Gesundheits- und Sozialminister Mückstein braucht niemand um seinen Job beneiden. Neben dem Thema COVID muss er wohl demnächst über unser Pensionssystem nachdenken. Denn lange geht das nicht mehr gut, die Fakten zeigen alarmierende Entwicklungen. Das ist nicht nur ein österreichisches Phänomen, auch andere Länder haben damit zu kämpfen. Unterschied ist, dass dort bereits an zukunftsträchtigen Lösungen gearbeitet wird.

Generationenvertrag? Ausgelaufen

Im Vorjahr gingen rund 113.000 Menschen in Pension, genau genommen etwa 55.000 Männer und 58.000 Frauen. Das Antrittsalter lag bei 60,3. NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker drängt auf Reformen, denn „das Pensionssystem wird immer unfinanzierbarer“, so der pinke Sozialsprecher.

Mittlerweile rauschen 25 Prozent aller Ausgaben des Bundes in die Pensionszahlungen. Letztes Jahr waren es in Summe rund 21 Milliarden Euro. Jahr für Jahr erwarten uns aufgrund der demographischen Entwicklung saftige Steigerungsraten von rund fünf Prozent. Durchschnittlich werden derzeit bis zum Pensionsantritt 414 Beitragsmonate, das sind 34,5 Jahre, geleistet. Zuwenig, wenn man bedenkt, dass derzeit schon eine Frühpension mit 62 Jahren nach 45 Beitragsjahren (das sind 540 Monate) möglich ist. Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass uns demnächst beim „sozialen Klimaschutz“ zwischen den Genrationen das Wasser bis zum Hals steht. Denn es ist ganz offensichtlich, dass der Generationenvertrag durch die Demographie und Maßnahmen wie die abschlagsfreie Frühpension einseitig gekündigt wurde.

Anreize verstärken die Schieflage

13.400 Menschen entschieden sich letztes Jahr für die abschlagsfreie Frühpension. Wobei an dieser Stelle eines klar gesagt werden muss: Es ist diesen Menschen kein Vorwurf zu machen, wenn sie das Angebot annehmen. Nur in einer solchen demographischen Situation politische Anreize zu setzen, früher in Pension zu gehen, das ist mit Sicherheit der völlig falsche Weg.

Pensionszahlungen fressen zunehmend den Budgetkuchen auf

Der Budgetzuschuss ins Pensionssystem steigt jedenfalls fröhlich weiter. Sind 2021 noch 23,2 Milliarden Euro eingeplant, so steigert sich der jährliche Zuschuss dramatisch. Für das Jahr 2024 kalkuliert das Finanzministerium laut Gebarungsvorschau bereits mit 26,7 Milliarden Euro. Kurz gesagt: Die Pensionszahlungen fressen zunehmend den Budgetkuchen auf.

Baustelle Pensionsantrittsalter

Politiker wissen, mit einer zukunftsorientierten Pensionsreform gewinnt man keine Wahlen. Also wird bis zum absehbaren Kollaps geschwiegen. Deshalb versucht Loacker in seiner diplomatischen Art, das Thema bereits jetzt in Diskussion zu bringen: „Eine Reform ist unumgänglich“.

Zwar ist das Antrittsalter im Zeitverlauf moderat gestiegen, die Auswirkungen haben allerdings ungefähr denselben Wirkungsgrad wie Essigpatscherl bei einer schweren Lungenentzündung. Bei Männern stieg laut Statistik Austria das durchschnittliche Pensionsantrittsalter von 60,5 (2000) auf 63,2 (2020) Jahre, liegt aber noch immer deutlich unter den gesetzlichen Vorgaben von 65 Jahren. Bei Frauen stieg es im selben Zeitraum von 58,3 auf 60,6 und lag damit sogar über den obligaten 60 Jahren.

Deutschland? Selbes Problem, konkrete Pläne

Ein Blick über die Grenze zeigt, dass dies kein österreichspezifisches Problem ist. Wir reden von der deutschen Rente. Laut deutscher Rentenversicherung bezogen die Deutschen 1999 durchschnittlich rund 16 Jahre Rente, im Jahr 2019 waren es bereits nahezu 20 Jahre. In Anbetracht der kommenden Bundestagswahl wird die Rententhematik derzeit nur moderat angesprochen. Wobei das deutsche „moderat“ in Österreich als „hochaggressive“ interpretiert werden würde. In Deutschland muss der Bund jedes Jahr etwa 100 Milliarden Euro in das Rentenumlagesystem einzahlen. Mit deutlich steigender Tendenz. 2045 wäre dann bereits die Hälfte des Bundeshaushalts notwendig, um die Rente zu sichern.

Die Empfehlung der Experten war, das Antrittsalter bis 2050 auf mehr als 68 Jahre anzuheben. Nach einem Entrüstungssturm versuchte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet zu beruhigen: Die Rente mit 67 stehe. Damit referenziert Laschet auf das Reformprojekt des damaligen SPD (!) Sozialministers Franz Müntefering aus dem Jahr 2006. Zudem wird eine verpflichtende private Vorsorge diskutiert.

Unternehmen setzen Initiativen

Einige Firmen haben bereits verstanden, dass mit dem Pensionsantritt viel Wissen verloren gehen kann. Deshalb bieten Unternehmen willigen Mitarbeitern Arbeitsmodelle nach dem Pensionsantritt an. Das beinhaltet individuelle Teilzeitarbeitsmodelle und gleitende Übergänge. Im Übrigen sehr gerne bei Facharbeitern, die auch in der Pension etwas dazuverdienen wollen. Ideen wie Mentoringprogramm von älteren für jüngere Mitarbeiter oder Jobsharing leben Unternehmen bereits. Ein Wegfall der Zuverdienstgrenze für Rentner würde zusätzlich motivierend wirken, weiterzuarbeiten. Oder eine Abschaffung des Pensionsversicherungsbeitrags, den kurioserweise arbeitende Pensionisten derzeit bezahlen müssen.

Deutschland peilt also zumindest die Rente mit 67 Jahren an. Unser aktueller Zukunftsplan: Ab 1. Jänner 2024 wird das gesetzliche Pensionsalter bei Frauen um sechs Monate pro Jahr angehoben. Im Jahr 2033 sollen es schließlich – wie bei Männern – 65 Jahre sein. Das wird sich wohl nicht ausgehen.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.