Stanley Kubrick, einer der größten Regisseure der Filmgeschichte, drehte 1963 seine Satire „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“. Laut Meinung der Filmkritiker ist dies der beste Film, der je über die atomare Bedrohung gedreht wurde. Peter Sellers brillierte in einer Dreifachrolle als Group Captain Mandrake, als amerikanischer Präsident Muffley und als ausgeflippter Wissenschaftler Dr. Seltsam.

Die heimlichen Stars des Films sind Slim Pickens als Pilot Major Kong und sein Bomber. Die Boeing B-52 „Stratofortress“ ist unter allen Kriegsflugzeugen, die je gebaut wurden, eines der tödlichsten. Bei einer nuklearen Maximalbeladung konnte ein einziger B-52-Bomber das unvorstellbare Vernichtungspotential transportieren, das der sechzehnfachen Sprengkraft aller Bomben während des gesamten 2. Weltkrieges entspricht. Heute werden Atombomben von Cruise-Missiles und Raketen ins Ziel getragen.

Im US-Bundesstaat New Mexico lohnt sich ein Besuch im Bradbury Science Museum in Los Alamos. Dort werden Modelle in Originalgröße der ersten Atombombe („Trinity“), der Hiroschimabombe („Little Boy“), der Nagasakibombe („Fat Man“) und andere nukleare Waffen gezeigt. Im nahe gelegenen Albuquerque befindet sich das National Museum of Nuclear Science & History. Dort präsentieren die Amerikaner ein schier unüberschaubares Arsenal an Atombomben und Trägersystemen.

Hiroschima und Nagasaki

Die Museumspädagogen in Albuquerque und Los Alamos versuchen den Besuchern zu erklären, dass der Einsatz von Atombomben im Sommer 1945 nötig war, um den blutigen Krieg gegen Japan abzukürzen. In Wahrheit wollten die Amerikaner die beiden damals verfügbaren Bombentypen testen und ihre Wirkung studieren. Die Hiroschimabombe verwendete Uran-235, die Nagasakibombe Plutonium-239 als spaltbares Material. Beide Bomben detonierten wie erwartet, die verheerenden Folgen sind bekannt.

Die Zahl der nuklearen Sprengköpfe („Warheads“) wurde nach mehreren Abrüstungsgesprächen nach und nach reduziert. Was übrig blieb, ist nach wie vor beunruhigend. Die Sowjetunion reduzierte zu Beginn die Zahl der einsatzbereiten Gefechtsköpfe von rund 22.000 auf 8000, die USA von 21.000 auf 12.000. Im Rahmen des Abkommens „New START“ wurde nochmals auf rund 2800 (Russland) und 2200 Sprengköpfe (USA) reduziert. Nicht in der Aufzählung enthalten sind die Bomben von Großbritannien, Frankreich, China und anderer Staaten.

Ein Gefechtskopf mit einer halben Megatonne Sprengkraft könnte Städte wie Kiew oder Warschau samt Bewohnern vernichten. Es bliebe nichts übrig. Während die Wirkung einer Kernspaltungs-Atombombe (Hiroshima und Nagasaki) aus physikalischen Gründen begrenzt ist, ist das bei Fusionsbomben (Wasserstoffbomben) anders. Bei diesen Sprengköpfen wird eine Plutoniumbombe als Zünder verwendet, worauf Wasserstoff- und Lithiumatome unter Abgabe unvorstellbar gewaltiger Energiemengen verschmelzen.

Castle Bravo

Die USA führten nach dem Weltkrieg Testserien von Wasserstoffbomben namens „Operation Castle“ und „Yankee“ am Bikini Atoll in der Südsee durch. Es waren die stärksten Atomwaffentests, die von den Amerikanern je durchgeführt wurden. Bei der größten Explosion, „Castle Bravo“ im Jahr 1954, ging etwas schief. Die gemessene Sprengkraft war mit 15 Megatonnen um ein Vielfaches höher als ursprünglich erwartet. Es war zu einer unerwarteten Fusion bestimmter Lithiumisotope  gekommen. Die geschockte Besatzung des Beobachtungsschiffes „USS Curtiss“ in 40 Kilometern Entfernung schloss wegen der enormen Hitze mit dem Leben ab, überlebte aber wie durch ein Wunder. Die Kommunisten wollten die Amerikaner übertrumpfen und bauten die größte Vernichtungsmaschine aller Zeiten. Ministerpräsident Nikita Chrustschow war sich trotz einiger sowjetischer Erfolge in der Raumfahrt darüber im Klaren, dass der Kommunismus mit dem Westen technologisch nicht mithalten konnte, denn die Kommunisten hatten kein Silicon Valley. Diese Blöße wollte Chrustschow durch Gigantomanie ausgleichen. Er beauftragte den genialen Physiker Andrei Sacharow mit dem Bau der größten Atombombe der Welt. Sie sollte eine Sprengkraft von 100 Millionen Tonnen TNT haben. Das entspricht 50.000 (in Worten: fünfzigtausend) Hiroschimabomben.

Zar

Sacharow ging eher widerwillig ans Werk. Er konstruierte die Bombe so, dass „nur“ eine Sprengkraft von 50 Megatonnen zu erwarten war. Die Höllenmaschine bekam die Serienbezeichnung AN 620 und wurde „Zar“ genannt. Sie wog 27 Tonnen und konnte gerade noch am Rumpf einer Tupolew-95 befestigt und transportiert werden.

Das Flugzeug startete am 30. Oktober 1961 zur arktischen Insel Nowaja Semlja und warf die Bombe mit einem Fallschirm aus einer Höhe von 12.000 Metern ab. Die Detonation erfolgte in 500 Metern Höhe. Zunächst wurde das bereits weit entfernte Flugzeug über tausend Meter nach unten geschleudert und beinahe in Stücke gerissen. Im Umkreis von 100 Kilometern wurden alle Gebäude zerstört, noch in 500 Kilometern Entfernung gingen alle Fensterscheiben zu Bruch. Der Atompilz reichte bis an die Grenzen des Weltalls. Zar war so gewaltig, dass eine radioaktive Wolke um den Erdball ging.

Graue Theorie

Die Bezeichnung „Taktische Atomwaffen“ für kleine Sprengköpfe ist eine Verharmlosung. Ein so genannter taktischer Atomschlag zielt auf die Moral des Feindes, der die Folgen einer weiteren Eskalation für schlimmer halten soll als einen Rückzug oder die Einwilligung in Verhandlungen. Der Einsatz von Atomwaffen in so einem Szenario ist in erster Linie ein politisches Kalkül, doch das ist nichts als graue Theorie. Es könnte das Opfer noch wütender machen und die weltweite Ächtung des nuklearen Täters ins Unermessliche steigern. Bis heute konnten die USA den Makel des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen nicht gänzlich abschütteln. Gerade das sollte Wladimir Putin zu denken geben. Nach der Detonation auch nur eines einzigen nuklearen Sprengkopfes wäre der Ruf Russlands als Schurkenstaat für sehr lange Zeit einbetoniert. Niemand kann das wollen, auch ein in die Ecke gedrängter Putin nicht.

Rudolf Öller ist promovierter Genetiker der Universität Tübingen und seit Jahrzehnten sowohl als Kolumnenschreiber als auch als Buchautor publizistisch tätig. Öller ist gebürtiger Oberösterreicher, hat in AHS und BHS Naturwissenschaften und Informatik unterrichtet und war ehrenamtlicher Rettungssanitäter, Blaulichtfahrer und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz. Er lebt heute in Vorarlberg.