Vor allem die SPÖ, die auf eine Ahnengalerie großer Theoretiker und Denker verweisen kann, aus der Namen wie Max Adler, Otto Bauer oder Bruno Kreisky hervorstechen, hat sich schon seit Jahren von sachpolitischen Aktivitäten abgewendet und sich auf die Kunst der Intrige und der bösartigen Diskreditierung ihrer politischen Gegner verlegt und dabei erstaunliche Fähigkeiten entwickelt. Während die Altvorderen, wie der schon angesprochene Otto Bauer, mehrbändige Schriftenreihen zur Theorie und Praxis sozialdemokratischer Politik hinterließen, ist von den heutigen SPÖ-Vertretern keiner mehr in der Lage, ein politisches Buch zu verfassen. Selbst einer der letzten Intellektuellen der Partei, der Wiener Altbürgermeister Michael Häupl, hat sich bei seinem kürzlich erschienenen volkstümlichen autobiographischen Werk vom Parteijournalisten Herbert Lackner das Händchen führen lassen. Der Ehrgeiz, selbst zu denken und eigene Texte hervorzubringen, ist nicht mehr Bestandteil der roten Parteikultur.

Selbst vor Familienmobbing schreckt die SPÖ nicht zurück

Das letzte bemerkenswerte politische „Werk“ der SPÖ geht auf den Vorarlberger Abgeordneten Reinhold Einwallner zurück. Es handelt sich dabei um eine perfide parlamentarische Anfrage, in der dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer und seiner Frau unterstellt wird, Cobra-Beamte ihrer Sicherheitswache für persönliche Dienste missbraucht zu haben. Zudem wird der Vorwurf erhoben, Nehammer hätte einen im alkoholisierten Zustand von zwei Beamten verursachten Autounfall zu vertuschen versucht.

In der Anfrage, die übrigens einzig und allein einen anonymen Sudelbrief zur Grundlage hat, und der mit ihr verbundenen Medienkampagne, ist die Privatsphäre der Familie des Regierungschefs gröblich verletzt worden, selbst die Kinder des Kanzlers wurden zu Objekten der politischen Intrige gemacht. Man möchte nicht wissen, was sie in den nächsten Wochen in der Schule für Frotzeleien und Mobbingattacken über sich ergehen lassen müssen. Aber das ist dem von Silberstein für das sachgerechte Bedienen von Schmutzkanonen und Dreckschleudern gut ausgebildeten Personal der SPÖ-Zentrale völlig egal. Familienmobbing und seelische Grausamkeit an Kindern gehören offenbar zum Stil einer kulturlosen Beutegemeinschaft, der kein Preis dafür zu hoch ist, um an die Macht zu kommen.

Russophobe Hetze wird in Gang gesetzt

Ein Sittenbild der Verkommenheit und Geistlosigkeit zeigt sich auch am Umgang von Teilen der medialen und politischen Öffentlichkeit mit dem Krieg in der Ukraine. Auch hier geht es ganz offensichtlich der Mehrheit der Beteiligten nicht darum, Wege auszuloten, um der barbarischen Schlächterei auf diplomatischen Weg ein Ende zu machen. Im Gegenteil. Anstelle den Frieden anzustreben, wird munter Öl ins Feuer gegossen und zusätzlich eine russophobe Hetze in Gang gesetzt, die sich wie bei Nehammers Familie vor allem an Unbeteiligten ihr Mütchen kühlt. Und so geraten Kulturschaffende wie Anna Netrebko oder der Dirigent Waleri Gergijew ins Visier von verlogenen, von staatlichen Kulturbudgets abhängigen Moralisten, die die Künstler aus europäischen Opernhäusern und Konzertsälen hinaussäubern, weil sie sich nicht dem zur Pflicht gewordenen Abgrenzungsritual gegen die russische Kriegspolitik unterwerfen. Das ist ebenso verrückt, wie man ständig von in Europa lebenden Muslimen verlangt, sich vom islamistischen Terror zu distanzieren.

Man sollte in einem liberalen und demokratischen Staat auch den Angehörigen von Nationen oder Religionen das Recht zuerkennen, über den Irrsinn, den ihre Herkunftsländer oder Glaubensgemeinschaften anrichten, zu schweigen und sie nicht von vorneherein dem Verdacht aussetzen, dass sie mit grausamen totalitären Mächten unter einer Decke stecken. Viele Auslandsrussen, das weiß man, sind schmerzlich hin- und hergerissen zwischen der vernünftigen Einsicht, dass ihr Land gerade ein großes Unrecht begeht und ihrer innigen emotionalen Bindung an ihre Herkunftskultur. Kann man diese Leute nicht einfach in Ruhe ihren inneren Konflikt austragen lassen?

Nehammer Versuch zu vermitteln ist bewundernswert

Der öffentliche Diskurs über Russland eskaliert gerade. Hasstiraden treten an die Stelle von rationalen Analysen und maßvoller Rede. Wenn in den sozialen Netzwerken und dem Print-Boulevard Hetzkampagnen gegen Putins Töchter oder gegen seine Geliebte und die gemeinsamen Kinder geführt werden, wenn ein ukrainischer Arzt zur Kastration russischer Soldaten aufruft, wenn in österreichischen Illustrierten Karikaturen erscheinen, in denen ein Friedensaktivist Wladimir Putin wutentbrannt mit einem Protestschild erschlägt, wenn der ukrainische Pen-Club zum totalen Boykott russischer Bücher und Verlage aufruft, weil die Propaganda „Russlands und seines verbrecherischen Diktators“ in die Werke russischer Literatur „eingewoben“ und diese als „Waffen“ zu betrachten sind, und zuletzt eine Klinik in München per Aussendung damit moralisch protzt, russische und weißrussische Staatsbürger nicht mehr zu behandeln und schon vereinbarte OP-Termine abzusetzen, dann müssen in einem Menschen, der sich noch einen Funken eigenständiges Denken bewahrt hat, Zweifel darüber aufkommen, ob hier noch alle Diskursbeteiligten vollständig bei Sinnen sind.

Zurück zu Karl Nehammer. Es ist bewundernswert, wie sich dieser Mann, dessen Familie gerade von völlig enthemmten und gewissenlosen Machtpolitikern bloßgestellt, brüskiert und herabgewürdigt wird, entgegen dem herrschenden Zeitgeist, der ohne Sinn und Verstand in einen ohnehin schon völlig eskalierten militärischen Konflikt tagtäglich weitere rhetorische und militärische Brandbeschleuniger wirft, den Versuch unternimmt, zu vermitteln, indem er als erster westlicher Regierungschef auch das persönliche Gespräch mit Putin sucht. Damit knüpft Nehammer an die große österreichische Tradition einer aktiven Außenpolitik an, die unter Bruno Kreisky ihre Hochblüte hatte, und in der man bei internationalen Konflikten die vermittelnde und beruhigende diplomatische Intervention über die Beteiligung am hysterischen parteiischen Kriegsgejohle stellt.

Nehammer und Hanke setzen positive Akzente

Neben Karl Nehammer, der mit seiner mutigen Aktion – Gnade ihm Gott, wenn sie schiefgeht, die destruktive Meute wetzt schon die Messer – an Format gewonnen hat, ist auch der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke hervorzuheben. Dieser hat darauf hingewiesen, dass es jetzt wichtig sei, die Brückenfunktion in Richtung Osteuropa, die sich Österreich über Jahrzehnte erarbeitet hat, zur Friedensschaffung einzusetzen.

Nehammer und Hanke zeigen sich als verantwortungsvolle und vor allem mutige Politiker, die es wagen, gegen den von Hysterikern und verantwortungslosen Populisten angeführten Meinungsmainstream eigenständige sachliche Akzente zu setzen. Die beiden könnte man sich als Führungsduo einer erneuerten großen Koalition gut vorstellen.