Hochspannung herrschte im Vorfeld am Wiener Landesgericht für Strafsachen. Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und ein mitangeklagter Abteilungsleiter im Sportministerium standen wegen schweren Betrugs und Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen vor Gericht. Die beiden Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verlangten in ihren Schlussvorträgen eine “spürbare teilbedingte Freiheitsstrafe”.

In einem von zwei Anklagepunkten freigesprochen

Wegen Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Absprachen ist Karmasin schuldig gesprochen worden. Vom inkriminierten schweren Betrug wurde sie hingegen freigesprochen. Karmasin wurde zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, die der bisher Unbescholtenen bedingt nachgesehen wurde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Freispruch erfolgte, obwohl die laut Anklage betrügerischen Handlungen im Zusammenhang mit den Bezugsfortzahlungen aus Karmasins vorangegangener ministeriellen Tätigkeit für das Gericht “zweifellos” erwiesen und “eindeutig dokumentiert” waren. Karmasin habe “mit voller Absicht und wissentlich” den Betrug begangen, betonte Richter Patrick Aulebauer in der Urteilsbegründung. Aus rechtlichen Gründen sei sie dennoch von diesem Anklagefaktum freizusprechen gewesen, weil sie den Schadensbetrag vollständig und “gerade noch rechtzeitig” zurückbezahlt habe.

Karmasin am Beginn des letzten ProzesstagesAPA/GEORG HOCHMUTH

Der mitangeklagte Abteilungsleiter im Sportministerium wurde von den wider ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen. Die Entscheidungen des Gerichts sind nicht rechtskräftig. Karmasins Verteidiger Norbert Wess bat um Bedenkzeit, die Anklagevertreter gaben vorerst keine Erklärung ab.

Karmasin hatte sich zuvor “nicht schuldig” bekannt.

Im zweiten Anklagepunkt belastete Beinschab die Angeklagte

Der erste Anklagepunkt betraf Bezugsfortzahlungen der Ex-Ministerin, die diese nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich erschlichen haben soll. Dabei soll sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwiegen haben, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortsetzte. Von der Anklage umfasst waren 78.589,95 Euro. Von diesem Vorwurf sprach das Gericht Karmasin jedoch frei.

Sabine Beinschab sagte als Zeugin gegen ihre einstige Chefin aus.APA/ROLAND SCHLAGER

Der zweite Anklagekomplex betrifft drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt. Sie soll den Wettbewerb gezielt eingeschränkt haben,  indem sie laut Anklage mit zwei Mitbewerberinnen – darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab – absprach. Sie soll sie dazu gebracht haben, “von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde” (Anklageschrift). Hier wurde Karmasin schuldig gesprochen.

Beinschab und die zweite Konkurrentin legten zwischen April 2019 und Juni 2021 Angebote, die Karmasin dann jeweils unterbot. Das war nach Ansicht des Erstgerichts “jedenfalls rechtswidrig” und habe “gezielt den Wettbewerb eingeschränkt”

Deutlicher Dissens zwischen WKStA und Verteidigung

Schwere Geschütze waren zuvor die beiden Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Karmasin gefahren. “Sie hat konsequent gegen das Gesetz verstoßen”, meinte Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic. Sophie Karmasin habe “schon lange vor Beendigung ihrer Ministerschaft” Verdienstmöglichkeiten geplant und unmittelbar nach ihrer politischen Karriere nahtlos entgeltliche berufliche Tätigkeiten aufgenommen.

Staatsanwalt Gregor Adamovic vor Beginn des ProzessesAPA/GEORG HOCHMUTH

Dem widersprach Verteidiger Norbert Wess entschieden: “Ich bin zutiefst überzeugt, dass Frau Doktor Karmasin kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden darf.” Bezüglich des angeblichen Betrugs habe Karmasin der Republik um 27.000 Euro zu viel refundiert – “rechtzeitig und freiwillig”.

Anwalt Norbert Wess sag keinen strafrechtlichen Vorwurf gegen seine Mandatin.APA/HANS PUNZ

Hinsichtlich der behaupteten wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen waren laut Wess “alle im Ministerium eingeweiht”. Wenn ein Wettbewerb nicht organisiert wird, könne dieser in weiterer Folge nicht beschränkt werden. “Das steht so im Gesetz”, gab Wess zu bedenken, “das Wirtschaftsstrafrecht fällt nicht vom Himmel”.