Drei Monate vor den Wahlen in der Türkei wächst der Druck auf Präsident Recep Tayyip Erdogan wegen seines Erdbeben-Katastrophenmanagements. Immer mehr Opfer-Angehörige und auch die anfangs noch zurückhaltende Opposition warfen dem Staatschef und den Behörden fehlende, völlig unzureichende oder zu langsame Unterstützung vor. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu griff Erdogan direkt an. “Wenn hier irgendjemand für diesen Prozess verantwortlich ist, dann ist es Erdogan.”

Die Regierungspartei habe es 20 Jahre lang versäumt, das Land auf ein Erdbeben vorzubereiten, betonte Kilicdaroglu. “Wo ist der Staat? Wo waren sie zwei Tage lang?”, sagte etwa Sabiha Alinak in der Stadt Malatya. Sie stand in der Nähe eines schneebedeckten eingestürzten Gebäudes, in dem ihre jungen Verwandten feststeckten.

Börse setzt Handel aus

Auch wirtschaftlich gesehen hat das Erdbeben fatale Folgen. Nach dem Kursrutsch und dem Verlust von 35 Milliarden Dollar ist der Handel an der türkischen Börse vorerst ausgesetzt. “Unsere Börse hat beschlossen, den Handel mit Aktien, Futures und Optionen zu stoppen”, hieß es in einer Stellungnahme der Börse Instanbul. Zuvor war der Handel nach Erreichen bestimmter Verlustschwellen bereits zweimal automatisch unterbrochen worden. Nach dem Erdbeben 1999 war die Börse des Landes für eine Woche geschlossen.

Kurs um mehr als 16 Prozent gefallen

Der türkische Leitindex Bist 30 war in der laufenden Woche bis zur Handelsaussetzung um mehr als 16 Prozent gefallen. Das bedeutet einen Verlust von 35 Milliarden Dollar. Angesichts der Umstände sei der Schritt vernünftig, um die Investoren zu schützen, sagte Fondsmanager Haydar Acun von Vermögensverwalter Marmara Capital der Nachrichtenagentur Bloomberg.