Es ist wohl eine der, wenn nicht sogar die brennendste Frage, die uns seit Ausbruch der Pandemie vor zwei Jahren beschäftigt: Wann ist der Corona-Spuk endlich wieder vorbei? Um eine Antwort – oder, wie sich herausstellt, mehrere Antworten auf diese Fragen aller Fragen zu finden, haben nun britische Wissenschaftler einen Blick in die Zukunft gewagt.

Die Experten des international hoch angesehene Expertengremium Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE) der britischen Regierung haben dazu vier mögliche Szenarien – von optimistisch bis pessimistisch – durchdacht und so versucht zu erahnen, wie sich die Corona-Situation in den kommenden 12 bis 18 Monaten entwickeln könnte.

"Übergangsphase" zurück zur Normalität wird Jahre dauern

Eines gleich vorweg: Egal welches Szenario auf uns zukommt, es wird ihrer Ansicht nach noch Jahre bis zu stabilen Verhältnissen dauern. Die Wissenschaftler erwarten auch für die kommenden Jahre ein Kommen und Gehen weiterer Infektions-Wellen, wobei sich die Intensität dieser Wellen sowie auch die Immunitäten weltweit stark unterscheiden werden. Auch dass gleichzeitig mehrere Varianten zirkulieren, scheint möglich.

Das Experten-Gremium macht auch keine Angaben dazu, welches Szenario am wahrscheinlichsten ist. Einen langfristigen Ausblick zu geben, sei nach wie vor schwer. Die Übergangsphase zurück in einer Art von “Normalität” könne zwei bis zehn Jahre dauern und sei “sehr dynamisch und unvorhersehbar”, sagen die Experten. Allerdings erwarte uns “keine Normalität wie vor der Pandemie”, sondern “ein stabiles, sich wiederholendes Muster”, sagen die Wissenschaftler. Ein Leben mit dem Virus werde sich wohl anders gestalten, als es sich heute viele vorstellen.

1. Szenario: Der "Best Case"

Im besten Fall, so die Experten, mutiert das Virus zwar munter weiter, die Antigen-Evolution bleibe aber überschaubar gering. Das führt wiederum dazu, dass sich die Ansteckungskraft des Virus nicht erhöht – und wenn es doch zu Infektionen kommt, dann werden diese nicht mehr so häufig zu schweren Erkrankungen führen, wie es bei Delta der Fall war.

Demgegenüber bleibt aber die Schutzwirkung von Impfungen und vorangegangenen Infektionen weitgehend erhalten, saisonale und regionale Ausbrüche – wie die gefürchteten Herbst- und Winter halten sich in überschaubaren Grenzen. In diesem Fall würden nur  noch Risikogruppenpatienten jährliche Auffrischungsimpfungen benötigen, antivirale Corona-Medikamente erweisen sich als hochwirksam gegen das Virus.  Zudem treten in Jahren mit höheren Corona-Wellen tendenziell weniger Grippefälle auf.

Für die nahe Zukunft würde dieses Szenario im kommenden Herbst/Winter nur kleine Wellen mit wenig schweren Erkrankungen bedeuten.

2. Das "halb-optimistische" Szenario

Das nächste – nicht ganz so aber doch noch durchaus optimistische – Szenario sieht vor, dass eine zunehmende globale Immunität zu einem allgemein niedrigeren Schweregrad von Infektionen führt. Wellen werden durch Zyklen deutlich abnehmender Immunität und/oder das Auftreten neuer Varianten ausgelöst. Was folgt, ist ein Wechselspiel guter und schlechte Jahre, wobei letztere eine hohe Übertragbarkeit und einen ähnlichen Schweregrad wie Delta aufweisen.

Wenn Menschen in diesem Szenario an Corona sterbe, dann beschränken sie sich weitgehend auf schwache, vorerkrankte oder ältere Menschen und Personen ohne vorherige Immunität. In schlechten Jahren bekommen nicht nur Risikopatienten  sondern auch andere Menschen Auffrischungsimpfungen. Die Impfbereitschaft ist hoch, die Menschen sich bei Vorschreibungen zu Corona-Maßnahmen kooperatov. uund das freiwillige , einige Länder schreiben in schlechten Jahren Masken und andere nicht-pharmazeutische Interventionen (NPIs) vor. Antivirale Resistenzen treten auf und schränken die Anwendung von Medikamenten ein, bis Kombinationstherapien verfügbar sind.

In diesem “halb-optimistieschen” Szenario haben saisonale Infektionswellen in Herbst und Winter ein vergleichbares Ausmaß mit ähnlichen Schweregraden von Erkrankungen wie die aktuelle Omikron-Welle.

3. Pessimistischer Blick in die Zukunft

Im dritten Szenario treffen eine hohe globale Inzidenz und eine zunehmende Immunität der Bevölkerung aufeinande führt noch über viele Jahre hinweg zu einem unvorhersehbaren Auftreten von Varianten. Es gibt Virus-Kombinationen aus verstärkter Immunumgehung und größerer Übertragbarkeit. Mehrere Wellen im Jahr sind möglich, manchmal mit einem ähnlichen Schweregrad wie bei Delta.

Bestehende Immunität und aktualisierte Impfstoffe bieten weiterhin einen guten Schutz gegen die meisten schweren Verläufe. Bestimmte Gruppen, beispielsweise Schulkinder, können durch wiederholte Wellen stark belastet werden. Viele Menschen benötigen jährliche Auffrischimpfungen, die Resistenz gegen antivirale Medikamente ist hoch.

Es gibt Saisons mit Corona- und Grippewellen, und Covid-19-Wellen können sich überschneiden, was zu einer stärkeren Belastung des Gesundheitswesens führt. Die Menschen sind nur in begrenztem Ausmaß kooperationsbereit, was Schutzmaßnahmen anbelangt, einige Länder verhängen in schlechten Jahren strengere Maßnahmen. Auch die Rückkehr von Lockdowns und Co. wäre möglich.

In Hinblick auf die nahe Zukunft sieht dieses Szenario starke Wellen und neue Varianten auf uns zukommen, die auch kurzfristig  über uns heeei können. Schwere Erkrankungen und Todesfälle konzentrieren sich jedoch weiterhin auf bestimmte Gruppen, beispielsweise ungeimpfte, vorerkrankte und ältere Menschen.

4. Pessimistischer Blick in die Zukunft

Zu guter Letzt gäbe es auch noch das schlimmste Szenario: Im “worst case” erleben wir eine hohe globale Inzidenz, die Weltbevölkerung ist nur unvollständig durchgeimpft und das Virus tritt vermehrt in Tieren auf, die schließlich wiederum Menschen anstecken und zum wiederholten Auftreten von Varianten. Auch Rekombinationen zwischen verschiedenen Varianten sind möglich. Nicht alle sind problematisch, aber einige weisen eine erhebliche Immunflucht auf.

Unvorhersehbare Veränderungen in der Art und Weise, wie das Virus Krankheiten auslöst, verändern die Häufigkeit und das Altersprofil von schweren Erkrankungen und Sterblichkeit. Langfristige Folgen von Infektionen nehmen zu. Eine flächendeckende jährliche Impfung mit aktualisierten Impfstoffen ist erforderlich, es gibt hohe Resistenzen gegen antivirale Medikamente.

Freiwillige Schutzmaßnahmen sind weitgehend nicht vorhanden und/oder eine Quelle gesellschaftlicher Konflikte. Ein hohes Maß an NPIs ist erforderlich, insbesondere wenn Impfstoffe nicht schnell genug an neue Varianten angepasst werden können und/oder Testverfahren versagen.

Für dieses Szenario sind die Aussichten für die kommenden 12 bis 18 Monate düster: Es kommt zu sehr großen Wellen mit einer Zunahme schwerer Erkrankungen in weiten Teilen der Bevölkerung. Am schlimmsten werden aber nach wie vor diejenigen getroffen, die ungeimpft oder durch vorherige Infektionen nicht ausreichend immun sind.