Egal, ob jemand Befürworter oder Gegner der Kernenergie ist – eines ist mittlerweile klar: Ohne Atomstrom geht in Europa das Licht aus. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen wären gewaltig.

Es mutet grotesk an. Die größten politischen Gegner der Kernenergie, haben diese wieder salonfähig gemacht. Der nicht nur in Deutschland im Schneckentempo stattfindende Ausbau alternativer Energieformen hat einer in Europa auf dem Rückzug befindlichen Technologie neues Leben eingehaucht. Die drohende Abschaltung deutscher AKWs hat dazu geführt, dass Strom zunehmend zur Mangelware wird. Das zeigt nicht nur bei unserem Nachbarn Auswirkungen. Dort wird bereits einer der höchsten Strompreise weltweit verzeichnet. Aber nicht nur in Deutschland kann diese Planungslosigkeit zu einer prekären Lage für Wirtschaft und Gesellschaft führen. Wie kam es dazu?

Da Nachhaltigkeit richtigerweise als wesentliches politisches Ziel erkannt wurde, wirbelte der CO2-Preis auf 60 Euro pro Tonne hoch. Das führte dazu, dass in England, Spanien, Deutschland und den Niederlanden Kohlekraftwerke zügig stillgelegt wurden. Als Ersatz wurde Gas zur Stromgewinnung eingesetzt, was wiederum den für viele Haushalte wichtigen Gaspreis explodieren ließ. Mittlerweile liegen wir bei einer Verdreifachung von Gas- und Strompreis.

Energiewende geht nur mit Versorgungssicherheit

Noch ist das Murren der Menschen leise, da die Kostensteigerungen noch nicht wirklich in der Börse angekommen sind. Allerdings sind wetterabhängige Solar- und Windenergie noch viele Jahre davon entfernt, die Ausfälle bei der Stromgewinnung auch nur ansatzweise zu ersetzen. Wetterphänomene haben heuer zu einem schwachen Windjahr geführt, bei Starkwind musste die Produktion aufgrund mangelnder Speicherkapazitäten überhaupt abgestellt werden.

Das betrifft auch Österreich, denn bei sinkender Stromproduktion steigt der Preis. Steigt der Preis, leiden die Haushalte und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Leidet die Industrie unseres wichtigsten Handelspartners, spüren wir das in Österreich. Eine soziale Kettenreaktion ist die Folge, der Staat wird mit Preisstützungen einspringen müssen. Bleibt die Verlegenheitslösung Wasserstoff. Laut Experten allerdings eine äußerst ineffiziente Energiequelle, schließlich bleiben im Umwandlungsprozess von Wasserstoff zu Strom nur 25 Prozent der Primärenergie übrig. Kalkuativ landet man somit bei einem Strompreis von 50 Cent pro Kilowattstunde.

Laufzeitverlängerung deutscher AKWs realpolitisch keine Option

Deutschlands jährlicher Energieverbrauch beträgt rund 2500 Terrawattstunden (TWh). Lediglich sieben Prozent davon, leisten Wind- und Sonnenergie. Somit besteht noch viel Luft nach oben. Pragmatisch gesehen, wäre somit eine Laufzeitverlängerung der sechs deutschen Atomkraftwerke (AKW) eine Option. Möglich wäre dies durch ein Vorschaltgesetz noch vor dem 31. Dezember 2021. Diese AKWs produzieren aktuell zuverlässig 64 TWh Strom und hätten somit

Auswirkungen auf Strompreis und Versorgungssicherheit. Politisch gesehen, kann diese Möglichkeit allerdings aufgrund der Regierungskonstellation außer Acht gelassen werden.

Aktive Atombefürworter

Außerhalb Österreichs und Deutschlands wird Atomenergie als eine nachhaltige Energiequelle gesehen. Frankreich plant die Technologie mit einer Milliarde Euro zu unterstützen, der britische Konzern Rolls-Royce kündigte während des Weltklimagipfels in Glasgow den Bau kleinerer AKWs an. Daran wird auch in den USA und China geforscht, konzipiert und gebaut.

Seit Tschernobyl (1986) veränderte sich die weltweite Zahl von etwas mehr als 400 AKW kaum. In den letzten 20 Jahren entstanden 95 neue AKW, demgegenüber wurden 98 stillgelegt. Aktuell sind 53 AKW im Bau, 18 davon in China. Global gesehen, stammen rund 10 Prozent des Stroms aus Kernenergie, starke Befürworter dieser Industrie sind USA, China, England und Frankreich. Zudem ist Atomenergie Teil der Taxonomie. Darin schreibt Brüssel die förderungswürdigen Formen nachhaltiger Energiegewinnung fest. Das bedeutet, Strom aus den AKW wird günstiger, weil Investoren günstiger investieren können. Während Atomstrom auch bei Dunkelheit und Windstille verlässlich Strom liefert, hakt es beim Bau der AKWs. Kaum ein Projekt, dass Bauzeit und Kosten nicht deutlichst überschritten hätte.

Trend Kleinreaktoren

Aktuell forschen Ingenieure an Minimeilern, sogenannten Small Modular Reactors (SMR). Das ist auch der Weg, Frankreichs Emmanuel Macron und Unternehmen wie Rolls-Royce einschlagen möchten. Statt Reaktoren mit 1,3 Gigawatt Leistung ist das Ziel, Kleinreaktoren mit rund 470 Megawatt zu bauen, die mit einem Zehntel der Fläche auskommen und nur rund 2 Milliarden Pfund kosten sollen. Geplantes Startjahr: 2031.

Geforscht wird auch noch weiter entfernt im Westen. Die US-Regierung fördert ein Start-up in Maryland mit 80 Millionen Dollar, Milliarden könnten folgen. Auch Bill Gates, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos glauben an die Zukunft der Atomkraft. Sie alle sehen Atomenergie als entwicklungsfähige und nachhaltige Energieform. Genauso wie die Experten des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Denn in seinem jüngsten umfassenden Bericht empfiehlt dieser auf Seite 569 unter anderem eine intensivere Nutzung von Kernenergie. Das wird nicht allen gefallen.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.