Es wirkt wie eine Kapitulation. Geld soll Menschen dazu bringen, sich und andere zu schützen. Eine Idee, die viel Geld verbrennen soll. Denn logischerweise müssen alle, auch diejenigen die den Drittstich in den vergangenen Monaten erhielten, eine Prämie bekommen. Viel Geld, wenig Sinn, um einige Unentschlossene möglicherweise noch zur Nadel zu bringen. Denn diejenigen, die einen Sinn in der Impfung sehen, werden sich den dritten Stich noch verpassen lassen.

Die anderen, wird auch ein „Stichgeld“ nicht breitflächig motivieren. Sie regeln das anders. Wie schon vor einigen Wochen in einem Kommentar (Link) beschrieben, gibt es Menschen, die bereit sind für einen „Pseudo-Stich“ zu bezahlen. Mittlerweile wissen wir, dass dies Realität ist und zumindest im Austria Center Vienna Impfpässe (Link) verkauft wurden. Statt jetzt mit einem „Booster-Bonus“ kübelweise Steuergeld zu vernichten, wäre es effizienter das Geld für Schutzmaßnahmen in Kindergärten und Schulen Kindern einzusetzen, wie es die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz in der ZIB 2 (Link) am 7. Jänner forderte.

Unternehmen motivieren

Wirkungsvoller wäre Unternehmen zu motivieren, steuerlich absetzbare Impfanreize zu setzen. Denn Krankenstände schlagen sich in der Produktivität nieder. Bei Murauer Bier (Link) bekommen Mitarbeiter, die bis 15. Jänner dreimal geimpft werden, eine Prämie in Höhe von 365 Euro. Es ist nur zu hoffen, dass diese Prämie vollständig als Betriebsausgabe abzugsfähig ist und steuerlich nicht als „Vorteil aus dem Dienstverhältnis“ gewertet wird.

Zudem haben viele Unternehmen eine lange Tradition, Mitarbeitern gesundheitsfördernde Maßnahmen anzubieten. Schon am Beginn der Pandemie, als viele das Wort „COVID“ noch nicht richtig buchstabieren konnten und Impfstoffe weit entfernt waren, haben viele Unternehmen, wie beispielsweise der Personaldienstleister TTI, Mitarbeitern unterschiedliche Unterstützungsmaßnahmen (Link) angeboten, etwa kostenlose Grippeimpfungen. Dort wo Unternehmen und Staat gemeinsam agieren, läuft die Corona-Bekämpfung im Übrigen am erfolgreichsten, wie das Beispiel Bremen (Link) zeigt. Dort wütet gerade Omikron, die sanfte Schwester der aus der Stadt nahezu vollständig hinausgeimpften Virusvariante Delta.

Schafft Omikron die Impfpflicht ab?

Stattdessen wurde das Postulat der Impfpflicht ausgerufen. Diese polarisiert. Ob sie sinnvoll umsetzbar ist, daran steigen mittlerweile die Zweifel. Nachdem nun breitflächig bekannt wurde, dass ELGA die technischen Voraussetzungen frühestens am 1. April (!) geschaffen hat, bietet sich der Regierung nur eine gesichtswahrende Möglichkeit an der Impfpflicht zum Termin 1. Februar festzuhalten. So sollte eine „Grace period“ verkündet werden, bis ELGA die Systeme fertig programmiert hat. In der Zwischenzeit hat der Verfassungsgerichtshof zumindest zwei Monate Zeit zu prüfen, ob eine verordnete Impfpflicht unter den aktuellen Omikron-Rahmenbedingungen rechtlich hält.

Beim Krisenstab GECKO wurden auch Kommunikationsexperten angekündigt. Gut so, nur sollten diese auch die Möglichkeit bekommen, ihre Ideen umzusetzen. Denn begleitende Kommunikationsmaßnahmen sind wichtig. Dazu gehört eine mehrsprachige Kampagne auf den entsprechenden Social-Media-Kanälen und vor allem ein anderer Ansatz. Denn der Mensch ist ein nutzenorientiertes Individuum. Die entscheidende Frage, die es in einer Kampagne zu beantworten gilt, ist „Was bringt mir die Impfung?“ Dass sie einen Schutz vor Ansteckung bedeutet, hat sich spätestens mit Omikron als falsch herausgestellt und die Glaubwürdigkeit untergraben. Tatsache ist, die Impfung schützt nicht, sie hilft. Das mag zwar ein kleiner, aber kampagnenrelevanter Unterschied sein. Denn wenn immer wieder postuliert wird, „impfe Dich, dann bist Du geschützt“ und links und rechts erkranken Geimpfte, dann ist dies – höflich gesagt – irritierend. Es ist also hoch an der Zeit hier realistische Erwartungen zu kommunizieren und nicht Wunschszenarien.

Durchseuchung und Impfpflicht – ein Widerspruch?

Das in den 1940er Jahren von Shannon und Waver entwickelte Sender-Empfänger-Modell (Link) zeigt somit auch im Jahr 2022 seine zeitlose Gültigkeit: Entscheidend ist, welche Information ankommt, nicht welche gesendet wird. Die aus vielen Sätzen herausgeschälte Botschaft aus dem Gesundheitsministerium ist nun, Omikron wird jeden treffen. Das bedeutet eine schnelle Durchseuchung. Passenderweise fürchtet sich der Großteil der Bevölkerung laut einer „profil“-Umfrage (Link) nicht vor Omikron. Mittlerweile ist bekannt, dass diese Virus-Variante zwar ansteckender, die Erkrankung aber deutlich harmloser als Delta verläuft. Die Entdeckerin von Omikron, die südafrikanische Ärztin Angelique Coetzee, kritisiert in einem lesenswerten Gespräch (Link) die Panikmache europäischer Regierungen. Demnach hätten mit Omikron infizierte Personen eine verstärkte Immunität gegen die Delta-Variante entwickelt, vor allem, wenn sie geimpft waren. Dabei nähren die Erfahrungen aus Südafrika eine weitere Hoffnung. Nämlich, dass Omikron schon bald wieder Geschichte ist.

Vermutlich sind wir hierzulande also schneller aufgrund einer Durchseuchung breit immunisiert, bevor – dank ELGA – die Impfpflicht kurz vor Sommer ihre volle behördliche Entfaltungskraft erreicht. Dann stellt sich allerdings die Frage: Wozu brauchen wir die Impfpflicht vor dem erfahrungsgemäß virusentspannten Sommer? Omikron stellt somit nicht die positive Wirkung der Impfung in Frage. Eine überhastete Impfpflicht allerdings schon. Denn auch die Medikamentenforschung wird in den nächsten Monaten wieder einen Schritt weiter sein.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.