„Zeitungen und Zeitschriften machen mich gereizt. Will sie überhaupt nicht mehr lesen.“ Dieses auf Lew Tolstoi zurückgehende Zitat ist besonders für jene gut nachvollziehbar, die beruflich gezwungen sind Tageszeitungen und Magazine zu lesen. Und dabei hatte Tolstoi noch den riesigen Vorteil, dass es zu seiner Zeit noch keine Kommentarfunktion gab, durch die heute jeder Leser seine Gedanken am Ende eines Artikels hinzufügen kann. In der Regel sind es Gedanken, vor denen man sich zurecht fürchtet. Wie Twitter sind die Foren der Medien die sprachlichen Jauchegruben unserer Tage. Was dort zum Besten gegeben wird, ist der mitteleuropäischen Zivilisation unwürdig und trägt genau nichts dazu bei, die öffentliche Debatte tiefsinniger, kritischer und niveauvoller zu machen.

Die Opposition hat kaum andere Fähigkeiten als die zur politischen Intrige

Als besonders grauenerregend sticht dabei in letzter Zeit das Standard-Forum hervor. Angeblich ist ja diese Tageszeitung der Online-Treffpunkt der hochgebildeten Eliten mit Lebensart und Stil, so stellt es der Standard zumindest in seiner Werbung um Anzeigen dar, die wohl nicht so zahlreich wie notwendig eintreffen.

Letztens berichtete die immer ein wenig intellektuell hochnäsig daherkommende „Zeitung für Leser“ über die Aussage der karrenzierten Korruptionsstaatsanwältin Linda Poppenwimmer vor dem ÖVP-Untersuchungsausschuss, dessen Existenz einzig darin gründet, dass im Parlament eine Opposition sitzt, die kaum andere Fähigkeiten hat als die zur politischen Intrige. Programmatisch ist bei SPÖ und Neos ja nichts los, außer, dass der SPÖ ab und an der ÖGB ein paar hölzern formulierte Anträge ins Parlament mitgibt, in denen von warmen Eislutschern geträumt wird und die Neos ihre parlamentarische Kollegenschaft redundant mit der alten Kamelle vom perfekten Markt vollquatschen, der von ihnen als eine Art immanentes intelligentes Design verstanden wird und alle Probleme der Menschheit lösen könnte, würde man ihn nur frei und unbegrenzt wirken lassen.

Das Gendergeschwätz der Linken ist nichts anderes als funktionaler Prügel

In diesem als Ausschuss getarnten Ablenkungsmanöver von der oppositionellen Unfähigkeit zur Politik hatte nun Frau Poppenwimmer der WKStA vorgeworfen, ein Haufen infantiler mediengeiler Kasperln zu sein, dem es an Objektivität ermangle. Eine solche Aussage widerspricht nun dem Helden-Narrativ, welches die gleichgeschalteten Mainstreammedien von ORF über Falter bis hin zum Standard über die WKStA verbreiten und das wieder brachte die linke Standard-Wut-Community, die ja sonst gerne ihre wokeness inszeniert und feiert, zu einem derben Ausbruch an Sexismus und Frauenhass, der wohl noch lange seinesgleichen suchen wird.

Die Form, in der die natürlich anonymen linken Feiglinge Frau Poppenwimmer angingen, wird idealtypisch durch den derben Kommentar des Lesers „Puuutputput!“ zum Ausdruck gebracht. Er postete: „Sind Aussagen der Frau F***enstöhner gegen die WKStA wirklich relevant? Befangener geht es wohl nicht mehr.“ Durch solche Postings bekommt man einen guten Eindruck darüber, dass das gesamte neofeministische Gendergeschwätz der Linken nichts anderes als ein funktionaler Prügel ist, dazu da, gegen politisch unliebsame Andersdenkende geschwungen zu werden. Die Realkultur der Linken ist ungefähr so weit von einem respektablen Verhalten Frauen gegenüber entfernt, wie die von Bauarbeitern und Kanalräumern der 1950er Jahre.

Karl Marx: Beim Durchsetzen von Interessen haben sittliche Prinzipien keine Relevanz

Wenn man dieserart mit dem realen Sein der linksliberalen und linksökologischen Oberpädagogen konfrontiert wird, wird einem deren ständig erhobener Zeigefinger noch unerträglicher, als er das davor schon war. Und solche Widersprüche zwischen Reden und Sein treten ständig auf, über sie wird nur von der Mainstreampresse nicht berichtet. Dass die deutsche Kriegsaußenministerin Annalena Baerbock gleich nach ihrer Berufung trotz Klimakatastrophe stolz mit dem Regierungsjet nach Paris gereist ist, poppt nur kurz einmal auf, um dann für immer in den Archiven des Schweigens der Staats- und Boulevardmedien zu verschwinden. Einer konservativen Politikerin hätte man es bis zu ihrer Pensionierung immer wieder medial aufs Brot geschmiert.

Ein anderes Beispiel. Die Partei „Die Linke“ wird gerade jetzt in Deutschland von einem Sex-Skandal sondergleichen erschüttert. Der ehemalige Partner der Parteivorsitzenden ist bei einer jungen Funktionärin des Nachts eingestiegen und hat sie so lange bedrängt, bis diese sexuellen Handlungen zustimmte. In der Zwischenzeit sind dutzende weitere Übergriffe gegen Frauen aufgekommen. Geschrieben wird darüber aber sehr zurückhaltend. Und den linksliberalen Zeitschriften, die darüber berichten, geht es wohl mehr darum, der Linkspartei zu schaden, als den betroffenen Frauen zu helfen. Hier widerspiegelt sich in den internen Grabenkämpfen der Linken die Amoralität, die dieser von Karl Marx in die Wiege gelegt wurde. Beim Durchsetzen von Interessen, so der alte Karl, haben sittliche Prinzipien keine Relevanz. Und damit ist selbst das, was sich als höchste sittliche Tat geriert, am Ende nichts anderes als Scheinmoral, ein Mittel zum Zweck zur Erreichung eines persönlichen oder Gruppenvorteils.

Arnold Gehlen: Hypermoral ist „das politisch Hässliche schlechthin“

Im Kontext der sittlichen Inferiorität der Linken begegnet uns auch das Phänomen der Hypermoral. Den Begriff hat Arnold Gehlen geprägt und er meint damit, die Ausweitung einer kleinbürgerlichen und kleinkarierten Familienmoral auf Öffentlichkeit und Politik. Öffentliche Personen und auch die Wählerschaft werden so behandelt und beurteilt, als würde eine alte Tante mit einem Zehn-Jährigen sprechen, der gerade unerlaubter Weise fünf Euro aus der Familienkasse genommen hat.

Im Zuge der hypermoralischen Landnahme wird von den Medien die ganze politische Szene nach sittlichen Petitessen abgegrast, um diese dann zu Megavergehen aufzublasen. Hat die Frau des Kanzlers einen Personenschützer in die Putzerei geschickt oder Alkohol zu trinken gegeben, hat der Ministersekretär den Altparteivorsitzenden mit einem Kraftausdruck belegt, hat der Bezirksrat der Liste HC-Strache unentschuldigt bei einem offiziellen Meeting gefehlt, hat Mandatarin X bei einer Sitzung jemanden flüsternd einen „Oarsch“ genannt – solche und ähnliche „Delikte“ geraten zur Staatsaffäre und verstellen, zum Popanz aufgeblasen, die Sicht auf die tatsächlichen Probleme der Menschen, denen sich die Politik zuwenden sollte. Die Hypermoral hat Arnold Gehlen wohl nicht zu Unrecht treffend als „das politisch Hässliche schlechthin“ charakterisiert.

Die Leute wollen praktische Lösungen für ihre Probleme und keine lächerlichen Moralpossen

Aus einer meiner aktuellen Studien geht hervor, dass die größten Probleme der jungen Menschen augenblicklich die Teuerung, der Krieg zwischen Russland und Nato auf dem Boden der Ukraine, der Klimawandel und die zunehmende Verarmung unterprivilegierter Schichten sind. Gleichzeitig misstrauen sie in bisher noch nicht dagewesener Form der Politik und den Medien. Die Leute wollen praktische Lösungen für ihre Probleme und keine lächerlichen Moralpossen und parlamentarische Intrigenspiele. Dazu bräuchte es aber eine andere Politik. Und dafür fehlt gerade das geeignete Personal.