Hierzulande gehört es scheinbar zum Wesen, alles besser zu wissen. Das begünstigt ein „Pandemiemanagement“, dass sich primär durch das Tragen von Scheuklappen auszeichnet. Corona wurde kleingeredet, nicht beachtet, das Setzen vorbeugender Maßnahmen über Monate schlichtweg verschlafen. Dies alles, obwohl Experten lauthals schon lange vor einem Erstarken des Virus warnten. Aber was nicht sein soll, das darf nicht sein. Die Folge: Ein gesamtgesellschaftlich katastrophales Horuck-Management, dass freitags einen Lockdown ab Montag verkündet. Dabei werden die Betroffenen nahezu sich selbst überlassen. Lehrer wussten Freitag mittags, als der Schulunterricht für Volksschüler endete, noch immer nicht, ob am Montag die Schule wieder öffnet. Und das nach zwei Jahren Pandemie.

Es bleibt im Dunklen, warum in Österreich die Pandemie so selbstgefällig „bekämpft“ wurde. Ist es Unzulänglichkeit? Überheblichkeit? Oder gar beides? Spanien, Portugal und Italien hatten bereits in der ersten Welle unter großen Opfern erleben müssen, dass der Virus kein „Virchen“ ist. Österreich hätte die traumatischen Erfahrungen der Südländer als Warnung verstehen können, COVID ernst zu nehmen. Aber auch ein ambitionierter Blick Richtung Norden hätte gereicht, um zu lernen.

Blick nach Norden

Bremen ist das kleinste Bundesland Deutschlands. 680 000 Einwohner. Mitte November eine Sieben-Tages-Inzidenz bei 115. Zu einem Zeitpunkt, als Österreich auf 1000 zuraste. Die Ursache für diesen Unterschied war hausgemacht. Denn in Bremen sind mehr als 79 Prozent der Bevölkerung bereits zweimal geimpft, bei den über 18-jährigen sind es sogar 92 Prozent. Diese auch für Deutschland rekordverdächtigen Zahlen zu erreichen, war harte Arbeit und vor allem ein gemeinschaftlicher Zugang zur Problemlösung. Politik und Wirtschaft arbeiteten eng zusammen, die Bekämpfung von Covid wurde wie ein Projekt behandelt, als man in Österreich noch meinte, der Virus würde sich schon trollen, wenn man ihn einfach nicht beachtet. In Bremen hingegen arbeiteten der 64-jährige Bauunternehmer Kurt Zech und der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) eng zusammen. Zech mobilisierte die Wirtschaft. Für ein Impfzentrum, das 10.000 Menschen am Tag durchschleusen konnte, stellten Unternehmen nicht nur das Knowhow, sondern auch das nicht-medizinische Personal zur Verfügung. Eine IT-Firma baute binnen weniger Tage eine Anmeldeplattform, ein Eventunternehmen übernahm das professionelle Management vor Ort und mehrsprachige Hotelangestellte führten Impfwillige durch den gesamten Prozess. Mehrere Unternehmen stellten einem Call-Center rund 200 Mitarbeiter zur Verfügung, wo Impftermine vergeben wurden.

Bremen: Erklären, reden, nicht verordnen

Begleitet wurde dies durch eine offene, dauerhafte und zielgruppen-fokussierte Kommunikation. Dieser zielgenaue Diskurs auf Augenhöhe scheint viele Bremer überzeugt zu haben. Insbesondere der Einsatz von mehrsprachigen mobilen Impfteams wurde dort gut angenommen, wo Sprachbarrieren die ursprüngliche Kommunikationswelle brechen ließen.

Selbstverständlich gibt es auch in Bremen Impfverweigerer. Aber bei einem Ziel von 85 Prozent zweifach Geimpften spielen diese aktuell kaum eine Rolle. Zumal bereits Drittimpfungen durchführt werden.

Für die Wirtschaft hat sich dieser freiwillige Einsatz jedenfalls gerechnet. Bremen ist aktuell von einem Lockdown meilenweit entfernt. Aber selbst, wenn dieser aus Bremer Sicht absurde Fall eintreten sollte: Bürgermeister Bovenschulte hat auch dafür schon Maßnahmenpläne bereit. Das nennt man Pandemiemanagement.

Trotz Zwangsmaßnahme Dialog nicht beenden

In dem Sinne ist zu hoffen, dass der Dialog mit ungeimpften Personen nicht abgebrochen wird, nur weil die Impfpflicht kommt. Nach wie vor ist es notwendig möglichst viele freiwillige Menschen auf diesen Weg mitzunehmen. Denn Hardcore-Impfgegner werden andere Mittel und Wege suchen, um den Stich zu vermeiden, solange es keinen „traditionellen“ Totimpfstoff gibt. Es wird verstärkt Impfverweigerer geben, die sich bis Februar bewusst anstecken, um die Impfung zu vermeiden und danach als „Genesen“ gelten. Oder Scheingeimpfte, die zwar einen grünen Pass besitzen, aber nie ordnungsgemäß geimpft wurden. Je weniger Menschen diese Schritte wählen, umso besser. Deshalb: Weiter informieren ist besser als jede Zwangsmaßnahme. Bremen könnte dabei nach wie vor Vorbild sein. Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn man sich an Best-Practise-Beispielen orientiert. Sondern ein Zeichen von Intelligenz.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.