Kommt es trotz aller Bemühungen des Westens zu einer Eskalation im Ukraine-Konflikt? Wenn man US-Außenminister Antony Blinken zuhört, dann ist das sehr wahrscheinlich – und es könnte “jederzeit” soweit sein. “Wir sehen weiter beunruhigende Zeichen einer russischen Eskalation inklusive der Ankunft neuer Truppen an der ukrainischen Grenze“, warnte Antony Blinken am Freitag. Auch wenn der Westen – allen voran Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron – dieser Tage mit allen Mitteln einen Krieg, der so nah wie lange nicht scheint, zu verhindern versucht, stellen sich die Vereinigten Staaten auf genau dieses Szenario ein. Und das könnte schneller Wirklichkeit werden, als gedacht: Eine Invasion sehen die US-Amerikaner als so gut wie imminent an, auch während der bis zum 20. Februar dauernden Olympischen Winterspiele sei ein solcher Schritt “jederzeit” möglich.

Biden spricht bereits von möglichem "Weltkrieg"

Wie ernst die USA die Lage nehmen, sieht man auch an der dauernd steigenden werdenden Zahl an US-Truppen und Waffen, die mittlerweile fast täglich in Europa ankommen – und an der Wortwahl von Präsident Joe Biden. Der “POTUS” gab bereits eine Warnung an US-Bürger aus, die sich aktuell in der Ukraine aufhalten – mit dem dringenden Aufruf, das Land schnellstmöglich zu verlassen. Die Vereinigten Staaten könnten ihre Bürger nicht rechtzeitig aus der Ukraine evakuieren, sollte es schon bald zu Kampfhandlungen kommen. “Das ist ein Weltkrieg, wenn Amerikaner und Russen damit beginnen, aufeinander zu schießen”, so Biden in einem Interview mit dem Nachrichtensender “NBC”. Und: Russland rüste im Grenzgebiet bereits weiter auf.

Beim Aufrüsten wollen die USA Russland dementsprechend um nichts nachstehen: Am Freitag wurden Bilder veröffentlicht, die zeigen, wie die US-Armee die Ukraine mit Waffen ausrüstet. Demnach kamen in den frühen Morgenstunden Panzerabwehr-Raketen vom Typ Javelin der US-Armee am Internationalen Flughafen von Kiew an. 90 Tonnen Munition und Waffen, zusätzlich zu den bereits 1200 geleiteten bereits gelieferten Tonnen.

Nicht nur Biden, auch andere Staatsoberhäupter sprechen mittlerweile vom “gefährlichsten Moment” der Krise. Gefährlichster Moment“ der Krise: Der britische Premierminister Boris Johnson hatte am Donnerstag mit Blick auf laufende russische Großmanöver an der Grenze zur Ukraine ebendiese Worte in den Mund genommen.

In den Abendstunden am Freitag stimmten weitere Sprecher denselben Ton an: In einer Telefonkonferenz betonten die westlichen Verbündeten noch einmal ihre Entschlossenheit, mit schnellen und tiefgreifenden Sanktionen auf eine mögliche russische Invasion in der Ukraine zu reagieren. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, die Lage werde von den Teilnehmern aus Europäischer Union und NATO als “sehr, sehr ernst” eingeschätzt. Man wolle weiter versuchen, Russland mit diplomatischen Bemühungen zur Deeskalation zu bewegen.

“Es gilt einen Krieg in Europa zu verhindern”, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf Twitter.

US-Präsident Joe Biden hatte sich am Freitagnachmittag mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und weiteren Verbündeten über den Ukraine- Konflikt ausgetauscht. Eingeladen waren auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der britische Premierminister Boris Johnson, Polens Präsident Andrzej Duda, der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi und Kanadas Premier Justin Trudeau.

Das Weiße Haus hatte erklärt, in dem Gespräch solle es um die “gemeinsame Besorgnis über Russlands fortgesetzte militärische Aufstockung” an der ukrainischen Grenze gehen. Ziel sei es, sich weiter über die “Koordinierung von Diplomatie und Abschreckung” auszutauschen.

Überraschendes Manöver Putins lässt Experten aufhorchen

Und Putin? Der ließ indessen mit einem überraschenden Schritt aufhorchen: Am Donnerstagabend verkündete das russische Verteidigungsministerium wider Erwarten, dass ein vom 13. bis zum 19. Februar angedachtes Militärmanöver im Asow’schen Meer abgeblasen sein sei. Das Manöver, zusammen mit einem im Schwarzen Meer, hatte Russland erst am Mittwoch angekündigt – dass es nur einen Tag später gecancelled wurde, lässt Experten hellhörig werden.

So hätte das russische Militärmanöver im Asow’schen Meer die ukrainischen Häfen von Mariupol und Melitopol von der Außenwelt abgeschnitten – ein Umstand, der internationale Verurteilungen und Sanktionen zur Folge gehabt hätte. Offenbar realisierte das auch Putin am Tag nach seiner Entscheidung und machte sie rückgängig. Das ist jedoch bemerkenswert. Putin, so Beobachter übereinstimmend, hätte das Manöver im Asow’schen Meer gebraucht, um aus ihm heraus eine See-Invasion der Ostukraine zu starten.

Dass er es nun abbläst, könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Machthaber Russlands doch nur blufft und in der Tat keine weiteren aggressiven Schritte plant, die zu extrem schmerzvollen Wirtschaftssanktionen gegen sein Land führen könnten.