten.

"Momentum Institut" produziert Ideologien

Augenblicklich scheint es, als wäre das spontane autonome Individuum für den Expertenmainstream und linke Totalitaristen der große Skandal unserer Zeit. Was schon Lenin, Stalin und Hitler wollten, das eigensinnige Individuum in einem willenlosen und damit leicht lenkbaren Kollektiv zu ersticken, beginnt nun immer mehr als das große Ziel hinter der chaotischen und völlig inkompetenten Covid-Politik der Eliten durchzuschimmern. Galt das Individuum bisher als wichtigste Produktivkraft des liberalen Kapitalismus, so zeigt offensichtlich das erfolgreiche chinesische Modell, dass die klaglos funktionierende Masse der „Vielen“ noch eine funktionalere Grundlage für Wirtschaftswachstum und Elitenreproduktion bildet. Indem Teile der Eliten nun versuchen, das chinesische Modell auf unsere Gesellschaft zu übertragen, zeigen sie, dass ihnen das autonome Individuum niemals ein ideeller Wert war, sondern lediglich eine zweckmäßige Produktivkraft, die man nun deshalb loszuwerden versucht, weil sich eine Massengesellschaft chinesischen Typs als nützlicher zur Reproduktion von Macht und wirtschaftlichen Privilegien zu erweisen scheint.

Ein wichtiger Stützpfeiler für die Selbsterhaltung der gewerkschaftlichen und linken Eliten ist das „Momentum-Institut“. Dort wird die Ideologie produziert, die zur Erhaltung des Privilegien-Systems der Gewerkschaftsbosse eingesetzt wird. Die Gewerkschaften sind nach 1945 angelehnt an die Organisationskultur der illegal operierenden revolutionären Sozialisten aufgebaut worden. In der Illegalität sind klare hierarchische, militärische Organisationsstrukturen notwendig. Genau diese Strukturen beherrschen heute noch immer die Gewerkschaften. An deren Spitze steht, dem Politbüro der SED ähnlich, ein kleiner Führungszirkel, der in immer wieder aufflammenden Machtkämpfen Macht und Privilegien unter sich neu verteilt. Das Momentum-Institut hält sich dieser Führungszirkel zum Zweck, die „Vielen“ ideologisch an den ÖGB zu binden und die eigennützigen Intentionen der Gewerkschaftsführung zu verschleiern.

Drakonische Strafen sollen Menschen zum Impfarzt treiben

An der Spitze des Instituts steht Barbara Blaha. Sie kommt aus dem stramm linken VSStÖ und ist im Zuge der Debatte über Studiengebühren aus der SPÖ ausgetreten, hat sich aber dennoch weiterhin geschickt in ihrem Umfeld bewegt und wartet noch immer auf die Chance, in eine Führungsposition der Partei zu kommen. Einmal wäre ihr das fast gelungen, als der gescheiterte Vorsitzende Christian Kern sie zur Chefin des Renner Instituts machen wollte.

In der Findungskommission kam es zu einem wilden Tauziehen, bei dem sich der Blaha-Gegner Alfred Gusenbauer durchsetzen konnte. Blaha, ein rotes Tuch für Gusenbauer, wurde abgelehnt. Anstelle dessen wurde die linke Ideologin Maria Maltschnig aufs Schild gehoben, worauf der jetzige Wiener Bürgermeister Ludwig als Kommissionsmitglied zurücktrat. Maria Maltschnig steht so weit links, dass sie sich angeblich sogar geweigert hat, den ehemaligen deutschen Innenminister Schily einzuladen, weil dieser für sie ein Rechter ist. So viel zur Definition von rechts und links in der SPÖ.

Nach einem Zwischenspiel bei einem Verlag landete Blaha in der Obhut des ÖGB. Dort beschäftigt sie sich mit der Formulierung einer autoritären Politik für die „Vielen“, die zum Beispiel das Eintreten für eine Impfpflicht gegen Covid-19 beinhaltet. Wie in China will man offenbar, dass Leute, die Angst vor dem invasiven Eingriff haben, mit drakonischen Strafen zum Impfarzt getrieben werden.

Zweck der "Vielen" rechtfertigt jedes Mittel

Da denkt man schnell an Olaf Scholz, der als Hamburger Innensenator seinen autoritären Charakter ausleben konnte, indem er der Exekutive ermöglichte, Drogendealer, die ihre Waren verschlucken, mit einem Brechmittel zu behandeln. Der Nigerianer Achidi Johns starb bei einer Zwangsbehandlung, bei dem ihm eine Sonde zur „Beweismittelsicherung“ mit Gewalt durch die Nase eingeführt wurde.

In China sind solche Praktiken gang und gäbe. Dort rechtfertigen die angeblichen Zwecke der „Vielen“ jedes Mittel. Der Aufstieg der Abstraktion der „Vielen“ ist aber, das lehrt die Geschichte, immer das Ende des realen autonomen Individuums. Wer sich auf die „Vielen“ beruft, der verfolgt nichts anderes als die Suspension des Individuums. „Skeptisch gegenüber dem was ist, immer im Interesse der Vielen“ lautet der Wahlspruch des „Momentum-Instituts“. Tatsächlich bedeutet dies: „Skeptisch gegenüber dem autonomen Individuum, im Interesse einer am persönlichen Vorteil ausgerichteten linken Politik- und Gewerkschaftselite“.

Der Jugendforscher und eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier untersucht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Lebenswelt der Jugend und ihr Freizeitverhalten. Er kennt die Trends, vom Ende der Ich-AG bis zum neuen Hedonismus und Körperkult, bis zu Zukunftsängsten im Schatten von Digitalisierung und Lockdown. Heinzlmaier ist Mitbegründer und ehrenamtlicher Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung. Hauptberuflich leitet er das Marktforschungsunternehmen tfactory in Hamburg.