Diese Woche gab es wiederholt Ärger innerhalb der Regierung. Im langatmigen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) erlaubte sich der dortige Staatssekretär Magnus Brunner öffentlich darauf hinzuweisen, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) schneller ablaufen müssen, um das Regierungsziel „100 Prozent Öko-Strom“ bis Ende 2030 zu erreichen. „Sonst war das riesige Energiepaket umsonst“, so Brunner und schlägt eine zeitnahe Novellierung des UVP-Gesetzes vor. Ziel soll sein, Projekte schneller abzuwickeln. Sofort gab es öffentliche Schelte für Brunner vom grünen Regierungspartner.

Sinkende Stromproduktion führt zu steigendem Preis

Dabei spricht Brunner eine grundsätzliche Problematik an, die in Deutschland bereits als solche erkannt wurde. Der Klimawende geht die Energie aus. Dabei hat die EU hohe Ziele gesteckt. Europas Politiker möchten, dass 40 Prozent des Stroms bis spätestens 2030 aus erneuerbaren Quellen kommt.

Doch der deutsche Ausbau dümpelt auf mehreren Ebenen dahin. Neue Windräder und Stromleitungen erzeugen Proteste bei der Bevölkerung. Jeder begeistert sich zwar für den „sauberen Strom“ aus der Steckdose. Aber eben nur für den Strom und nicht für Windräder vor der Haustür oder Felder von Solarzellen vor dem Fenster. Das war zu erwarten, denn so ein Windrad ist kein Augenschmaus. Mangelnde Begeisterung der Betroffenen wird also zunehmend zu einem wesentlichen Mitgrund, warum der Ausbau stockt. Damit startet mit der Zeit eine wirtschaftliche Dynamik. Denn der CO2-freie Strom wird ob kurz oder lang zur Mangelware. Erkennbar ist dies bereits jetzt an der Strompreisentwicklung. Die für den Großhandel bedeutsame Leipziger Energiebörse EEX (European Energy Exchange) verzeichnet mittlerweile den höchsten Strompreis seit 12 Jahren. Im Juli lag er bei 70 Euro pro Megawattstunde. Diese Preissteigerung ist Folge eines ganzen Bündels an Fehlentwicklungen, zudem treibt auch die gnadenlos heranrückende Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke den Preis. Bei unserem nördlichen Nachbarn fürchten Unternehmer bereits, dass die Klimawende am zu geringen und deshalb zu teuren Stromangebot scheitern könnte.

Zu wenige Projekte, zu viele Proteste

Ein wesentliches deutsches Problem, den Strom vom windreichen Norden in die Industrieregionen des Südens zu bringen. Denn dazu sind Investitionen in die Netzinfrastruktur notwendig, deren Fertigstellung – bei Bürgerprotesten – Ewigkeiten dauert. Es hackt also an allen Ecken und Enden: Die Erzeugung der Öko-Energie stockt, es gibt zu wenig geeignete Projekte und noch dazu fehlen die Stromtrassen. Notwendig wären 12.200 Kilometer, fertig sind 1.700 Kilometer, 700 Kilometer sind zur Umsetzung freigegeben. 

Deutschland ist aber gegenüber Österreich einen Schritt weiter: Das Problem wurde erkannt und der Diskurs darüber startet. Nicht nur angesichts der näher rückenden Bundestagswahl, wird wohl jede Partei Position dazu beziehen müssen. Das erhöht den Druck auf die Politik, durchtauchen geht nicht.

Energie als Standortfaktor

Energiekosten sind gerade für Produktionsunternehmen ein wesentlicher Kostenfaktor. Nun hat sich zwischen März 2020 und Juli 2021 der Strompreis an der Energiebörse EEX mehr als verdoppelt. Da tragen sich energieintensive Unternehmen naturgemäß mit dem Gedanken, den Standort in Länder mit einem besseren Energieangebot zu verlegen oder den Strom von woanders zu beziehen. Denn es gilt, preislich international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ausbautempo muss forciert werden

In dem Kontext hat Staatssekretär Brunner also recht, wenn er mehr Tempo einfordert. Ob eine Novellierung bei der UVP sinnvoll ist, oder andere Maßnahmen notwendig sind, ist dabei im ersten Schritt nicht so wesentlich. Wesentlich ist, die Problematik zu formulieren und in Folge einen Aktionsplan zur Zielerreichung zu kreieren. Letztendlich liegt es auch an den österreichischen Parlamentsparteien, durch begleitende Gesetzgebung das Ausbautempo zu forcieren. Sonst wird es wohl nichts mit dem Vorhaben, dass im Jahr 2030 in Österreich 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Eines ist jedoch klar: Bei einer Verkürzung der UVP wird es auch um Einschränkung von Bürgerrechten gehen. Betroffen davon wären lokale Bürgerinitiativen, die oftmals traditionellerweise den Grünen nahestehen. Also politisch eine heikle Sache.

Atomenergie am Vormarsch

Auf europäischer Ebene ist derzeit jedenfalls klar definiert, was als klimaneutraler Strom gilt. Aktuell zählt laut der Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union Atomenergie auch dazu. Deutschland, Österreich, Spanien, Dänemark und Luxemburg laufen dagegen Sturm, auf der anderen Seite stehen Frankreich, Polen, Ungarn, Rumänien, Tschechien, Slowakei und Slowenien. Man kann für oder gegen Atomkraftwerke (AKW) sein. Tatsache ist jedenfalls, dass diese Energieform in absehbarer Zukunft nicht nur unverzichtbar ist, sondern innerhalb der EU ausgebaut wird. In Großbritannien entsteht gerade eines der größten Kernkraftwerke Europas. Zudem arbeitet die Atomindustrie an neuen Konzepten Stichwort Kleinstreaktoren. Natürlich ist das Wasser auf den Mühlen der Atomenergie-Befürworter, wenn das Ausbautempo für die österreichische und deutsche Version von erneuerbarer Energie (also ohne AKW), allzu langsam von statten geht. Bleibt zu hoffen, dass der Sachpolitiker Brunner mit seinem Vorstoß einen Diskurs angestoßen hat. Ein reflexartiges Abwürgen seiner Kritik bringt jedenfalls niemanden etwas.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.