Jede Religion hatte ihre dunklen Jahre. Und zwar immer dann, wenn der absolute Anspruch entstand, der einzig wahre Glaube zu sein. Auch das Christentum wurde exzessiv missbraucht, wenn wir uns an die Inquisition oder die Konquistadoren erinnern. Das ist lange her, sollte aber nicht unvergessen bleiben. Erst mit dem Zeitalter der Aufklärung und der Regentschaft von Joseph II. (1741-1790) wurde die Trennung von Kirche und Staat erstmals langsam eingeleitet. Aber auch der Katholizismus veränderte sich im Laufe der Zeit.

Meiner Elterngeneration wurde noch der strafende Gott gepredigt, heute steht der verzeihende Gott im Vordergrund. Die katholische Kirche wurde im Laufe der Jahrhunderte tolerant gegenüber Andersgläubigen und ist für viele Österreicher nach wie vor eine wichtige Institution. Gerne berufen wir uns in Europa auf unsere christlichen Werte. Dazu gehören unter anderem Barmherzigkeit, Nächstenliebe, soziale Verantwortung oder Respekt anderen gegenüber. So haben sich die christlichen Werte historisch zu einer wesentlichen Basis unseres Zusammenlebens entwickelt.

Kirche hat eine wichtige Funktion für unsere Gesellschaft

Natürlich kann niemand mit allem einverstanden sein, was passiert. Dennoch ist die Kirche ein Wertebunker, der uns bei aller Komplexität des Lebens zu den wesentlichen gesellschaftlichen Verhaltensnormen zurückführt. Als Entschleuniger durch das Hinterfragen ethischer Entwicklungen. Als Kulturträger, der unsere gesellschaftliche Entwicklung in Europa wesentlich geprägt hat. Als außerstaatlicher Verfechter von Menschenrechten und Verstärker der Europäischen Menschenrechtskonvention. Als Korrektiv, das gesellschaftliches und damit auch das eigene Handeln in Frage stellt.

Dabei gibt es zentrale Überschneidungen mit anderen Religionen, wie dem Islam und natürlich dem Judentum. Wesentliche Bausteine christlich-sozialer Ethik sind meines Erachtens eine gemeinschaftliche Anstrengung Rassenideologien, Armut und Ungleichheit zu bekämpfen, Hilfesuchende bestmöglich zu unterstützen. Aber auch aktiv für die Glaubensfreiheit einzutreten. Zur Besinnung rufen, wenn die Töne gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften zu schrill werden. Aktiv, zu sein, wenn es darum geht, gemäßigte Kräfte in anderen Religionsgemeinschaften zu unterstützen.

Kein Platz für Extremismus

Dabei haben wir im Laufe der Geschichte bitter erfahren, dass es Verhaltensweisen gibt, die nicht geduldet werden dürfen. Hier muss die Stimme der Religionsgemeinschaften repetitiver, lauter und klarer sein. Nicht nur im Anlassfall, wenn ein „Fehlgeleiteter“ mordend durch die Innenstadt läuft. Es liegt an allen Religionsgemeinschaften in ihren eigenen Kreisen laufend daran zu erinnern, dass für radikale Elemente kein Platz ist. Diese verstärkte „interne Kommunikation“ bei den eigenen Gläubigen würde ich mir von den religiösen „Führungskräften“ erwarten. Diese Verantwortung kann den Glaubensgemeinschaften niemand nehmen.

Vom Staat können wir erwarten, dass er bei Personen, die unsere Werte mit Füssen treten, entsprechend klar entgegentritt. Denn seitens des Staates ist hier Toleranz völlig fehl am Platz. Hier gilt, was Innenminister Nehammer vor etwa einem Jahr an anderer Stelle festhielt: „Wir müssen uns als Gesellschaft und als Polizei entschlossen gegen diese radikalen Kräfte stellen. In einem Rechtsstaat wie Österreich haben wir keinen Platz für Extremismus und schreiten mit aller Konsequenz ein.“

Natürlich können Regierungen und Religionsgemeinschaften nicht im Gleichschritt marschieren. Naturgemäß gibt es Konfliktpotentiale. Denken wir an das griechische Flüchtlingslager Moria. Natürlich ist es Aufgabe eines Christen für eine kontrollierte Aufnahme Hilfsbedürftiger Menschen einzutreten. Zumindest für Kinder und deren alleinerziehenden Mütter, die im Morast von Moria dahinvegetierten. Letztendlich ist es allerdings eine politische Mehrheitsentscheidung, ob beziehungsweise wie viele Flüchtlinge geordnet aufgenommen werden können. Das muss man in einer Demokratie auch akzeptieren, selbst wenn man anderer Meinung ist. Aber dafür einzutreten – das ist eine persönliche Entscheidung.

Dass die Religionsgemeinschaften jedenfalls wichtige Multiplikatoren sind, das weiß die Regierung. Nicht umsonst hat Minister Fassmann letztens an die Glaubensgemeinschaften appelliert, für die Corona-Impfung zu werben. In dem Sinne würde ich mir ein selbstbewussteres Auftreten der Glaubensgemeinschaften wünschen. Letztendlich gibt es Werte und Haltungen, die nicht nur im eigenen Kämmerchen eingebunkert sein dürfen, sondern unser Denken weiterhin beeinflussen sollen. Diese gehören gerade in fordernden Zeiten verstärkt kommuniziert.

Er zählt in Österreich zu den besten Kommunikationsexperten. Die Rede ist vom PR-Profi und Politik-Insider Bernhard Krumpel (49). Sein Motto: „Always stay focused“. Klaren Fokus benötigte er unter anderem bei seinen komplexen Jobs für Politiker, Ministerien und Konzerne. Neben seiner Beratungstätigkeit gibt der Wirtschaftssoziologe gerne sein Wissen an Studenten weiter. Er ist Verfasser von Fachartikeln, wie etwa zur Aktionärsrechte-Richtlinie und deren Auswirkung auf die Unternehmenskommunikation, sowie Mitherausgeber von drei Buchbänden mit dem Titel „Spezialgebiete der PR“.