Ein neues Rechtsgutachten bringt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in Bedrängnis. Ihre Entscheidung, den Bau des Lobautunnels zu stoppen, ist “willkürlich und ohne jegliche Rechtsgrundlage” gefallen. Die Wiener Wirtschaftskammer hat das Gutachten in Auftrag gegeben. “In Sachen Lobautunnel wird der bisherigen Argumentation des Klimaschutzministeriums nunmehr endgültig das Fundament entzogen”, unterstreicht Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien. Dass Entscheidungen über wichtige Infrastrukturprojekte die Rechtsgrundlage fehle “ist weder des Ministeriums noch des Amtes würdig.”

Bundesstraßengesetz verpflichtet zum Bau des Tunnels

Das Rechtsgutachten der Kanzlei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH widerspricht ausdrücklich der Argumentation des Klimaministeriums. So verpflichte das Bundesstraßengesetz sehr wohl zum Bau einer Straße und sei nicht nur eine “Ermächtigung”, wie die Ministerin erklärt hat: “Diese Behauptung ist nicht haltbar.” Das Gutachten verweist dabei auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) aus dem Jahr 1990 betreffend die Phyrnautobahn. Demnach darf die Bundesstraßenverwaltung den Bau von im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Straßen nicht verzögern. Straßenprojekte seien ehestens umzusetzen.

Das Bundesstraßengesetz enthalte den ausdrücklichen Gesetzesauftrag, die S1 zu bauen. Dies sei eine Vorgabe für den Aufsichtsrat der Asfinag (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft). Es handle sich hier nicht um eine unternehmerische Ermessensentscheidung. Die Kammer empfiehlt dem Aufsichtsrat daher in einer Aussendung, Schäden für Wirtschaft und Menschen abzuwenden. Der Volkswirtschaft entgingen mindestens 12,7 Milliarden Euro an Wertschöpfung. “Das ist immerhin ein Drittel der bisher angefallenen Kosten für die Pandemie”, sagt Ruck.

Die Klimaministerin darf keine Weisung geben

Auch in seinem eigenen Interesse sollte der Aufsichtsrat das bedenken. Gemäß dem Rechtsgutachten haften nämlich die Asfinag-Aufsichtsratsmitglieder, “wenn sie einem Bauprogramm zustimmen, in dem Straßenteile nicht oder nicht mehr enthalten sind, die im Bundesstraßengesetz festgelegt sind. Das ist bei der S1 inklusive Lobautunnel der Fall”, unterstreicht Walter Ruck.

Das Bauprogramm der Asfinag muss vom Aufsichtsrat abgesegnet werden. Ministerin Gewessler hat aber beim Lobautunnel die Entscheidungen der Asfinag nicht abgewartet, sondern die vorgegebene Abfolge umgedreht und die Ergebnisse durch eine Verkündigung am 1. Dezember vorweggenommen. “Das entspricht einer Weisung. Diese ist wiederum rechtswidrig, weil Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft per Gesetz weisungsfrei sind”, argumentiert die Kammer.

“Vorstand und Aufsichtsrat der Asfinag sind gut beraten sich hier im Rechtsrahmen zu bewegen und so Schäden für die Aktiengesellschaft, den Wirtschaftsstandort und die Menschen in der Ostregion abzuwenden“, sagt Ruck abschließend.