Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich angesichts der mutmaßlichen Kriegsverbrechen russischer Soldaten in der Ukraine für einen Prozess gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgesprochen.

“Alle, die für diese Verbrechen Verantwortung tragen, werden sich rechtfertigen müssen”, unterstrich er gegenüber dem “Spiegel”. Dazu gehörten neben Soldaten und militärischen Befehlshabern “selbstverständlich auch diejenigen, die politische Verantwortung tragen”.

"Wandel durch Handel trägt bei Autokratien nicht"

Die Bilder aus Butscha seien furchtbar und kaum zu ertragen, sagt Steinmeier weiter: “Sie verdichten noch einmal, was der verbrecherische Überfall Russlands auf die Ukraine bedeutet, was er an Leid und Tod bringt, auch an Vertreibung. Das macht ungeheuer wütend und traurig.”

Angesichts der gestiegenen Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas unterstrich er: “Eine Lehre daraus ist, dass die außenpolitische Philosophie, dass der Wandel durch Handel stattfindet, im Umgang mit Autokratien nicht trägt.” Nun müsse man”genau aufarbeiten, wo wir Fehler gemacht haben”. Das betreffe “Generationen von Politikern. Ich beziehe mich ausdrücklich mit ein.”

Moskau hat nicht Angst vor der NATO, sondern vor Demokratie

Steinmeier räumte ein, dass sich seine eigene Einstellung zu Putin und zum Kreml seit dem 24. Februar grundlegend gewandelt habe: “Früher habe ich tatsächlich geglaubt, Moskau könnte Angst vor der Erweiterung der NATO haben. Heute weiß ich: Angst hat Russland vor der Ausbreitung von Demokratie, vor der Sehnsucht nach Freiheit und Recht. Der Überfall auf die Ukraine, die Leugnung ihrer Staatlichkeit, das Morden und das tausendfache Leid, das ist eine endgültige Zäsur. Und eben auch eine Zeitenwende. Sie ist sichtbar geworden durch das Zusammenrücken des gesamten Westens, durch den Schulterschluss zwischen Europa und den USA, die Entschiedenheit der EU bei den Sanktionen, die deutlichen Antworten der NATO.”

Keine Schuldeingeständnisse in Österreich

Von Schuldeingeständnissen nehmen österreichische Politiker bisher Abstand. Ex-Bundespräsident Heinz Fischer erklärte, eine solche Diskussion auch nicht führen zu wollen. Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hüllt sich ebenfalls in Schweigen.