Schweiz und EU kommen zurzeit wieder nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Die Verhandlungen über das EU-Rahmenabkommen werden zwar von beiden Seiten fortgesetzt, allerdings wird man sich vor allem bei der unterschiedlichen Auslegung der Personenfreizügigkeit nicht einig.

Nun ist ein Schweizer Politiker mit einem Vorschlag vorgeprescht. Er dürfte einen Konsens zwischen beiden Verhandlungspartnern wieder realistischer machen. Die Frage ist nur, um ihm auch die Schweizer zustimmen werden. Cédric Wermuth, Co-Präsident der Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP), erklärte im Gespräch mit dem Schweizer Tagesanzeiger: “Man könnte sicherstellen, dass Menschen aus der EU nach fünf Jahren automatisch das Aufenthaltsrecht erhalten. Oder, warum nicht, nach fünf Jahren das Schweizer Bürgerrecht verleihen?”

Bald ein neuer Zustrom in die Schweiz?

Wow! Der Vorschlag eröffnet neue Perspektiven. So ist die Schweiz schon jetzt beliebtes Auswanderungsziel der Österreicher und anderer Europäer. Immerhin bietet sie gute Karriere-Chancen, eine niedrige Mehrwertsteuer von 7,7 Prozent und gut bezahlte Berufe in der IT-Branche, Medizin und im Handwerk. Gut möglich, dass der Zustrom in Österreichs Nachbarland bald ansteigen könnte. Überhaupt ist die Schweiz beim Durchschnittsvermögen ihrer Bürger weltweit Spitzenreiter. Nicht zu vergessen: Im Jahr 1919 stimmten die Vorarlberger schon einmal über Beitrittsverhandlungen mit der Schweiz ab. 81 Prozent waren dafür, doch der Schweizer Bundesrat lehnte ab.

Österreichische oder Schweizer Berge? Idyllisch sind mitunter beide

Mit Blick auf die jetzigen Bestimmungen in der Schweiz kommt der Vorschlag fast einem Kulturbruch gleich.Die Einbürgerung erfolgt nämlich zurzeit weit weniger einfach, und zwar unabhängig davon, ob man EU-Bürger ist oder nicht. Das Schweizer Bürgerrecht sieht nicht nur zehn Jahre Aufenthalt in der Schweiz vor, der Antragsteller muss unter anderem auch “mit den schweizerischen Lebensverhältnissen vertraut” sein, und verschiedene Integrationskriterien erfüllen, wie die “Respektierung der Werte der Bundesverfassung” oder die “Förderung und Unterstützung der Integration der Ehefrau oder des Ehemannes”.

Darüber hinaus hat der Bund im Schweizer Föderalismus nicht das letzte Wort: Er prüft, ob die Mindestvorschriften erfüllt sind und erteilt danach eine zeitlich und räumlich begrenzte Einbürgerungsbewilligung. Die eigentliche Entscheidung fällt danach der jeweilige Kanton, also die dortige Einbürgerungskommission. Hinzu kommt: Auf Kanton-Ebene gelten zusätzliche Bestimmungen, und die sind je nach Kanton sehr unterschiedlich.

Vertrautheit mit Schweizer Traditionen ist bei der Einbürgerung erwünscht

Das österreichische Recht ist zum Teil restriktiver

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass die Schweizer den bisherigen Modus für EU-Bürger einfach abschaffen werden.

In manchen Punkten ist das Schweizer Recht allerdings weniger restriktiv als das österreichische. So müssen in Österreich Nicht-EU-Staatsbürger einen mindestens zehnjährigen und ununterbrochenen Aufenthalt (!) vorweisen, zwecks Zulassung zur Einbürgerung. Darüber hinaus geht die Eingliederung in Österreich immer mit einem Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit einher. Anders in der Schweiz, wo mehrfache Staatsbürgerschaften unbegrenzt zulässig sind.

Hoher Lebensstand, aber hohe Lebenshaltungskosten

Die Einkommen in der Schweiz sind im Schnitt höher als in Österreich. Was man aber nicht vergessen sollte: Die Lebenshaltungskosten sind es ebenfalls, sie gehören sogar zu den höchsten Europas. Vorarlberger, die an der Schweiz Grenze wohnen, tun daher vermutlich besser daran, zwar in der Schweiz zu arbeiten, ihren Lebensmittelpunkt aber in Österreich zu belassen. Und Österreich könnte sich einmal fragen, wie es Arbeit entlasten könnte – und als Wirtschaftsstandort ähnlich attraktiv wird wie die Schweiz.

Würden Sie gerne dauerhaft in die Schweiz übersiedeln?