Bernhard Krumpel: Wir, die Bittsteller
Die Beibehaltung der kalten Progression ist ein Beispiel, wie man die Steuerzahler über Jahre mit falschen Versprechen veräppeln kann. Und sie steht dafür, dass Steuergelder lieber in Gutsherrenmanier verteilt werden, als den Menschen mehr in der Börse zu lassen. Ein Lehrstück für Politikverständnis.
Die kalte Progression ist anhand eines Beispiels leicht erklärt. Sie bekommen eine Gehaltserhöhung, welche die Inflation ausgleichen soll. Allerdings rutschen Sie damit in eine höhere Einkommenssteuerstufe und müssen somit mehr Steuern zahlen. Denn die Steuerstufen werden nicht der Inflation angepasst. So ist es unvermeidlich, dass jeder Steuerzahler irgendwann die kalte Progression zu spüren bekommt. Und zwar immer zu seinem Nachteil. Wir reden hier von einem Milliardengeschäft zu Lasten der Steuerzahler. Der Think Tank Agenda Austria hat kürzlich folgendes errechnet: „Durchschnittsverdiener, die in den vergangenen fünf Jahren nur die Inflation abgegolten bekommen haben, verdienen heute um 8,2 Prozent mehr – zahlen aber um 11,8 Prozent mehr Lohnsteuer.“
Die ewige Wartebank
Dabei wird seit Jahren zugesagt, dieses offensichtlich groteske System gerade zu ziehen und die kalte Progression durch eine Anpassung der Steuerstufen an die Inflation ganz einfach zu beenden. Ein Federstrich, den Regierungen und Finanzminister seit Jahren versprechen, aber immer wieder mit Gleichgültigkeit brechen. Stattdessen wird bereits traditionell von jeder Regierung dem Bürger die „größte Steuerentlastung aller Zeiten“ angekündigt, die sich – eben aufgrund der kalten Progression – nach einigen Jahren zu einer Mäuschenreformen reduziert. Aber darüber redet dann niemand mehr. Wie wäre es also, mit diesem gutsherrenähnlichen Verhalten aufzuhören und die Menschen gerade bei der aktuellen Inflationshöhe nicht weiter für blöd zu verkaufen? Viele verdienen ihr Geld mühsam genug und sie verdienen es, bei der Besteuerung fair behandelt zu werden.
Kalte Progression wird zur Vertrauensfrage
Nur wenige Politiker genießen bei diesem Thema noch Glaubwürdigkeit. Der Abgeordnete Gerald Loacker (NEOS) läuft beispielsweise seit Jahren unermüdlich gegen dieses System Sturm. In einem sachlich aufbereiteten Entschließungsantrag brachte der Wirtschaftssprecher der NEOS gemeinsam mit seiner Parteikollegin Karin Doppelbauer die kalte Progression wieder auf die parlamentarische Ebene: “Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen , die die Kalte Progression abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des§ 33 Abs. 1 EStG 1988 an die Inflation gekoppelt werden.” Prompt wurde dieser Antrag mit den Stimmen der ÖVP, Grüne und SPÖ abgelehnt. Die Ablehnung der SPÖ war umso überraschender, da sich kurz zuvor der Sozialdemokratie nahestehende Vertreter der Arbeiterkammer öffentlich für eine Abschaffung ausgesprochen hatten. Die Regierung hatte schon im Regierungsprogramm zur kalten Progression „klare Worte“ gefunden. Auf Seite 57 ist zu lesen: „Prüfung einer adäquaten Anpassung der Grenzbeträge für die Progressionsstufen auf Basis der Inflation der Vorjahre unter Berücksichtigung der Verteilungseffekte“. Also im Grunde das, was Gerald Loacker forderte: Überprüfen und umsetzen.
Fast wäre es soweit gewesen
Im Jahr 2017 plante die damalige SP/VP-Regierung dieses Relikt aus Gutsherrenzeiten endgültig dorthin zu verfrachten, wo es seit Jahren hingehört: ins Archiv. Zusätzlichen Zündstoff erhielt dieses Thema erst in den vergangenen Wochen durch diverse Chats, die an die Öffentlichkeit drangen. Jedenfalls gelang es der damaligen Regierungsspitze Christian Kern (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nicht, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. So sind die Steuerzahler den vermeintlich großzügigen Staatsakten ausgesetzt, in denen die jeweilige Regierung das selbst angeworfene Scheinwerferlicht genießt, auch „Steuerreform“ genannt. Fairness, Vernunft und Transparenz bleiben hingegen in der zweiten Reihe unbeachtet sitzen. Die Folgen werden wir immer deutlicher spüren, wenn sich die Inflation in diesem Tempo weiterentwickelt. Aber wir sind ja nur Bürger, Bittsteller und Zahler.
Kommentare
Das Steuersystem muss von Spezialisten und nicht von Politikern neu gelöst werden, darunter auch die Vermögensteuer, Mehrwertsteuer für Unternehmen usw.
Ein derartiges Ungleichgewicht im 21 Jahrhundert ist nicht rechtens.
Der ein hat nicht die Butter aufs Brot, der Andere weiß nicht wie er die Jacht aus der Werft bringt.
Die großen Parade-Reden der Politiker am Pult, diese sind verzichtbar, dieses Geschwätz braucht keiner!
Es geht nicht um die kalte Progression.
Dann GANZE Steuer- und Sozialversicherungssystem gehört neu aufgestellt.
Derzeit hängt sich fast alles auf dem Arbeitseinkommen auf und Menschen aus dem unteren Einkommensdrittel haben fast keine Chance, aus dem System der Almosenempfänger rauszukommen.
Und auf der anderen Seite munkelt man, dass in Ö mittlerweile 1% der ,Bevölkerung 50% des Vermögens gehören!
Warum kalte Progression ? Bei den aktuellen und künftig zu erwartenden Inflationsraten wid mir doch ganz warm ums Herz wenn ich an die kalte Progression denke. Da wird das eigentlich eine heiße Progression.
Wenn man bedenkt, das Einkommen bis 11.000 EUR steuerfrei sind, aber bei 60.000 (etwas über 5 Mal soviel) der Grenzteuersatz bereits 42% beträgt, gehört man ja damit schon zu den Superreichen.
Leider nur zu wahr, aber wie im Artikel steht, SPÖ und Grün und ÖVP …
Steuern mit Steuern!! Das wurde bei
uns schon längst abgeschafft!
Steuern so zu tarnen damit man nicht merken soll wie viel Geld in die Verwaltung und in die Öffentliche
Hand fließt! Ist das Gesammtkunstwerk😉 der SPÖ!! Mit Bruno Kreiski kamen
Die Lohnnebenkosten Abgaben für Arbeitgeber, das die das bei den Löhnen
abziehen ist wohl klar! Eine Verwaltung
die sich selbst immer mit Arbeit versorgt
in dem sie sich immer kompexere
Aufgaben sucht macht uns weder Reicher noch besser, nur alles kompliziert er und undurchschaubarer! Wir brauchen
zum Beispiel nicht mehr Juristen, wenn
wir den Zuzug stoppen!! Frau Justizia sieht das anders, gegen die Frau müsste
längst ein Volksbegehren für ihren Rücktritt laufen!! Unterwanderung
der Demokratie durch Manipulation durch die Justiz!! Ich vermute ich bin nicht der einzige der das so empfindet!!
Von der kalten Progression werden in Österreich alle besonders betroffen, deren Einkommen unter der 50% Steuerstufe liegt (derzeit €100,000 pro Jahr). Das sind die große Mehrzahl der Löhne und Gehälter und Pensionen. Bei Menschen, die weit über € 100,000 pro Jahr verdienen spielt die Verschiebung der Steuerstufen keine so große Rolle, da sowieso der überwiegende Anteil des Einkommens mit 50% besteuert wird. Bei dieser Steuerreform wurden nur die unteren 2 Steuerstufen etwas angehoben, was den Effekt hat, dass die Progression steiler geworden ist. Durch den Anstieg der Inflation und der dadurch höheren Anpassung der Löhne wird damit das Steueraufkommen deutlich höher sein und die Wirksamkeit der Steuerreform dementsprechend verringert. Zusammen mit der Erhöhung der Energiesteuern (steigende CO2Abgaben) und damit auch der MWSt auf Energie und die Erhöhung der MWst Einnahmen durch Erhöhung des Preisniveau generell (Inflation) werden viele mehr Steuern zahlen als je zuvor (trotz “Klimabonus”) und die Steuerquote wird steigen.
Vor der Wahl wollten alle Parteien die kalte Progression abschaffen! Ich würde daher vorschlagen, den Antrag auf Abschaffung beschlussreif vorzubereiten und kurz vor der nächsten Wahl nochmal einzubringen. Dann hätten das unerträglichen vorspielen falscher Tatsachen kurze Beine! Beim Beschluss der Hacklerregelung etc. mit der Milliarden verteilt wurden, hat das ja auch funktioniert. Wer in Österreich noch der Politik glaubt, ist aber ohnehin selbst schuld! Sollte tatsächlich mal eine Partei der Bevölkerung wieder reinen Wein einschenken, ich würde sie unabhängig von deren politischer Ausrichtung wählen!
Dann wäre es höchste Zeit, diesen Antrag vorzubereiten.
Dann hätte diese Regierung wenigstens einmal etwas Sinnvolles gemacht.
Oft vorgetragene Kritik hier im Exxpress. Meine Gegenrede. Kalte Progression trifft spürbar nur höhere und sehr hohe Einkommensbezieher. Es ist besser, alle 5 Jahre eine sogenannte Steuerreform zu machen, und so kleine Einkommensbezieher zu entlasten, nachdem aufgrund der gewaltigen Steuerlast/Gebühren bereits große Gesellschaftsschichten vom Netto nicht mehr das Auslangen finden. Besser wäre einmal folgendes zu thematisieren. In Österreich wird ein großer Teil der Steuern nicht Steuern, sondern Abgaben genannt, ein billiger Taschenspielertrick sozialistischer Systeme. Das führt dazu, dass man Menschen, die von ihrem Einkommen gar nicht leben können, entsprechend besteuern kann, weil Sozialabgaben ja keine Steuern sind, inklusive der Misswirtschaft in den “Sozialversicherungsträgern”, 40.000 bestverdienende Angestellte verwalten 40.000 Ärzte. Dazu kommt, dass sie indirekte Steuern wie Umsatzsteuer, Mineralölsteuer oder Stromsteuern und andere Steuern zahlen müssen. Solche Menschen sind dann wieder von Transferleistungen (Sozialleistungen) abhängig, für die diesbezügliche Administration benötigt man wieder Tausendschaften von Beamten. Das ganze System sollte einmal neu gedacht werden, und nicht nur die ewig alte Leier von der kalten Progression. Es müsste einmal klar sein, dass Menschen die derzeit 1200.- pro Monat/14mal verdienen, keinerlei Steuern bezahlen können. Allerdings wollen ja die politischen Parteien das, damit die Menschen herangekrochen kommen, um dann gegen Verkauf ihrer Wahlstimme eine Sozialwohnung zugewiesen zu bekommen. Warum gibt es solche Diskussionen nicht bei Herrn Schellhorn oder bei Frau Blaha ? Weil sie selbst von diesem System leben, heißt vom Geld, das man Menschen hier in Österreich per Imperia(Staatsgewalt) abpresst. Vielleicht lese ich auch einmal einen Kommentar darüber, welche Demokratie wir hier in Österreich haben, nachdem – ebenfalls ein sozialistische Taschenspielertrick – im Parlament, also der “Volksvertretung”, weisungsgebundene Beamten (Klubzwang) sitzen. Ich will aber als Österreicher mit schwedischen Migrationshintergrund nicht Euer schönes Nest beschmutzen, in welchem es sich die politische Kaste samt Anhang so schön eingerichtet hat.
“höhere und sehr hohe Einkommen” sind ohnehin schon in der höchsten Steuerstufe, denen ist die kalte Progression wurscht.
Ob Sie da Menschen mit höheren oder hohen Einkommen nicht falsch einschätzen ?
Falsch. Genau dort wirkt ja die kalte Progression am meisten. Die Lösung wäre aber ganz einfach. Man müsste nur alle Einkommensstufen automatisch an die Inflationsrate anpassen (der %-Satz für die Stufe kann bleiben) und schon wäre die kalte Progression weg.
In Österreich gibt es schon eine automatische Indexierung, nämlich bei Gebühren in Wien, ebenfalls ein Taschenspielertrick, um diese automatischen Erhöhungen nicht Gebührenerhöhungen nennen zu müssen. Eine automatische Erhöhung der Einkommensstufen wäre natürlich eine Möglichkeit, das Problem aus der Welt zu schaffen, allerdings entgeht der Politik dann ein politische Ausgleichsmöglichkeit.
Was meinen Sie mit politischer Ausgleichsmoglichkeit?
Waidhofen an der Ybbs macht Mut. Dort hat jede dritte ÖVP-Stimme von einst eine Alternative ausprobiert – so wenig braucht es, dann klappt’s auch mit der Steuerreform.